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Das Rad muss nicht neu erfunden werden

Von Roland Falb

Recht

Gastbeitrag: Die Beratung in der öffentlichen Verwaltung gleicht trotz organisatorischer Unterschiede der von Unternehmen.


Wien. Ohne Zweifel steht die öffentliche Verwaltung zunehmend in einem dynamischen Spannungsfeld: Unüberhörbar sind die Rufe nach Verwaltungsreformen, Kosten- und Personalreduktionen. Andererseits führen immer wieder neue Gesetze, Verordnungen und Erlässe zu einer Ausweitung der Aufgaben, und letztlich steigen auch die Erwartungen an den Servicegrad für die Kunden.

In diesem Kontext müssen sich Verwaltungseinrichtungen, egal ob auf Bundes-, Länder- oder Gemeindeebene in immer stärkerem Maße damit auseinandersetzen, wie sie diese Anpassungs- und Veränderungsherausforderungen bewältigen können. Dabei kann externe Unterstützung, so wie diese von Beratern geleistet wird, wertschöpfend und hilfreich sein.

Es stellt sich natürlich die Frage, ob Instrumente, die sich im unternehmerischen Umfeld bewährt haben, auch in der Verwaltung eingesetzt werden können. Zumal zwischen einem Unternehmen, das einem geschäftlichen "Risiko" ausgesetzt ist, und einer Verwaltungseinrichtung, deren primäres Ziel in verwaltungstechnischer "Sicherheit" besteht, maßgebliche Unterschiede bestehen.

Dennoch ist ein Know-how Transfer von Unternehmen zu Verwaltungseinrichtungen, das zeigt die Erfahrung, möglich und oft auch sinnvoll.

Unterschied zwischen Unternehmen und Verwaltung

Doch zunächst einmal zu den beratungsrelevanten Unterschieden zwischen den beiden Organisationsarten: Unternehmen dienen einem "wirtschaftlichen Zweck", der grundsätzlich sehr breit definiert werden kann und in der Praxis auch wird. Dieser kann durch Schlagworte wie Wachstumsorientierung, Markt- oder Technologieführerschaft, Profit- oder Dividendenorientierung, Shareholder-Value und anderes zum Ausdruck gebracht werden. Niedergeschrieben wird das oft in einem Visionen-Papier, das stark vom unternehmerischen Willen geprägt ist.

Verwaltungseinrichtungen hingegen haben einen ganz klaren, meist gesetzlich definierten Auftrag, der wesentlich enger eingegrenzt ist. Interne Strukturen sind entweder vorgegeben oder haben sich aus einem Erfahrungswissen heraus gebildet, sind aber auf jeden Fall auf Stabilität ausgerichtet. Hierarchien sind tief gestaffelt. Aufgabenabgrenzungen zwischen einzelnen Organisationseinheiten sind scharf definiert, und die Karriereleiter wird üblicherweise entlang vorgegebener und stark standardisierter Pfade beschritten. Pragmatisierung oder spezielle Dienstrechtsformen schränken die Gestaltungsflexibilität ein.

Gemeinsamkeiten erlauben ähnliche Beratungsansätze

Und trotzdem gibt es auch eine Reihe von Gemeinsamkeiten, die ähnliche oder sogar idente Beratungsansätze erlauben und auch den bereits angesprochenen Know-how-Transfer ermöglichen: Egal, ob eine "unternehmerische Vision" oder ein "gesetzlicher Verwaltungsauftrag" im Vordergrund stehen, letztlich liegt der Erfolg in beiden Bereichen darin, dass eine Vielzahl von Menschen Arbeitsaktivitäten erbringt, die zielgerichtet und möglichst effizient zu einer hohen Kundenzufriedenheit führen.

Ausgehend vom "Verwaltungsauftrag", ist zunächst einmal eine Strategie festzulegen, die von Führungskräften verstanden und getragen wird, und die im Sinne der hierarchischen Strukturen weiter zu verfeinern und auszugestalten ist, damit jeder einzelne Mitarbeiter das Ziel seiner Tätigkeit versteht und dieses Ziel alleine, oder gemeinsam mit anderen, unterstützt durch entsprechende Hilfsmittel oder Tools, verfolgen kann.

Maßnahmenpakete sind den entsprechenden Organisationseinheiten zuzuordnen und müssen mit Mess- und Steuergrößen, die quantifiziert sind (KPI - Key Performance Indicator) beschrieben werden. Ein vielfach bewährtes Instrument dazu ist die sogenannte Balanced Scorecard, bei der solche Mess- und Steuergrößen entlang der hierarchischen Stufen verfeinert werden.

