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Einheitliche Regeln gegen Umsatzsteuerbetrug

Von Franz Althuber

Recht

Grenzüberschreitender Umsatzsteuerbetrug und jüngste Änderungen im Finanzstrafrecht.


Umsatzsteuerbetrug soll künftig nach EU-weit einheitlichen Regeln verstärkt bekämpft werden. Diesem Ziel entsprechend wurde im Rahmen des am 22. Juli 2019 im Bundesgesetzblatt veröffentlichten EU-Finanzanpassungsgesetz 2019 (EU-FinAnpG 2019) ein neuer finanzstrafrechtlicher Tatbestand geschaffen. Darüber hinaus kommt es vor allem zu Strafverschärfungen bei den schon bisher im Finanzstrafgesetz (FinStrG) verankerten Delikten.

Grenzüberschreitender Steuerbetrug Problem der EU

Die Richtlinie 2017/1371 vom 5. Juli 2017 über die strafrechtliche Bekämpfung von gegen die finanziellen Interessen der Union gerichtetem Betrug (sogenannte "PIF Richtlinie") enthält Mindestvorschriften für die Definition von Straftatbeständen und Strafen zur Bekämpfung von Betrug zum Nachteil der finanziellen Interessen der EU.

In Bezug auf Umsatzsteuer-Einnahmen wurde dabei zwischen den Mitgliedstaaten die Einigung erzielt, dass die Richtlinie nur bei schwerwiegenden Verstößen gegen das gemeinsame Mehrwertsteuersystem Anwendung finden soll, zumal die Umsatzsteuer primär eine nationale Abgabe darstellt. Wie den Gesetzesmaterialien zum EU-FinAnpG 2019 zu entnehmen ist, liegt die Differenz zwischen erwarteter und tatsächlich eingehobener Umsatzsteuer EU-weit jährlich bei rund EUR 150 Milliarden. Es wird vermutet, dass ein erheblicher Anteil dieses Fehlbetrages auf strafrechtlich relevante Konstruktionen, wie etwa Umsatzsteuerkarusselle, zurückzuführen ist.

Finanzstrafrechtliche Umsetzung der Richtlinie

Durch das EU-FinAnpG 2019 wurde nunmehr in § 40 FinStrG der Tatbestand des "grenzüberschreitenden Umsatzsteuerbetruges" geschaffen, der grundsätzlich dann zur Anwendung gelangt, wenn der Einnahmenausfall an Umsatzsteuer im Gemeinschaftsgebiet insgesamt mindestens EUR 10 Millionen beträgt. Für die Berechnung der Wertgrenze ist dabei auf eine Gesamtbetrachtung (österreichische Umsatzsteuer und Umsatzsteuer, die in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union in Zusammenhang mit einem grenzüberschreitenden Umsatzsteuerbetrug entstanden ist) abzustellen. Die für die Anwendbarkeit des § 40 FinStrG notwendigerweise zu kalkulierende Höhe des Einnahmenausfalls an Umsatzsteuer hat dabei grundsätzlich dergestalt zu erfolgen, dass der Berechnung stets jene Beträge zugrunde zu legen sind, die bei Entstehung der Steuerschuld im Inland anzusetzen wären. Ein ausländischer Einnahmenausfall an Umsatzsteuer wird daher - vereinfacht formuliert - nach österreichischem Recht berechnet. Der Beschuldigte hat jedoch die Möglichkeit, einen allenfalls tatsächlich niedrigeren Einnahmenausfall im Ausland nachzuweisen, indem er einen rechtskräftigen Steuerbescheid der für die Abgabenerhebung im EU-Ausland zuständigen Behörde beibringt. Das Gesetz normiert damit eine (verfassungsrechtlich wohl bedenkliche) Beweislastumkehr hinsichtlich des sachlichen Anwendungsbereiches einer Strafbestimmung.

Wird die Wertgrenze von 10 Millionen Euro erreicht oder überschritten, so ist nach § 40 FinStrG zu bestrafen, wer vorsätzlich ein grenzüberschreitendes Betrugssystem schafft oder sich daran beteiligt,

in dem er falsche, unrichtige oder unvollständige Umsatzsteuererklärungen oder Unterlagen verwendet oder vorlegt, oder

umsatzsteuerrelevante Informationen unter Verletzung einer gesetzlichen Verpflichtung verschweigt, oder

unter Einreichung von richtigen Umsatzsteuererklärungen betrügerisch Einnahmenausfälle an Umsatzsteuer herbeiführt, in dem die geschuldete Umsatzsteuer nicht spätestens am Fälligkeitstag entrichtet wird oder unrechtmäßig Umsatzsteuergutschriften geltend gemacht werden.

