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Von Haftung und Chaos

Von Mathias Dechant und Hannes Havranek

Recht

Seit kurzem gelten für E-Scooter-Fahrer dieselben Regeln wie für Radfahrer. Fragen bleiben dennoch offen.


Seit 1. Juni haben Fahrer von E-Scootern in Österreich alle Straßenverkehrsregeln einzuhalten, die für Radfahrer gelten. Damit hat der Gesetzgeber auf die steigende Anzahl an E-Scootern und damit einhergehende Probleme reagiert. So können etwa E-Scooter-Fahrer künftig leichter zur Verantwortung gezogen werden. Fragen bleiben dennoch offen - und kundenfreundlich ist der Regelungsdschungel jedenfalls nicht.

Mit der jüngsten Novelle wurden nicht nur Regelungen für "Reiter von Dienstpferden" in die Straßenverkehrsordnung (StVO) aufgenommen, sondern mit dem neuen § 88b "Rollerfahren" auch eine wohl praxisrelevantere Bestimmung, in Kraft seit Anfang Juni dieses Jahres. Wer seitdem mittels "Klein- und Miniroller mit elektrischem Antrieb", einem sogenannten E-Scooter, unterwegs ist, hat alle Verhaltensvorschriften zu beachten, die auch für Radfahrer gelten. Dies betrifft vor allem die Benützungspflicht für vorhandene Radfahranlagen. Das Befahren von Gehsteigen, Gehwegen und Schutzwegen mit einem E-Scooter ist damit hingegen grundsätzlich verboten - außer, die Behörde erlässt eine Ausnahme-Verordnung: Dann können auch Gehsteige und -wege in Schrittgeschwindigkeit benützt werden. Und in Fußgängerzonen, Wohnstraßen und Begegnungszonen ist die Geschwindigkeit "dem Fußgängerverkehr anzupassen", sagt das Gesetz.

Wer unter zwölf Jahre alt ist und über keinen Radfahrausweis verfügt, darf außerdem nur mit Helm und unter Aufsicht einer zumindest 16-jährigen Person fahren. Im Übrigen ist auch auf E-Scootern das Telefonieren ohne Freisprecheinrichtung verboten, und es gelten dieselben Alkohollimits wie für andere Fahrzeuge. E-Scooter sind außerdem mit wirksamen Bremsen und Rückstrahlern auszustatten, bei Dunkelheit und schlechter Sicht auch mit Vorder- und Rücklicht.

Darüber hinaus sind auch die Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) der Anbieter zu beachten, die, wie ein von den Autoren durchgeführter Grobabgleich ergeben hat, durchwegs eher umfangreich sind. Ob dies der Motivation der Kunden zuträglich ist, die Regelwerke im Detail zu studieren, bevor sie auf einen E-Scooter steigen, darf bezweifelt werden. Auch lebt das Geschäftsmodell von raschen, spontanen Vertragsabschlüssen. Werden die Rechtsnormen zum gültigen Abschluss von AGB eingehalten und entspricht der Inhalt derselben den geltenden Gesetzen, kommt der Vertrag unter Miteinbeziehung der AGB rechtsgültig zustande.

Erste Forderungen nach E-Scooter-Führerschein

Allerdings ist diese Situation aufgrund mangelnder praktischer Einschulung, ganz zu schweigen von einer erforderlichen Lenkerberechtigung für E-Scooter, nicht ideal. Offen bleibt die Frage, ob dies bei folgenschweren Unfällen dazu führen könnte, dass Gerichte eine Haftung der Anbieter aufgrund der "Eröffnung einer Gefahrenquelle" annehmen. Wenig verwunderlich also, dass bereits erste Rufe nach einem E-Scooter-Führerschein zu vernehmen sind.

Manche Fahrer könnten mit solchen Forderungen bereits frühzeitig konfrontiert werden: Verfügt ein E-Scooter nämlich über eine Leistung von mehr als 600 Watt oder eine Bauartgeschwindigkeit von mehr als 25 Stundenkilometern, fällt er nicht unter die neuen StVO-Bestimmungen. Für den E-Scooter wäre dann ein entsprechender Führerschein erforderlich, ebenso wie eine Kfz-Haftpflichtversicherung. Und man dürfte nur mit Schutzhelm fahren.

Nicht zuletzt aufgrund der umfangreichen Überwälzungen von Haftungen, Schäden und Kosten, die in den AGB der Anbieter zu finden sind, sollte stets vorab geprüft werden, ob man ausreichend versichert ist. Zwar kann für die "langsameren" E-Scooter im Sinne der neuen StVO-Bestimmungen mitunter eine Haushaltsversicherung ausreichen, ein genaue Prüfung der Versicherungspolizze, ob Deckung besteht, sollte aber jedenfalls vorgenommen werden. Im Zweifel empfiehlt sich auch eine Rückfrage beim Rechtsanwalt, Versicherer oder einem der Automobilclubs. Verfügt man über gar keine Haushaltsversicherung, was etwa im Fall von Studenten-Wohngemeinschaften vorkommen kann, und besteht auch ansonsten kein Versicherungsschutz, sollte man die Finger von E-Scootern lassen.

Neben Haftungsfragen erhitzt derzeit noch ein anderer Bereich die Gemüter: E-Scooter, die ein-fach irgendwo hingelegt oder abgestellt werden. Die StVO verlangt ein Aufstellen, das ein Umfallen und eine Behinderung des Verkehrs verhindert. Auf mehr als 2,5 Meter breiten Gehsteigen ist ein platzsparendes Abstellen (Fußgänger werden nicht behindert und Sachen nicht beschädigt) grundsätzlich erlaubt, Ausnahmen gelten im Haltestellenbereich öffentlicher Verkehrsmittel. In der Bundeshauptstadt sind darüber hinaus seit 28. Juni dieses Jahres noch die neuen Regelungen der "Verordnung des Magistrats der Stadt Wien betreffend stationslose Mietfahrräder und elektrisch betriebene Klein- und Miniroller" zu beachten.

Für widerrechtlich abgestellte E-Scooter gibt es Sanktionen

Demnach dürfen E-Scooter auf Gehsteigen und Plätzen vor Bauwerken und Einrichtungen, die von kultureller Bedeutung sind, nicht aufgestellt werden - außer in den dort aufgestellten Fahrradständern. Was eine "kulturelle Einrichtung" im Sinne der Verordnung ist, lässt der Text offen. Ist jetzt etwa auch das Abstellen eines E-Scooters vor dem Hauptgebäude der Universität Wien untersagt?

Für widerrechtlich abgestellte oder -gelegte E-Scooter sehen jedenfalls sowohl die StVO als auch die Wiener Verordnung Sanktionen vor - die die Anbieter über ihre AGB regelmäßig auf die Kunden abwälzen.

Es sind also nach wie vor einige Fragen offen, die die Gerichte in Zukunft beschäftigen werden. Unter Umständen wird der Gesetzgeber auch noch da und dort nachbessern und vereinfachen müssen. Sich in dem Regelungsdschungel aus Gesetzen, Verordnungen und AGB zurecht zu finden, ist jedenfalls alles andere als einfach. Zumindest ist laut StVO aber klar: Das Mitführen "ungeschützter Sägen oder Sensen, geöffneter Schirme und dergleichen" auf E-Scootern ist untersagt.