Dabei wird grundsätzlich die Logik verfolgt, dass Detailziele ein übergeordnetes, größeres Ziel unterstützen. Beim Aufbau einer solchen Ziel-Linien-Hierarche müssen auch Zielkonflikte offen angesprochen und bereinigt werden. Je detaillierter die Ziele quantifiziert sind, umso leichter kann auch eine nachträgliche Kontrolle der Zielerreichung beziehungsweise eine Abweichungsanalyse erfolgen, die wiederum zu Zielkorrekturen oder Veränderungen in den Maßnahmen führt.

Optimierung derKernprozesse wichtig

Ein weiteres wesentliches Themenfeld, in dem Beratungsunterstützung hilfreich sein kann, sind Organisationsuntersuchungen und die Optimierung der Kernprozesse. Organisationsuntersuchungen beziehen sich - soweit dies in den enger gesetzten Grenzen einer Verwaltungseinrichtung möglich ist - auf die aufbauorganisatorischen Aspekte. Dabei stehen die klare Aufgabenabgrenzung und die Ausgestaltung von Schnittstellen zwischen einzelnen Organisationseinheiten im Vordergrund.

Natürlich ist dabei auch der Effizienzaspekt zu berücksichtigen, wobei hier die Frage im Vordergrund steht, wie viele Personenressourcen einem bestimmten Arbeitspaket gegenübergestellt werden.

Da es sich in Verwaltungseinrichtungen sehr oft um Prozesse handelt, die in großer Anzahl ähnlich abgewickelt werden, können hier Benchmark-Vergleiche dienlich sein. Außerdem ist immer wieder zu prüfen, ob bestimmte Abläufe durch entsprechende Toolunterstützung auch automatisiert werden können.

Gerade heute, wo durch die Möglichkeiten der Digitalisierung neue Gestaltungsansätze möglich werden, stellt sich auch in der Verwaltung die Frage, in wieweit Aufgaben an der Schnittstelle zum Kunden grundsätzlich vereinfacht werden (zum Beispiel E-Government) oder auch ausgelagert werden, wenn Kunden Teilaufgaben selbst übernehmen, so wie dies beispielsweise im Bankensektor der Fall ist (zum Beispiel Online-Banking).

Richtige Mitarbeiter, richtige Zahl, richtige Aufgaben

Ein wesentliches Element bei Organisationsuntersuchungen sind auch Anforderungs- und Qualifikationsanalysen sowie Personalstrukturanalysen.

Diese bilden die Basis, um eine nicht nur quantitative, sondern auch qualitative Personalbedarfsplanung vorzunehmen und daraus Personalentwicklungskonzepte abzuleiten. Sind die richtigen Mitarbeiter in richtiger Anzahl mit den richtigen Aufgaben betraut, dann geht es darum, diese weiterzuentwickeln und allenfalls auch bei der Wahrnehmung ihrer Aufgaben zu coachen (zum Beispiel Teamführung).

Controlling- und Führungsinformationssysteme sind im Sinne von Unterstützungsprozessen zu verstehen, die möglichst hohe Transparenz in die Qualität der Aufgabenabwicklung bringen und die Führungskräfte auf den unterschiedlichen Hierarchieebenen unterstützen, ihren jeweiligen Bereich optimal steuern zu können.

Letztlich spielt aber auch das Thema Projektmanagement und die Steuerung von Projekten eine Rolle. Wie eingangs schon dargelegt, unterliegen Verwaltungseinrichtungen einer permanenten Anpassung ihrer Aufgaben und damit einer Veränderung ihrer Aufbauorganisation. Dabei stellt professionelles Projektmanagement in Phasen der organisatorischen Veränderungen einen Kernerfolgsfaktor da.

Schließlich haben Verwaltungsprozesse zu einer möglichst hohen Kundenzufriedenheit zu führen. Egal, ob es sich dabei um nachgelagerte Verwaltungseinrichtungen, Unternehmen oder Privatpersonen handelt. Eine laufende Überprüfung der Kundenzufriedenheit über Instrumente der Kundenbefragung hat noch nie geschadet und ist für jegliche Art von Organisationseinrichtungen Motivator, laufend Effizienz und Effektivität zu verbessern.

Da diese Anforderungen völlig ident auch an Unternehmen gestellt werden, schließt sich an dieser Stelle auch der Gedankenkreis: Verwaltungseinrichtungen können von Unternehmen und Unternehmen von Verwaltungseinrichtungen lernen - und das sollten beide auch tun.

Zum Autor

Roland

Falb

ist Managing Partner bei Roland Berger und berät seit mehr als 20 Jahren Organisationen des öffentlichen Bereiches (Landesregierungen und Bundesministerien) sowie staatliche als auch teilstaatliche Unternehmen. Die Beratungsschwerpunkte liegen dabei in den Themen Effizienzsteigerung, Prozessoptimierung, Risiko-Management, aber auch in den Bereichen Digitalisierung, Bürgerorientierung und moderne Verwaltung.