Ein grenzüberschreitender Umsatzsteuerbetrug kann daher auch trotz Abgabe einer richtigen Umsatzsteuererklärung begangen werden. Von dieser Tatmodalität sollen jene Betrugsfälle erfasst werden, in denen im Rahmen eines grenzüberschreitenden Umsatzsteuerbetrugssystems zwar gesetzeskonforme Steuererklärungen eingereicht werden, jedoch von vornherein der Vorsatz besteht, die Umsatzsteuer nicht zu entrichten.

Außerhalb des Anwendungsbereiches des § 40 FinStrG werden finanzstrafrechtliche Konsequenzen hingegen (wie bisher) durch die rechtzeitige Abgabe richtiger Umsatzsteuererklärungen ausgeschlossen.

Der grenzüberschreitende Umsatzsteuerbetrug ist mit Freiheitsstrafe von einem bis zu zehn Jahren zu ahnden. Neben einer acht Jahre nicht übersteigenden Freiheitsstrafe kann eine Geldstrafe bis zu 2,5 Millionen Euro verhängt werden. Verbände (insbesondere juristische Personen und Personengesellschaften) sind mit einer Verbandsgeldbuße von bis zu 8 Millionen Euro zu bestrafen.

Änderungen von Strafbestimmungen

Beim Tatbestand der Abgabenhinterziehung (§ 33 FinStrG) wurde die maximale Strafdrohung für die (in schwerwiegenden Fällen) zusätzlich zur Geldstrafe zu verhängende Freiheitsstrafe von bisher zwei Jahren auf vier Jahre erhöht. Dasselbe gilt für die in § 35 FinStrG normierten Tatbestände (Schmuggel, Hinterziehung von Eingangs- und Ausgangsabgaben) sowie für die Abgabenhehlerei (§ 37 FinStrG), wenn der strafbestimmende Wertbetrag mehr als 100.000 Euro beträgt.

Gravierender sind die Änderungen beim Abgabenbetrug (§ 39 FinStrG). Dieser liegt in seiner Grundvariante bei einer Abgabenhinterziehung mit hoher krimineller Energie (Urkundenfälschung, Scheingeschäfte, etc.) vor, wenn die hinterzogenen Abgaben mehr als 100.000 Euro betragen. Hier sieht das Gesetz als vorrangige Sanktionsfolge die ("primäre") Freiheitsstrafe vor. Dazu steht dem Schöffengericht nunmehr ein Strafrahmen von bis zu fünf Jahren zur Verfügung. Neben einer Freiheitsstrafe von bis zu vier Jahren kann zusätzlich eine Geldstrafe von bis zu 1,5 Millionen Euro verhängt werden. Die maximale Verbandsgeldbuße beträgt 5 Millionen Euro.

Übersteigt der strafbestimmende Wertbetrag 500.000 Euro, ist eine Freiheitsstrafe von zumindest einem bis zu maximal zehn Jahren vorgesehen. Hier kann neben einer Freiheitsstrafe von maximal acht Jahren eine Geldstrafe von bis zu 2,5 Millionen Euro verhängt werden. Die maximale Verbandsgeldbuße beträgt nunmehr bei einem Hinterziehungsbetrag von mehr als 500.000 Euro bis zu 8 Millionen Euro.

Der bisher in § 38 FinStrG enthaltene Qualifikationstatbestand der gewerbsmäßigen Tatbegehung ist entfallen. Stattdessen wird die Absicht, sich selbst oder auch einem Verband (als dessen Entscheidungsträger) durch wiederkehrende Begehung eine nicht nur geringfügige fortlaufende Einnahme zu verschaffen, explizit als Erschwerungsgrund im Rahmen der Strafbemessung genannt (§ 23 Abs 2 FinStrG). Eine wiederkehrende Begehung liegt nach dem Gesetzeswortlaut vor, wenn der Täter bereits zwei solche Taten begangen hat oder einmal wegen einer solchen Tat bestraft worden ist.