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Rechtsirrtümer als Haftungsrisiko

Von Franz Althuber

Recht

Über die steuerrechtlichen Pflichten und Haftung der Geschäftsleitung.


Gesetzliche Vertreter von juristischen Personen - also beispielsweise Geschäftsführer einer GmbH oder Vorstandsmitglieder einer AG - haben neben den einschlägigen gesellschaftsrechtlichen Sorgfaltspflichten auch umfangreiche steuerrechtliche Pflichten einzuhalten. Die grundlegende gesetzliche Bestimmung in diesem Zusammenhang findet sich in § 80 Absatz 1 der österreichischen Bundesabgabenordnung (BAO). Nach dieser Norm haben die zur Vertretung juristischer Personen berufenen Personen alle Pflichten zu erfüllen, die den von ihnen Vertretenen obliegen.

So haben sie vor allem dafür zu sorgen, dass Steuern und Abgaben entrichtet werden. Wie schon dem weiten Wortlaut der Regelung entnommen werden kann, wird damit ein eigenes Pflichtenverhältnis begründet. Organschaftliche Vertreter haben all jene steuer- und abgabenrechtlichen Pflichten zu erfüllen, die den von ihnen vertretenen juristischen Personen auferlegt sind.

Neben der ausdrücklich genannten Abgabenentrichtungspflicht und einschlägigen sondergesetzlichen Pflichten gehören hierzu insbesondere die allgemeinen abgabenrechtlichen Verpflichtungen zur Auskunftserteilung, Buchführungs- und Aufzeichnungspflichten sowie sämtliche steuerrechtliche Anzeige-, Erklärungs- und Berichtigungspflichten.

Allfällige Pflichtverstöße werden durch eine in § 9 Abs 1 BAO normierte Haftungsbestimmung sanktioniert. Organschaftliche Vertreter haften persönlich, unbeschränkt und unbeschränkbar für Steuerschulden der juristischen Person, wenn sie die ihnen auferlegten Pflichten schuldhaft verletzen und damit einen Abgabenausfall verursachen.

Strenger Maßstab des österreichischen Rechts

Eine Verletzung steuerrechtlicher Pflichten kann nur dann zur Haftung führen, wenn die Pflichtverletzung dem jeweiligen organschaftlichen Vertreter subjektiv vorzuwerfen ist. Die Verschuldensfrage ist dabei nach den einschlägigen zivilrechtlichen Bestimmungen zu beurteilen, wobei schuldhaftes Verhalten an sich durch vorsätzliches oder fahrlässiges Handeln oder Unterlassen gesetzt werden kann. Auch Fehler, die gelegentlich sogar einem sorgfältigen Menschen unterlaufen, werden im österreichischen Abgabenrecht dem organschaftlichen Vertreter angelastet und reichen für die Haftungsinanspruchnahme aus.

Dieser strenge Maßstab des österreichischen Rechts hat zur Konsequenz, dass auch Pflichtverletzungen, die lediglich auf einer unrichtigen steuerrechtlichen Beurteilung basieren, regelmäßig zur Haftung führen.

Nach der Rechtsprechung der Höchstgerichte kann ein (für die Haftung notwendiges) Verschulden des organschaftlichen Vertreters an einer Pflichtverletzung nur dann nicht angenommen werden, wenn allfällige Steuern infolge eines "entschuldbaren" Rechtsirrtums nicht entrichtet wurden. Die Anforderungen in diesem Zusammenhang sind jedoch streng. So genügt es etwa nicht, dass im Haftungsverfahren lediglich auf eine andere Rechtsmeinung verwiesen wird. Vielmehr muss nachgewiesen werden, dass man sich bei kompetenten Stellen dahingehend erkundigt hat, ob eine bestimmte Rechtsansicht zutreffend ist oder nicht. Im Zweifel ist das jeweils zuständige Finanzamt zu befragen.

In der Praxis erfolgt eine steuerrechtliche Beurteilung von einschlägigen Sachverhalten freilich nur selten durch die organschaftlichen Vertreter selbst. Diese lagern die Beantwortung von Steuerrechtsfragen und damit indirekt die Entscheidung über die richtige Vorgehensweise regelmäßig an Experten aus. Kommt es zu einer solchen Auslagerung, dann bestehen freilich umfassende Auswahl- und Kontrollpflichten. Die herangezogenen Personen sind dabei zumindest in solchen zeitlichen Abständen zu überwachen, die es ausschließen, dass die Verletzung abgabenrechtlicher Pflichten dem organschaftlichen Vertreter verborgen bleibt.

Überwachungspflichtauch bei Parteienvertretern

Dieser durch die Judikatur geschaffene Überwachungsgrundsatz gilt selbst dann, wenn steuerrechtliche Pflichten auf qualifizierte Parteienvertreter (Steuerberater, Rechtsanwälte) übertragen werden. Auch die Beauftragung eines Steuerberaters mit der Wahrnehmung abgabenrechtlicher Pflichten reicht daher nicht aus, um den organschaftlichen Vertreter von etwaigen haftungsrechtlichen Konsequenzen zu befreien, wenn dieser seinen zumutbaren Informations- und Überwachungspflichten nicht nachkommt.

Dieser Grundsatz wird sogar noch dahingehend verschärft, dass der Vertreter einer juristischen Person nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes (VwGH) nur dann nicht haftet, wenn er im Haftungsverfahren darlegt, dass die Pflichtverletzung einerseits ausschließlich aufgrund einer unrichtigen rechtlichen Beratung durch einen qualifizierten Parteienvertreter erfolgt ist. Und andererseits nachgewiesen wird, "dass der Steuerberater in Kenntnis des gesamten für die Beurteilung der Steuerpflicht maßgeblichen Sachverhalt ihn fachlich so belehrt hat, wie der Geschäftsführer steuerlich vorgegangen ist". Wird daher der Geschäftsleitung die Verletzung einer konkreten abgabenrechtlichen Verpflichtung vorgeworfen und beruft sich diese darauf, dass ein qualifizierter Parteienvertreter beauftragt wurde, muss überdies dargelegt werden, dass man sich über die konkrete abgabenrechtliche Pflicht mit dem Parteienvertreter im Einzelnen auseinandergesetzt hat.

Es versteht sich von selbst, dass diese genannten Voraussetzungen in der Praxis nur schwer einzuhalten sind. Faktisch führen die strengen Vorgaben der Höchstgerichte dazu, dass im Unternehmen selbst sämtliche Korrespondenz mit externen Beratern dokumentiert werden muss. Gerade bei steuerrechtlich komplizierten Sachverhalten sind die organschaftlichen Vertreter aus haftungspräventiven Gründen dazu angehalten, detaillierte Auskünfte und Rechtsinformationen anzufordern und zu dokumentieren, um im Haftungsfall der strengen Beweispflicht nachkommen zu können.

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