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Bankenverbund mit einflussreicher Spitze

Von Holger Blisse

Recht

Wird für die Volksbanken die Genossenschaft wieder attraktiv? Ihre Mitglieder haben ihnen trotz geringerer Förderung die Treue gehalten.


Das frühere Spitzeninstitut der Volksbankengruppe, die Österreichische Volksbanken-AG (ÖVAG), war in Folge der Finanzmarktkrise in so große wirtschaftliche Schwierigkeiten geraten, dass sie teilverstaatlicht werden musste. Die einst rund 60 mehrheitlich genossenschaftlich verfassten Volksbanken mussten sich zu größeren Einheiten zusammenschließen. Davon verblieben bis heute acht sogenannte "große" oder "regionale" Volksbanken, fünf Aktiengesellschaften (AG) und drei Genossenschaften, und die Österreichische Ärzte- und Apothekerbank AG. Weitere vier Institute dabei gingen einen eigenen Weg.

Trotz der vorherrschenden Rechtsform der AG handelt es sich im Selbstverständnis des Sektors nach wie vor um einen genossenschaftlichen Bankenverbund - allerdings mit einer sehr einflussreichen Verbundspitze. Die zugehörige rechtliche Grundlage, in gewisser Weise eine "lex Volksbank", bildet der 2012 eingeführte § 30a Bankwesengesetz (BWG).

Mitglieder weiterhin Eigentümer

Deutlich belegen die genossenschaftliche Basis die etwa 0,5 Millionen Mitglieder. Zum Vergleich: Der ebenfalls genossenschaftliche, aber vom Marktanteil her deutlich stärkere Raiffeisensektor zählt etwa 1,7 Millionen Mitglieder in etwas weniger als 400 Raiffeisen- und Raiffeisenbezirksbanken. Trotz der Fusionen und gewachsenen Bedeutung der AG im Volksbankenverbund sind die Mitglieder weiterhin Eigentümer der früheren Volksbanken geblieben. Allerdings sind sie es nur noch indirekt bei den Volksbanken in der AG. Dort ist eine Genossenschaft beziehungsweise sind - aufgrund der Fusionen - mehrere Genossenschaften als Eigentümerinnen beteiligt, während die Aktiengesellschaft als Volksbank am Markt Bankgeschäfte anbietet.

Die Genossenschaften und damit die Mitglieder stellen einen sehr wesentlichen Teil des Eigenkapitals der Volksbanken bereit. An der Volksbank Wien AG sind beispielsweise mehr als zehn sogenannte Verwaltungsgenossenschaften beteiligt. Da die Volksbank Wien AG die Eigenschaft als Zentralorganisation anstelle der ÖVAG für den Volksbankenverbund erfüllt, sind zusätzlich die bestehenden Volksbanken und die Ärzte- und Apothekerbank an ihr beteiligt sowie die Republik Österreich - wegen der Sanierung der ÖVAG. Diese Beteiligung sichert zugleich den Rückzahlungsanspruch auf einen Teil der Staatshilfe ab, wonach bis 2023 insgesamt 300 Millionen Euro an das Finanzministerium zurückzuführen sind.

Von der Funktion her ähneln die Verwaltungsgenossenschaften den Anteilsverwaltungssparkassen, die - heute oft als Sparkassenprivatstiftungen organisiert - im Zuge eines Rechtsformwechsels einer Gemeinde- oder Vereinssparkasse in eine Aktiengesellschaft verblieben sind.

"Treue-Bonus" möglich

Die Mitglieder der Volksbanken sind ihrer Bank treu geblieben und haben ihre Mitgliedschaft aufrecht erhalten und nicht gekündigt. Dies ist sehr wesentlich das Verdienst der Kundenberaterinnen und Kundenberater. Denn die Volksbanken durften schon seit einiger Zeit keine Dividenden und auch keine weiteren Anreize mehr setzen - aufgrund der staatlichen Beihilfe - und wären im Einzelfall wirtschaftlich dazu auch nicht in der Lage gewesen.

Jetzt zeichnet sich eine erste Besserung ab: Zum einen rechnet man mit einem deutlich größeren Überschuss aus der Verwertung des von der ÖVAG bei der Abwicklungsgesellschaft immigon portfolioabbau ag verbliebenen Vermögens, zum anderen wird bei der Volksbank Wien bereits vorsichtig geworben, dass Kontoinhaber, die auch Mitglied sind, einen "Treue-Bonus" erhalten. Diese rückwirkende Gutschrift wird im jeweiligen Folgejahr vorgenommen, erstmalig im Februar dieses Jahres.

Überschuss wird zurückgegeben

In genossenschaftlicher Hinsicht handelt es sich dabei um eine sogenannte Rückvergütung. Der Spielraum dafür entsteht immer dann, wenn eine Genossenschaft aus dem Geschäft mit Mitgliedern mehr erlöst hat, als dies für ihren Geschäftsbetrieb notwendig ist. Dieser Überschuss wird, zum Beispiel nach der Inanspruchnahme der Leistungen der Genossenschaft differenziert, an die Mitglieder zurückgegeben. In der Vergangenheit gab es auch Angebote, die den Sparern eine umso höhere Verzinsung einräumten, je mehr Produkte genutzt wurden. Dieses Prinzip ist zum Beispiel über Bonus-Kartensysteme auch in andere Branchen und Unternehmensformen gelangt.

Gerade angesichts eines immer mehr auch durch andere Anbieter wie FinTech (Financial Technologies) geprägten Wettbewerbs in der Kreditwirtschaft kann gerade die Rückbesinnung auf die ursprünglichen Gründungsmotive von Volksbanken aber auch Raiffeisenbanken und Sparkassen jeden Bankensektor zusätzlich stabilisieren. So wäre den genossenschaftlichen Banken eine Stärkung der Mitgliederbasis durch Förderleistungen und den Sparkassen die Betonung ihrer Gemeinwohlorientierung zu raten.

Denn zunehmender Wettbewerb, Ertragsdruck und Ertragserwartungen von Seiten des Kapitalmarktes führen am Ende zur Konzentration und verstärken den Konflikt zwischen den Interessen der Kundinnen und Kunden der Banken und Sparkassen auf der einen Seite und von (institutionellen) Investoren auf der anderen Seite. Anders verhält es sich bei Kreditinstituten, bei denen (Interessen-)Identität zwischen Eigentümer- und Kundenkreis besteht.

Vielleicht besinnt man sich auch im Volksbankensektor zurück und erwägt, gänzlich in die Rechtsform der Genossenschaft zurückzukehren oder dieser doch auf allen Ebenen mehr Gewicht zu verleihen. Die rechtlichen Grundlagen in Österreich stünden dem nicht entgegen.