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"Ich hätte es mir leichter machen können"

Von Katharina Schmidt

Recht
Patricia Schuller-Köhler: Notarinnen sind heute keine Exotinnen mehr.
© Stanislav Jenis

Der Notarberuf ist im Wandel: Derzeit sind Frauen noch Exoten, doch das wird sich bald ändern. Besuch bei einer Notarin.


Wien. Es sind die Urururgroßeltern an der Wand, auf die der Blick als Erstes fällt. In dem modern renovierten Büro ziehen die beiden Ölgemälde sofort die Aufmerksamkeit auf sich. Sie waren nicht Notare, sondern besaßen eine Sektkellerei. Familienbesitz, der in der nächsten Generation verloren ging. "Sie erinnern mich an das Wesen des Notarberufs: die Veränderung und Vergänglichkeit von Lebenssituationen", sagt Patricia Schuller-Köhler.

2011 hat sie die Notarstelle ihres Vaters in der Kanzleigemeinschaft in der Wiener Donaustadt übernommen - und ist damit so etwas wie eine Exotin ihrer Zunft: Von den österreichweit 506 Notarstellen sind nicht einmal zehn Prozent mit Frauen besetzt, in Tirol, Vorarlberg und dem Burgenland gibt es keine einzige weibliche Notarin. Das mag auch mit der langen Wartezeit zusammenhängen - schon einmal 20 Jahre kann es dauern, bis ein Notariatskandidat eine der wenigen gesetzlich reglementierten Stellen ergattert. Sieben Jahre "Lehrzeit" bei einem Notar sind neben Jusstudium und zwei Notariatsprüfungen die Mindestanforderung, um sich überhaupt für eine Stelle bewerben zu dürfen. Neben dem Dienstalter sind bei der Bewerbung für eine der öffentlich ausgeschriebenen Stellen auch Zusatzausbildungen und Engagement für den Stand ausschlaggebend. Familienfreundlichkeit sieht anders aus.

Das dachte sich auch Schuller-Köhler, die nach dem Studium eigentlich schon eine fixe Zusage für einen Juristenposten bei der Stadt Wien hatte. "Das wäre keine große Herausforderung gewesen, aber ein sicherer Beamtenjob, mit allen Karenz- und Teilzeitmöglichkeiten." Dass sie sich dann doch für das Notariat entschied, hatte auch mit der Struktur der Gemeinschaftskanzlei zu tun - insgesamt vier Notare arbeiten an dem Standort, da kann schon einer einmal für den anderen einspringen. "Das hilft auch den männlichen Kollegen", sagt Schuller-Köhler. Wenn ein Notar alleine ist und krank wird, ist es schwierig, Ersatz zu finden.

Zwölf Frauen in drei Bundesländern

1995 trat sie als Notariatskandidatin in die Kanzlei ein - mit einem noch größeren Exotenstatus als heute. "Damals gab es in der Kammer eine Frauenrunde mit allen Notarinnen und Kandidatinnen aus Wien, Niederösterreich und dem Burgenland. Wir waren zu zwölft." Zu dieser Zeit war auch keinerlei Absicherung für Mütter vorhanden: Zwar durften auch Notariatskandidatinnen den gesetzlichen Mutterschutz von 16 Wochen nicht umgehen, eine Regelung über das Wochengeld, also den Ersatz für den Verdienstentgang, gab es aber nicht. "Der Mutterschutz musste eingehalten werden, aber das Wochengeld musste der Arbeitgeber zahlen - oder auch nicht, denn es gab ja keinen Kollektivvertrag", erzählt Schuller-Köhler.

Rechtzeitig vor der Geburt ihrer Tochter 1998 wurde ein Sozialfonds eingerichtet, aus dem das Wochengeld und das Karenzgeld finanziert wurden. Karenz wäre zwar eine Möglichkeit gewesen, die sie aber nicht in Anspruch nahm. Nach der Geburt ihres Sohnes 2005 konnte Schuller-Köhler zumindest ein halbes Jahr Babyzeit nehmen. Damals wurde - unabhängig von der tatsächlichen Karenzdauer - ein Jahr für die Wartezeit angerechnet, seit heuer sind es immerhin zwei Jahre gesamt für alle Kinder.

Vielleicht ist es die bessere Vereinbarkeit, vielleicht ist es der allgemeine Wandel der Gesellschaft: Auch bei den Notarinnen bewegt sich etwas. Mittlerweile nähert sich der Anteil der weiblichen Notariatskandidaten in einigen Bundesländern der 50-Prozent-Marke, in Oberösterreich gibt es sogar mehr Kandidatinnen als Kandidaten. Das hat laut Schuller-Köhler auch damit zu tun, dass die Branche flexibler wird: Früher war man über Jahre in derselben Kanzlei - eine Frau einzustellen war stets mit dem Makel des potenziellen Ausfalls durch Schwangerschaft behaftet. Nun geht der Wechsel schneller, auch ein Mann kann durch berufliche Umorientierung ausfallen. Die Erwartungshaltung der Bevölkerung ändert sich nur langsam: "In der Öffentlichkeit stellt man sich einen Notar immer als älteren Herrn vor", sagt Schuller-Köhler. Sie persönlich hatte kaum mit Ressentiments zu kämpfen. Nur als Berufsanfängerin löste sie mitunter Erstaunen aus, dass eine Frau und nicht ein Mann das juristische Fachwissen hatte.

Während sie als "Working Mum" von ihrer Familie immer Rückhalt bekommen hat, musste Schuller-Köhler dennoch gelegentlich mit dem schlechten Gewissen kämpfen, wenn sie ihre Kinder erst nach fünf Uhr aus der Nachmittagsbetreuung abholen konnte. Der Vorwurf "ich bin zu Hause, ich bin für mein Kind da" anderer Mütter habe sie vor allem geärgert - "nur weil ich nicht zu Hause bin, heißt das nicht, dass ich nicht für meine Kinder da bin".

Zu große Ansprüchean sich selbst

Manchmal wäre es netter gewesen, um 14 Uhr schon mit den Kindern im Schwimmbad zu sitzen statt im heißen Büro. Dafür sind diese Frauen heute im Fall einer Trennung nicht abgesichert. In solchen Situationen fühlt sich die 49-Jährige bestätigt, dass ihr eigenständiger Weg der richtige war. Sowohl ihr Mann als auch sie selbst könnten im Falle einer Trennung ohne existenzielle Nöte leben. Nicht, dass es immer einfach war. Denn trotz aller Gleichberechtigung: "Der Anspruch, den Frauen an sich selbst stellen, einen perfekten Haushalt zu führen, perfekte Kinder und einen perfekten Job haben zu müssen, geht zu Lasten der Gelassenheit", sagt die Notarin. "Natürlich habe ich mir manchmal mit Blick auf den Job bei der Stadt gedacht: ‚Ich hätte es mir ja leichter machen können.‘ Andererseits hat mir mein Beruf immer Spaß gemacht, das auch eine Form des Ausgleichs."