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Klage nach Totalverlust

Von Johannes Kautz

Recht

Haftet die Bank, wenn sie verdeckte Provisionen nicht offenlegt?


Der Oberste Gerichtshof (OGH) hat vor kurzem - bereits zum wiederholten Mal - entschieden, dass Banken dazu verpflichtet sind, sogenannte "Kick-back"-Zahlungen gegenüber dem Anleger offenzulegen (8 Ob 166/18x). Also Provisionen, die sie vom Emittenten oder einem Dritten für die Vermittlung eines Anlageproduktes erhalten. Im konkreten Anlassfall hatte der Bankberater dem Anleger eine Investition in den "Sachwert-Rendite-Fonds Holland 68" des deutschen Emissionshauses MPC empfohlen. Dem Anleger war nicht bewusst, dass er sich dadurch nicht etwa an einem Immobilienfonds, sondern an einer Kommanditgesellschaft beteiligte.

Beim Erwerb war ein Ausgabeaufschlag in der Höhe von drei Prozent der Investitionssumme zu bezahlen. Der Anleger (und auch der Berater selbst) wussten allerdings nicht, dass die Bank auch von der MPC eine Provision in derselben Höhe erhielt. Nachdem der Anleger einen Totalverlust erlitten hatte, klagte er die Bank wegen Fehlberatung auf Schadenersatz.

Zweimal zum Höchstgericht

Der Fall ging zweimal zum OGH, und dieser entschied im zweiten Rechtsgang, dass die Bank dem Anleger den Verlust ersetzen muss, weil sie die von der MPC erhaltene Provision nicht offengelegt hatte. Bereits im ersten Rechtsgang kam das Höchstgericht zu dem Ergebnis, dass ein Kunde, der für die Beratung selbst ein Entgelt (zum Beispiel in Form eines Ausgabeaufschlages) bezahlt, nicht damit rechnen muss, dass die Bank auch noch von dritter Seite eine Provision erhält - und dadurch die Gefahr besteht, dass die Beratung nicht mehr ausschließlich im Interesse des Kunden erfolgt.

Im zweiten Rechtsgang war nur noch die Frage zu klären, ob die Bank die Beteiligung auch ohne die Zahlungen der MPC vermittelt hätte. Die Bank argumentierte, dass die verdeckte Provision keinen Einfluss auf die Beratung haben konnte, weil sie dem Berater nicht einmal bekannt war. Der OGH folgte dieser Argumentation allerdings nicht. Die Vorinstanzen hatten im zweiten Rechtsgang nämlich festgestellt, dass der Vertrieb der "Hollandfonds" bankintern durch Produktpräsentationen, Schulungen und diverse Vergütungen gefördert wurde. Nach Ansicht des OGH habe die Bank daher ein besonderes Eigeninteresse am Vertrieb (gerade) dieses Produkts gehabt und hafte dem Anleger aus diesem Grund für den eingetretenen Schaden.

Die Begründung klingt auf den ersten Blick logisch. Natürlich könnte die Aussicht auf eine hohe Vermittlungsprovision die Bank beziehungsweise den Berater dazu verleiten, dem Anleger ein ganz bestimmtes Produkt zu empfehlen. Bei näherer Betrachtung ist allerdings nur schwierig zu begründen, warum die Bank nach der Rechtsprechung (und seit 2007 auch gesetzlich) dazu verpflichtet sein soll, den Anleger über die erhaltenen Provisionen aufzuklären.

In der Praxis wird der Anleger mit einer solchen Information nicht allzu viel anfangen können. Dass die Bank für ihre Beratungstätigkeit ein Entgelt erhält und ein Interesse am Vertrieb der von ihr angebotenen Produkte hat, ist keineswegs verwerflich, sondern eine Selbstverständlichkeit. Die Offenlegung der Provision wird den Kunden zwar möglicherweise dazu verleiten, über die Höhe des Ausgabeaufschlages zu verhandeln, sie wird bei realistischer Betrachtung aber kaum etwas daran ändern, dass er auf die Empfehlung seines Beraters vertraut.

Abgesehen davon sind Interessenkonflikte im Geschäftsleben keineswegs ungewöhnlich. Ein Chirurg, der seinen Patienten über die Notwendigkeit und Risiken einer bestimmten Operation aufklärt, hat in der Regel ein wirtschaftliches Interesse daran, diese Operation durchzuführen; immerhin verdient er damit seinen Lebensunterhalt. Trotzdem käme kein Patient auf die Idee, vom Arzt eine Aufklärung darüber zu verlangen, wie viel er mit der Operation verdient. Mögliche Interessenkonflikte sind kein Grund, eine gesamte Branche unter Generalverdacht zu stellen. Und eine Bank kann schon aufgrund des enormen Haftungsrisikos kein Interesse daran haben, dem Anleger ein ungeeignetes Produkt zu empfehlen.

Besonders problematisch ist, dass die Gerichte dazu tendieren, schon die unterlassene Offenlegung der Provisionen für sich allein als haftungsbegründend anzusehen. Die Bank kann sich von ihrer Haftung nur befreien, wenn sie beweist, dass sie das Anlageprodukt auch ohne die verdeckte Provision empfohlen hätte. Darauf kommt es in Wahrheit aber nicht an. Denn der Schaden des Anlegers besteht schließlich darin, dass er ein ungeeignetes (weil zu riskantes) Produkt erworben hat. Dass die Bank für die Vermittlung eine Provision erhält, macht das Anlageprodukt für den Kunden aber noch lange nicht ungeeignet.

Risikobereitschaft des Kunden

Entscheidend ist daher, ob die Veranlagung den Erwartungen und der Risikobereitschaft des Kunden entspricht. Wenn die Bank ein ungeeignetes Produkt empfiehlt, haftet sie für den entstandenen Schaden, und zwar unabhängig davon, ob sie eine "Kick-back"-Zahlung erhalten (und diese offengelegt) hat oder nicht. Hat die Bank den Anleger hingegen trotz Interessenkonflikt ordnungsgemäß aufgeklärt, ist sie nicht dafür verantwortlich, wenn der Kunde mit seinem Investment einen Verlust erleidet.

Der geschädigte Kunde darf sich zwar freuen, er bekommt seinen Verlust von der Bank ersetzt. Ob diese Rechtsprechung auf lange Sicht tatsächlich im Interesse der Anleger ist, darf allerdings bezweifelt werden. Denn entweder die Banken überlassen das Feld unseriösen Anbietern, die ihre Kunden mit unrealistischen Versprechungen locken und dann im Schadensfall meistens rasch in die Insolvenz schlittern, oder sie müssen das Haftungsrisiko einkalkulieren und die Ausgabeaufschläge entsprechend erhöhen. Im Anlassfall beispielsweise wäre die Vermittlung für die Bank bei einem Ausgabeaufschlag von drei Prozent nicht einmal kostendeckend gewesen.