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Wenige Zuckerl für den Standort

Von Dimitar Hristov und Sophie Pfitzner

Recht
Handys oder I-Pads können ab 2020 bis zu 800 Euro abgeschrieben werden.
© Tyler Franta

Eine Analyse der Steuerreform zeigt: Kleinverdiener und Unternehmer brauchen Geduld, um Erleichterungen zu lukrieren.


In der vergangenen Woche und somit fast eineinhalb Jahre nach ihrer Angelobung präsentierte die Bundesregierung die lange versprochene Steuerreform. Doch inwieweit werden Wahlversprechen wie zum Beispiel "Weg mit der kalten Progression - hin zu nachhaltiger Politik" oder "Entlastungen von 12 bis 14 Milliarden Euro" durch die Steuerreform eingehalten? Die Entlastungen sollen stufenweise, beginnend ab 2020 bis 2022, umgesetzt werden.

Zunächst sollen Kleinverdiener durch Einführung eines Abzugsbetrags (SV-Bonus) beim Dienstnehmerbeitrag bereits ab 2020 profitieren. Kleinunternehmer sollen durch eine Anhebung der Kleinunternehmergrenze (derzeit 30.000 Euro) entlastet werden und künftig erst bei einer Umsatzgrenze von 35.000 Euro jährlich umsatzsteuerpflichtig werden. Darüber hinaus sollen Kleinunternehmer künftig in den Genuss einer Pauschalierungsmöglichkeit kommen und einen Pauschalbetrag von 60 Prozent ihres Umsatzes als Betriebsausgaben geltend machen können. Die Grenze für geringfügige Wirtschaftsgüter von derzeit 400 Euro und eine damit verbundene Möglichkeit zur Sofortabschreibung soll 2020 auf 800 Euro und 2021 auf 1000 Euro angehoben werden.

Ein Kernelement der Steuerreform bildet außerdem die Reduktion der Progressionssteuersätze. 2021 sollen Lohn- und Einkommensteuerpflichtige durch die Senkung des Eingangssteuersatzes von 25 auf 20 Prozent entlastet werden. 2022 ist eine Senkung der zweiten Stufe von 35 auf 30 Prozent und der dritten Stufe von 42 auf 40 Prozent vorgesehen. Geplant ist zudem eine Erhöhung des Werbungskostenpauschales von bisher 132 Euro auf 300 Euro ab 2021. Um eine Stärkung des österreichischen Wirtschaftsstandortes zu erzielen, soll weiters der Körperschaftssteuersatz von derzeit 25 ab 2022 auf 23 Prozent und ab 2023 auf 21 Prozent gesenkt werden.

Wahlversprechen von 40-Prozent-Quote nicht erfüllt

Die Steuerreform ist, was viele Faktoren betrifft, durchaus zu begrüßen. Mit einer Abgabenquote von über 42 Prozent der Wirtschaftsleistung gehört Österreich nach wie vor zu den EU-Ländern mit der höchsten Abgabenquote. Mit Einführung der Entlastungsmaßnahmen wird eine Senkung der Abgabenquote auf 40,5 Prozent erzielt. Zweifelsohne ist diese Reduktion, wie Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) sagt, "ein Schritt in die richtige Richtung" - das Wahlversprechen von einer 40-prozentigen Quote und einer damit verbundenen zusätzlichen Entlastung von zwei Milliarden Euro wird allerdings nicht erfüllt. Ob die Anhebung der Betragsgrenzen für geringwertige Wirtschaftsgüter, des Werbungskostenpauschales und der Kleinunternehmergrenze als Entlastungsmaßnahmen bezeichnet werden können und nicht eher inflationsbedingte Anpassungen sind (wofür letztlich auf die Abschaffung der kalten Progression verzichtet wurde), ist fraglich. So erfolgte etwa die Erhöhung der Kleinunternehmergrenze letztmalig 2005.

Abschaffung der kalten Progression wurde verschoben

Auch das Versprechen des Bundeskanzlers "Weg mit der kalten Progression" findet in der Steuerreform keinen Niederschlag - die Abschaffung der inflationsbedingten, automatischen Steuererhöhung wurde auf die nächste Legislaturperiode verschoben. Die Ökologisierung des Steuersystems spielt sich auch eher im kleineren Bereich ab, wie etwa die Neugestaltung der Nova, die Anpassung der Sachbezugsregelungen je nach CO2-Ausstoß, der Vorsteuerabzug für Elektrofahrräder etc. - hier wäre durchaus mehr möglich gewesen (wie Strafsteuern bei Umweltverschmutzung).

Kritisch zu betrachten ist zudem der zeitliche Aspekt der stufenweise erfolgenden Entlastung. Fraglich ist, warum die Reduktion der Progressionssteuersätze erst ab 2021beziehungsweise 2022 erfolgen soll und nicht bereits ab 2019/2020 beziehungsweise ob nicht hinter der Verzögerung wahltaktische Überlegungen stecken.

Darüber hinaus ist zweifelhaft, ob die Zielsetzung der Stärkung Österreichs als Wirtschaftsstandort durch die Reform erreicht werden kann. Vorschläge wie die Halbierung der Körperschaftssteuer auf nicht ausgeschüttete Gewinne oder eine Senkung auf 15 Prozent für kleinere Unternehmen mit einer Gewinngrenze bis 100.000 Euro wurden nicht umgesetzt. Insbesondere Unternehmen müssen sich betreffend Entlastung noch gedulden, da eine Reduktion der Körperschaftssteuer erst ab 2022 vorgesehen ist. Inwieweit das Vorhaben von Türkis-Blau, den Wirtschaftsstandort in der derzeitigen Legislaturperiode attraktiver zu gestalten, gelingt, bleibt spannend.

Die geplante Ausweitung der Forschungsprämie für Einzelunternehmen und Personengesellschaften zum Beispiel ist zwar nett, hat jedoch eher eine geringe Anziehungskraft für (ausländische) Investoren, auch die Maßnahmen zur Entbürokratisierung und Deregulierung wirken eher klein, auch Vorhaben wie die nachhaltige Tabakbesteuerung zur langfristigen Absicherung der Einnahmen der Tabaktrafikanten werden kaum große Investitionen nach Österreich holen.

Investitionsfördernde Maßnahmen fehlen

Fazit: Die geplante Steuerreform der türkis-blauen Regierung weist durchaus viele positive Aspekte auf, sie wirkt jedoch im "Kleinen" beziehungsweise sind keine großen, investitionsfördernden Maßnahmen sichtbar. Kleinverdiener mit einem Bruttomonatsgehalt von 1500 Euro können nach der Umsetzung mit einer Entlastung von 14 Prozent jährlich rechnen. Eine schnelle, wesentliche Stärkung des Wirtschaftsstandortes kann mangels größerer Entlastungen auf Unternehmensebene und wirklicher Steuerstrukturänderungen jedoch nicht erwartet werden. Sowohl für Kleinverdiener, als auch für Unternehmen gilt: geduldig sein. Denn die Regierung lässt sich durch die stufenweise Einführung viel Zeit für eine Steuerentlastung, was wohl auch dem Selbstfinanzierungscharakter dieser Reform geschuldet ist.

Dimitar Hristov ist Rechtsanwalt und Steuerberater. Er ist Leiter der Steuerrechtspraxis im Wiener Büro von DLA Piper. Sophie Pfitzner ist juristische Mitarbeiterin.