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"Die Politik soll die Berichte der Volksanwaltschaft ernst nehmen"

Von Petra Tempfer

Recht
Im Justizbereich kommen von beiden Seiten Beschwerden: von Mitarbeitern und Häftlingen.
© adobe.stock/porcomanzi

Die neuen Volksanwälte setzen ganz unterschiedliche Prioritäten - sie alle haben aber konkrete Forderungen.


"Wir brauchen unangenehme Persönlichkeiten, die sich über Unrecht ärgern können." Diesen Satz soll der ehemalige Bundeskanzler (von 1970 bis 1983) Bruno Kreisky (SPÖ) gesagt haben, als er die Anforderungen an die Volksanwaltschaft beschrieb. 42 Jahre ist es nun her, dass diese am 1. Juli 1977 nach schwedischem und dänischem Vorbild ihre Arbeit aufnahm - vorerst befristet auf sechs Jahre. Das Gesetz sollte mit 30. Juni 1983 außer Kraft treten. Man ging davon aus, dass die Volksanwaltschaft jährlich etwa 1500 Beschwerden zu bearbeiten haben werde. Es kam anders. Heute sind es rund 20.000.

Die Volksanwaltschaft fungiert als unabhängiges Kontrollorgan, geht Bürgerbeschwerden nach, überprüft die Arbeit der öffentlichen Verwaltung und gibt konkrete Empfehlungen ab. Seit 2012 hat sie zudem den verfassungsgesetzlichen Auftrag, im Rahmen eines Mandats der UNO (Opcat-Mandat) die Einhaltung der Menschenrechte zu schützen.

Mit 1. Juli dieses Jahres haben die drei neuen Volksanwälte, die für sechs Jahre vom Nationalrat gewählt werden und einmal wiedergewählt werden können, ihre Arbeit aufgenommen. Ihre Prioritäten sind -gemäß ihren Zuständigkeiten - ganz unterschiedlich gesetzt. Sie alle haben aber konkrete Forderungen für die Zukunft.

Werner Amon hat das Amt von Volksanwältin Gertrude Brinek übernommen. Der Langzeit-Abgeordnete (ÖVP) steht aktuell der Volksanwaltschaft vor und betreut als Generalsekretär des Internationalen Ombudsman Institutes (IOI) den Ausbau und die Stärkung parlamentarischer Ombudsman-Einrichtungen weltweit. Österreich ist Sitzstaat. "Einerseits glaube ich, dass wir unseren Status als Internationale Organisation weiter festigen und bekannter machen müssen, andererseits werden wir verstärkt international auftreten, wenn es zu Angriffen, gleich welcher Art, auf Ombudseinrichtungen kommt", sagt Amon. Daher werde man verstärkt die Zusammenarbeit mit den Vereinten Nationen und dem Europarat suchen.

Auf Bundesebene ist Amon für den Strafvollzug, Steuern, Gebühren, Abgaben, die Verfahrensdauer bei Gerichten und Staatsanwaltschaften sowie die Landesverteidigung zuständig. Auf Landesebene prüft er unter anderem die Gemeindeverwaltungen und alle kommunalen Angelegenheiten sowie die Friedhofsverwaltung.

Amons dringlichster Wunsch an die nächste Regierung: "Künftig soll die Möglichkeit geschaffen werden, auch ausgegliederte Einrichtungen und Institutionen prüfen zu können", sagt er im Gespräch mit der "Wiener Zeitung". Seit vielen Jahren stelle sich nämlich für die Volksanwaltschaft das Problem, dass sich unzählige Beschwerden auf ausgegliederte Einrichtungen beziehen, die durch die Ausgliederung jeglicher Prüfung durch die Volksanwaltschaft entzogen werden, sagt er.

Besonders hohe Fallzahlen in seinem Zuständigkeitsbereich gebe es in der kommunalen Verwaltung speziell in Baurechtsangelegenheiten. Was den Strafvollzug betrifft, gebe es vor allem budgetär massiven Handlungsbedarf. Beschwerden kämen von beiden Seiten: von Mitarbeitern und Häftlingen. Personal-Engstände im exekutiven wie nichtexekutiven Bereich und eine zum Teil überalterte bauliche Struktur seien ebenfalls verbesserungswürdig.

In der Vergangenheit wurde das forensisch-therapeutische Zentrum mit Nachbetreuung in Asten in Oberösterreich stets als Vorbild genannt, nun ist es allerdings nach diversen Vorfällen wie Übergriffen zwischen den Insassen oder Geflüchteten unter Beobachtung. Was ist passiert? "Die Einrichtung wurde 2015 von 91 auf 153 und 2018 auf 201 Plätze erweitert. Sie ist mittlerweile kein forensisch-therapeutisches Zentrum mehr, sondern wird als Justizanstalt geführt, in der Männer wie Frauen mit den unterschiedlichsten Krankheitsbildern untergebracht sind", sagt dazu Amon. "Psychisch kranke Menschen, die - aufgrund ihrer Erkrankung - oft ein herausforderndes Verhalten an den Tag legen, benötigen ein therapeutisches Setting."

