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Alltagsgeschichten am Obersten Gerichtshof

Von Christoph Krones

Recht

Ein Sturz im Bus, ein Ausrutscher auf einem Supermarktplatz und eine geänderte Fluglinie: Womit sich der Oberste Gerichtshof in letzter Zeit befasst hat.


Ob in den öffentlichen Verkehrsmitteln, beim Einkaufen oder auf dem Weg in den Urlaub: Um rechtlich abgesichert durch den Alltag zu kommen, empfiehlt sich ein Blick auf die aktuelle Judikatur des Obersten Gerichtshofs (OGH).

Sturz im Omnibus: Wie schon in ähnlich gelagerten Fällen hatte sich der OGH vor kurzem mit der Frage zu befassen, worauf der Fahrgast während der Fahrt mit einem öffentlichen Verkehrsmittel zu achten hat. Im aktuellen Fall kam die Klägerin, bei der es sich um eine 75-jährige, rüstige und gesunde Dame handelte, in einem öffentlichen Omnibus zu Sturz, nachdem dieser etwa 20 Sekunden zuvor die Haltestelle verlassen hatte.

Während sich die Dame in Richtung eines Sitzplatzes bewegte und dabei einen Griff nach dem anderen in die Hand nahm, sich also "nach vor hangelte", bremste der Busfahrer ab, wodurch die Klägerin zu Sturz kam und sich verletzte. Diese klagte den Busfahrer und den Halter des Omnibusses auf Schmerzengeld. Dieses Klagebegehren wurde von den Vorinstanzen mit der Begründung abgewiesen, dass es sich für den Busfahrer um ein unabwendbares Ereignis gehandelt habe, weshalb er unerwartet bremsen musste.

Der OGH schloss sich der rechtlichen Beurteilung der Vorinstanzen an. Auch ein umsichtiger und äußerst sorgfältiger Busfahrer hätte das Bremsmanöver nicht verhindern können. Mit der Abfahrt aus der Haltestelle musste der Busfahrer nicht so lange warten, bis alle Fahrgäste die Plätze eingenommen hatten. Er durfte damit rechnen, dass die Fahrgäste entsprechend den Allgemeinen Bedingungen für den Kraftfahrlinienverkehr die zur Eigensicherung nötigen Vorkehrungen treffen würden. Das Alter der Klägerin konnte an dieser rechtlichen Beurteilung klarerweise nichts ändern (OGH 29.04.2019, 2 Ob 45/19k).

Mangelnde Schneeräumung auf dem Parkplatz eines Einkaufszentrums: Bei der Beklagten handelte es sich in diesem Fall um einen Supermarkt in einem Einkaufszentrum. An einem durchschnittlichen Wintertag parkte der Kläger sein Auto auf dem Parkplatz des Einkaufszentrums und kaufte bei der Beklagten, eben dem Supermarkt, ein. Nach seinem Einkauf brachte der Kläger diesen in sein Auto und ging anschließend in Richtung eines anderen Supermarktes, der sich ebenso im Einkaufszentrum befand. Auf dem Weg dorthin kam er auf dem Parkplatz auf einer eisigen Stelle zu Sturz.

Die Beklagte hat mit dem Einkaufszentrum einen Bestandvertrag über ihr Geschäftslokal, den Supermarkt, abgeschlossen. Darin verpflichtete sich die Bestandgeberin, also das Einkaufszentrum, sich zum Beispiel auch um die Schneeräumung zu kümmern. Dabei kann sie die Schneeräumung auch einem Winterdienst überantworten.

Der Kläger begehrt von der Beklagten unter anderem Schmerzengeld. Dies mit dem Argument, dass die Beklagte für den gesamten Parkplatz verantwortlich sei, da dieser nicht für die Kunden der einzelnen Geschäfte unterteilt sei, sondern das gesamte Einkaufszentrum umfasse.

Die Beklagte wendete unter anderem ein, der Parkplatz, auf dem sich der Sturz des Klägers ereignet hatte, sei ihr nicht zuzurechnen. Weiters habe der Kläger seinen Einkauf bei ihr bereits abgeschlossen.

Das Erstgericht wies die Klage ab, weil nachvertragliche Schutz- und Sorgfaltspflichten der Beklagten nicht bestünden. Das Berufungsgericht gab der Klage jedoch statt. Die zeitlichen respektive funktionalen Grenzen der nachvertraglichen Schutz- und Sorgfaltspflichten seien nicht dadurch überschritten worden, dass sich der Kläger nach dem Verstauen seiner Einkäufe zu einem anderen Geschäftslokal im Einkaufszentrum begeben habe.

Der Oberste Gerichtshof bestätigte diese Entscheidung. Ein großer Parkplatz und diverse Geschäfte sind für die Anziehungskraft von Einkaufszentren von entscheidender Bedeutung. Diese Faktoren sind damit maßgebliche Elemente der Kundenbeziehung zwischen den Streitteilen. Der Besuch mehrerer Geschäfte ist ein typisches Kundenverhalten im Zusammenhang mit dem Besuch eines Einkaufszentrums.

Es besteht daher ein ausreichender Zusammenhang zwischen der Betreibung des Supermarktes durch die Beklagte und dem Sturz des Klägers, wodurch die nachvertraglichen Schutz- und Sorgfaltspflichten weiterhin bestehen (OGH 28.05.2019, 4 Ob 13/19v).

Pauschalreise und die Änderung der Fluglinien: Zwei Verbraucher buchten in einem Reisebüro eine von der Beklagten veranstaltete Pauschalreise in die Dominikanische Republik. Geplant war ein Flug mit der Fluglinie Condor. Die Buchungsbestätigung enthielt jedoch den Hinweis, dass für den Pauschalreiseveranstalter die Möglichkeit besteht, das Flugzeug beziehungsweise die Fluglinie zu ändern.

Der Reisebüromitarbeiter informierte die beiden Verbraucher davon, dass er nicht denke, dass es zu einer Änderung des Flugzeuges kommen würde. Entgegen dieser Information wurde der Flug dann nicht mit einem Flugzeug der Condor, sondern mit einem der HiFly durchgeführt. Dabei handelt es sich um ein zertifiziertes europäisches Luftfahrtunternehmen. Die Verbraucher fanden im Internet positive und auch negative Bewertungen zu dieser Fluglinie, weshalb sie entschieden, den Flug nicht anzutreten.

Im Zuge eines darauf folgenden Gerichtsverfahrens wurde geltend gemacht, dass die Beklagte eine unzulässige Leistungsänderung vorgenommen habe, indem sie den Flug von einer anderen Fluglinie durchführen lassen hatte.

Die Vorinstanzen wiesen die Klage ab. Der Flug mit Condor sei nicht ausdrücklich vertraglich zugesichert worden. Die Äußerung des Mitarbeiters des Reisebüros sei nur auf Basis seiner Erfahrung erfolgt und der Beklagten nicht zuzurechnen.

Der Oberste Gerichtshof bestätigte diese Entscheidung. Im Reisevertrag war ausdrücklich ein Änderungsvorbehalt vereinbart worden. Im vorliegenden Fall war die Änderung zusammenfassend den Reisenden zumutbar, da diese nur geringfügig gewesen sei. Weiters war diese auch sachlich gerechtfertigt, zumal den Verbrauchern keine objektiven Kriterien vorlagen, an der Gleichwertigkeit der Fluglinien zu zweifeln. Andererseits sind subjektive Befindlichkeiten der Reisenden nur zu berücksichtigen, soweit es sich um berechtigte Interessen handelt. Diese wurden aber nicht geltend gemacht (OGH 28.05.2019, 4 Ob 203/18h).