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Für das Vertrauen in den Staat

Von Nikolaus Lehner

Recht

Gegen Korruption und Amtsmissbrauch wird hart vorgegangen, zeigen Eva Marek und Robert Jerabek in der Neuauflage ihres Buches.


© Adobe Stock/Andrey Popov

Wien. Das Thema rund um Korruption und Amtsmissbrauch in Österreich ist komplex. Es beschäftigt Medien und Bevölkerung seit Jahren. Die strafrechtliche Verfolgbarkeit setzt klare Grenzen - ohne Graubereiche - voraus. Dass hart gegen solche Praktiken vorgegangen wird, damit das Vertrauen in staatliche Institutionen nicht verloren geht, zeigen die Autoren in der Neuauflage ihres juristischen "Bestsellers" anhand von brandaktuellen Fällen aus der Rechtsprechung auf.

Knappe zwei Jahre nach der 10. Auflage des zu Recht bereits als Standardwerk bezeichneten grundlegenden Werkes von Eva Marek, Vizepräsidentin des Obersten Gerichtshofes (OGH), und Robert Jerabek, Rechtsschutzbeauftragter im Justizministerium, erschien die 11. Auflage von "Korruption und Amtsmissbrauch" (2018). Ich habe schon einige Vorauflagen besprechen dürfen. An meinem positiven Gesamteindruck hat sich nichts geändert.

Daher möchte ich bei dieser Rezension nur kurz auf jene Probleme eingehen, die auf der Rückseite des Bandes angeführt sind und die auch Innenminister Herbert Kickl und Justizminister Josef Moser in ihren Vorworten hervorheben (III, IV):

Zur neuesten Rechtsprechung des OGH: (wohl zu den §§ 302, 310, 311 StGB; zu den §§ 304-309 StGB gibt es kaum Judikatur) Hier kann man wohl der Gewissenhaftigkeit der Autoren voll und ganz vertrauen. Was immer wieder bei der Analyse von Judikaten auffällt: Den Autoren gelingt es, selbst schwer verständliche Aussagen in Entscheidungen des OGH so klarzustellen, dass sie für einen größeren Leserkreis leicht verständlich werden. Damit tragen sie zur Sensibilisierung und Bewusstseinsbildung der Bevölkerung bei, wie es Kickl in seinem Vorwort fordert. Ob diese Funktion der Judikatur auch einmal im Bereich der "sonstigen" Korruptionsdelikte greifen wird? Man darf gespannt sein.

Zur "schlichten Hoheitsverwaltung": In Rz 25b zu § 302 StGB engen die Autoren die "schlichte Hoheitsverwaltung" ein: Ein realer Akt "schlicht hoheitlichen" Charakters ist nur dann als "Amtsgeschäft" im Sinne des § 302 StGB zu qualifizieren, wenn er in einem spezifischen funktionalen Zusammenhang zu einem Hoheitsakt steht. Das ist durchaus richtig.

Richtig ist auch die Aussage des OGH, dass nicht jeder Befugnismissbrauch in der Anwendung von Verfahrensregeln "automatisch" zur Hoheitsverwaltung geschlagen werden darf. Es komme vielmehr auf den Gegenstand des am Ende des Verfahrens stehenden Rechtsaktes an (Rz 25d zu § 302 StGB).

Nikolaus Lehner ist seit mehr als 40 Jahren Anwalt in Wien für Litigation PR und Beratung von Künstlern; in der Folge Kurator für Ausstellungen sowie Kommentator für Aktuelles in Kultur und Politik. 2009 vom Bundespräsidenten zum Professor ernannt.
© Gregor Schweinester

Dann ist es aber umso fraglicher, ob die Tätigkeit eines Gemeindebeamten im Rahmen der Kassen- und Buchführung, soweit sie durch Dokumentation des Budgetvollzuges dessen Prüfung sicherstellen soll, "schlichte Hoheitsverwaltung" sei (Beispiel 11 in Rz 26 zu § 302 StGB). Damit macht der OGH - über die Figur der Realkonkurrenz - reine Privatwirtschaftsverwaltungsagenden zu Hoheitsverwaltung und lässt unter Umständen § 302 mit § 153 StGB konkurrieren. Das ist meines Erachtens eine falsche Ausweitung der Strafbarkeit nach § 302 StGB über die "schlichte Hoheitsverwaltung".

Zum Handeln auf Weisung: Das Thema der "Weisung zu privatwirtschaftlichem Handeln" fällt ebenfalls in die Abgrenzungsproblematik: Hoheitsverwaltung versus Privatwirtschaftsverwaltung.

Wie schon in den Vorauflagen holen die Autoren zur "Weisung als Rechtfertigungsgrund" weit aus (Rz 54 ff zu § 302 StGB). Zum engeren Thema verweist der OGH zu Recht auf seine frühere Spruchpraxis (Rz 55 zu § 302 StGB). Die Entscheidung des Oberlandesgerichts Graz, ebenso die von Verfassungslehrern und -richtern geäußerten gegenteiligen Meinungen, konnten den OGH nicht erschüttern. Eine missbräuchliche Weisung zu nichthoheitlichem Verhalten des Angewiesenen ist nicht dem Tatbestand des Missbrauchs der Amtsgewalt zu subsumieren.

Zur Untreue (unter Ausnutzung einer Amtsstellung):(§§ 153 in Verbindung mit 313 StGB) Im Rahmen der Konkurrenzen des § 302 StGB mit anderen Tatbeständen des StGB (Rz 62 ff zu § 302 StGB) wird die "Untreue" (§ 153 StGB) ausführlich in ihrem neuen Gewande des Bundesgesetzblatts BGBl I 2015/112 beschrieben. Dieser Tatbestand ist stark unternehmensrechtsakzessorisch ausgestaltet, was die "Fleißaufgabe" zu einer Demonstration des außerstrafrechtlichen Wissens der Autoren macht.

Die engere Fassung der Missbrauchsdefinition in § 153 Abs 2 StGB wird dem Leser nahegebracht. Der "unvertretbare Verstoß gegen Regeln, die dem Vermögensschutz des wirtschaftlich Berechtigten dienen" wird anhand der Pflichten der Entscheidungsträger von Kapitalgesellschaften und der Abgrenzung zur wirtschaftlichen Ermessensausübung klar erklärt. Zur Frage der (wohl tatbestandsausschließenden) Einwilligung des Machtgebers wird auf die Diskussion zum Libro-Erkenntnis verwiesen (OGH 30.1.2014, 12 Os 117/12s), das durch den - nun aufgelösten - 17. Senat "zurecht gestellt" wurde: OGH 19.4.2018, 17 Os 15/17k. Damit scheint die Diskussion, die auch in Unternehmensrechtskreisen heftig geführt wurde, beendet.

Es gäbe noch einige andere diskussionswürdige Probleme der Auslegung des § 302 StGB (wie die "unzulässige Datenabfrage", Rz 24 ff zu § 302 StGB). Aber ich glaube, mit dem Aufzeigen einiger weniger neuer Analysen von Tatbestandsmerkmalen in der 11. Auflage den nach wie vor bestehenden Anspruch auf ein "Standardwerk" hinreichend begründet zu haben.

Korruption und Amtsmissbrauch von Eva Marek und Robert Jerabek gibt einen umfassenden Überblick über Inhalt und Auslegung der Strafbestimmungen gegen Korruption und Verletzung der Amtspflichten (Manz Verlag, 11. Auflage, 2018, 160 Seiten).