Bernhard Achitz, der leitender Sekretär im Österreichischen Gewerkschaftsbund (ÖGB) war, löste Volksanwalt Günther Kräuter ab. Er ist für Soziales, Pflege und Gesundheit zuständig. Auf Bundesebene prüft Achitz Kranken-, Pensions- und Unfallversicherung sowie die Arbeitsmarktverwaltung und die Bereiche Jugend und Familie. Anliegen von Menschen mit Behinderungen, aber auch Themen wie Mindestsicherung, Grundversorgung und Gesundheitsverwaltung bis hin zur Jugendwohlfahrt, dem Tierschutz und dem Veterinärwesen fallen auf Landesebene in seinen Aufgabenbereich.

"Ich erwarte mir von der Politik, dass sie sich eingehend mit den Berichten der Volksanwaltschaft an den Nationalrat und die Landtage befasst und diese ernst nimmt", sagt Achitz. Die Berichte werden von der Volksanwaltschaft auf Basis praktischer Erfahrung und juristischer Beurteilung erstellt.

Einige seiner dringendsten Forderungen seien Maßnahmen gegen den Pflegekräftemangel und eine Diskussion über eine Impfpflicht für Gesundheitspersonal. Auch einheitliche Qualitätsstandards in der Kinder- und Jugendhilfe stehen für Achitz ganz oben auf der Liste.

Die Volksanwaltschaft sieht er als Vermittler zwischen der Verwaltung und allen hier lebenden Menschen, die deren Dienstleistung in Anspruch nehmen. "Mir ist sehr wichtig, dass Gesetze und darauf basierende Entscheidungen verstanden werden. Wenn jemand sich schlecht behandelt fühlt, liegt es oft daran, dass Behörden Verfahrensschritte und Erledigungen unzureichend begründen", so Achitz. Es könne aber auch sein, dass sie Rechtsnormen falsch anwenden oder Gesetze vollziehen müssen, die in Einzelfällen zu ungerechten Ergebnissen führen. "In all diesen Fällen ist es Aufgabe der Volksanwaltschaft Abhilfe zu schaffen und das Vertrauen der Menschen in die Verwaltung wieder herzustellen."

Manchmal genüge es, die Entscheidungen der Behörden in einfacher Sprache zu erläutern und damit nachvollziehbar zu machen. In anderen Fällen könne man Behörden davon überzeugen, dass Handlungs- oder Ermessensspielräume eine andere Interpretation ermöglichen und zu einem gerechteren Ergebnis führen. Bringt ein Gesetz bei korrekter Anwendung unerwünschte Ergebnisse, weise die Volksanwaltschaft den National- und Bundesrat oder den zuständigen Landtag darauf hin, und eine Gesetzesänderung werde angeregt.

"Zuweilen klaffen Anspruch und gesellschaftliche Realität gerade bei den sozialen Menschenrechten noch weiter auseinander, vor allem dann, wenn Menschen in Institutionen versorgt werden", sagt Achitz. Das Recht auf menschenwürdige Pflege sei daher einer seiner Schwerpunkte. Expertenkommissionen der Volksanwaltschaft besuchen unangekündigt Alten- und Pflegeheime. Oft sei nicht ausreichend oder nicht entsprechend ausgebildetes Pflegepersonal vorhanden. "Deshalb fordere ich mehr Ausbildungsangebote und bessere Arbeitsbedingungen für Pflegerinnen und Pfleger, um eine menschwürdige Betreuung im Alter und bei Behinderung sicherzustellen."

Walter Rosenkranz, davor Klubobmann der FPÖ, folgte Volksanwalt Peter Fichtenbauer nach. Auf Bundesebene ist er für das Polizei-, Fremden- und Asylrecht, die Land-, Forst- und Wasserwirtschaft, den Natur- und Umweltschutz sowie Gewerbe und Betriebsanlagen zuständig. Kindergärten, Schulen und Universitäten fallen ebenfalls in seinen Bereich. Auf Landesebene prüft Rosenkranz Verkehrs- und Agrarangelegenheiten und Fragen zu Gemeindeabgaben.

"Im Bereich der nachprüfenden Verwaltungskontrolle sind mir die Themen chronisch kranke Kinder im Bildungssystem und Gewässerschutz sehr wichtig", so Rosenkranz. "Hier möchte ich die bisherigen Bemühungen meines Vorgängers fortführen." Themen, die die Öffentlichkeit bewegen und in seien Zuständigkeitsbereich fallen, werde er amtswegig aufgreifen, wie vor kurzem im Fall der Schäden durch Borkenkäfer.

Bezüglich präventiver Menschenrechtskontrolle verfüge er durch seine langjährige berufliche Tätigkeit als Rechtsanwalt und Strafverteidiger bereits über intensive Einblicke in die Themen, die mit dem Opcat-Mandat in Zusammenhang stehen, sagt Rosenkranz. Die Volksanwaltschaft habe seit 2012 zahlreiche Empfehlungen ausgesprochen. "Schwerpunkt meiner Tätigkeit wird sein, die Umsetzung dieser Empfehlungen voranzutreiben und ihnen zum Durchbruch zu verhelfen."