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Osram-Übernahme: Spezialfall eines Takeovers?

Von Christian Herbst und Sascha Schulz

Recht

Das Vorgehen der ams macht Unterschiede zwischen deutschem und österreichischem Übernahmerecht deutlich.


Der an der Schweizer Börse gelistete steirische Chip- und Sensorhersteller ams hat innerhalb kurzer Zeit zwei Übernahmeangebote für den an der Frankfurter Börse gelisteten deutschen Lichttechnikkonzern Osram gelegt. Das erste wegen der Nichterreichung der angebotsgegenständlichen Mindestannahmeschwelle von 62,5 Prozent gescheiterte Übernahmeangebot endete am 25. September 2019; denn ams wurden im ersten Angebot nur 51,6 Prozent der Aktien angedient. Trotz Scheiterns und vor Auslaufen des ersten Übernahmeangebots gelang es ams, knapp 20 Prozent der Aktien an Osram zu erwerben. Am 7. November 2019 hat ams ein weiteres Übernahmeangebot mit unverändertem Angebotspreis von 41 Euro pro Aktie, aber nunmehr mit einer Annahmeschwelle von 55 Prozent und einer Laufzeit bis 5. Dezember 2019 gelegt.

Die Übernahmeangebote von ams sind in vielfacher Hinsicht bemerkenswert. Gemessen am Volumen einer erfolgreichen Übernahme wäre die Transaktion mit etwa 4,5 Milliarden Euro die größte öffentliche Übernahme eines österreichischen Unternehmens als Bieter.

Vor allem aber machen das Vorgehen der ams und die beiden Übernahmeangebote Unterschiede zwischen deutschem und österreichischem Übernahmerecht deutlich. Die zutage tretenden Unterschiede betreffen die gesetzliche Mindestannahmequote bei Vollangeboten sowie Mindestannahmeschwelle als Angebotsbedingung, Parallelerwerbe und Sperrfrist. Im Einzelnen:

20 Prozent der Aktien erworben

Nach deutschem Übernahmerecht war es ams zulässig möglich, vor und während des laufenden ersten Übernahmeangebots knapp 20 Prozent der Aktien des Zielunternehmens unbedingt zu erwerben. Zunächst erforderte dies faktisch eine Sonderkonstellation: Der Börsekurs des Zielunternehmens Osram war während des vor dem ersten Übernahmeangebot der ams tobenden Übernahmekampfs zwischen ams und Bain/Advent bereits um rund 29 Prozent gestiegen, der Börsekurs von Osram blieb während des Übernahmeangebots leicht unter dem Wert des (erhöhten) Angebots von 41 Euro pro Aktie, und eine große Zahl von Aktien(paketen) wurde ams vor und während des laufenden Übernahmeangebots unbedingt zum Kauf angeboten. Wäre österreichisches Übernahmerecht auf die Transaktion anzuwenden gewesen, wäre ausgeschlossen, dass ein Bieter vor dem Hintergrund eines auf Kontrolle gerichteten Vollangebots durch Paralleltransaktionen außerhalb eines (dann gescheiterten) Übernahmeangebots knapp 20 Prozent am Zielunternehmen erwerben kann - noch dazu mit einer zunächst bei 70 Prozent liegenden, dann auf 62,5 Prozent gesenkten Mindestannahmeschwelle.

Ab Bekanntgabe der Angebotsabsicht und während des öffentlichen Angebots sind nach österreichischem Recht Paralleltransaktionen zu besseren als jenen des Angebots, ausgenommen mit Genehmigung der Übernahmekommission, die wichtige Gründe erfordert, verboten. Anders als offenbar in Deutschland erfüllen sämtliche Besserstellungen den Verbotstatbestand, wenn sie den Angebotsadressaten nicht zugutekommen. Damit ist auch der unbedingte Erwerb von Aktien des Zielunternehmens verboten, während das Angebot selbst unter aufschiebenden Bedingungen steht. Davon ausgenommen wären wohl nur Situationen, in denen mit dem Erwerb eine Angebotspflicht ausgelöst wird. In Österreich wäre es einem Bieter somit nicht ohne weiteres möglich, nach Bekanntgabe der Übernahmeabsicht knapp 20 Prozent an einer Zielgesellschaft durch unbedingt geschlossene Paralleltransaktionen zu erwerben, solange das Übernahmeangebot noch bedingt ist.

Neuerliches Übernahmeangebot

Nach deutschem Übernahmerecht war es ams zulässig möglich, innerhalb eines Monats nach dem gescheiterten Übernahmeangebot durch eine weitere, von ams gegründete, zweite Bietergesellschaft ein neuerliches Übernahmeangebot zum gleichen Angebotspreis zu stellen wie das erste Angebot, allerdings mit auf 55 Prozent gesenkter Mindestannahmequote. Dies ist bemerkenswert, weil auch nach deutschem Übernahmerecht bei gescheiterten Übernahmeangeboten grundsätzlich eine Sperrfrist von zwölf Monaten gilt. Nach dem Wortlaut gilt das allerdings "nur" für den Bieter, also die das Übernahmeangebot stellende Tochtergesellschaft, nicht aber für "gemeinsam handelnde Personen", also die Mutter- oder Schwestergesellschaften. Der Deutsche Bundestag hat bereits eine Schließung dieser Lücke angekündigt. Für Österreich ist auszuschließen, dass ein Bieter so vorgehen könnte. Denn nach österreichischem Übernahmerecht gilt für gescheiterte Übernahmeangebote und Sperrfrist Folgendes: Scheitert der Bieter mit seinem Angebot, ist dem Bieter und allen gemeinsam vorgehenden Rechtsträgern, somit auch allen Mutter-/Tochter- und Schwestergesellschaften des Bieters für zwölf Monate ab Veröffentlichung des Ergebnisses untersagt, ein neuerliches Übernahmeangebot zu legen.

Die Wirkungen der Sperrfrist umfassen neben der Angebotslegung auch das Auslösen eines Pflichtangebots. Daher ist einem gesperrten Bieter untersagt, durch Paketkäufe die Pflichtangebotsschwelle - in der Regel 30 Prozent - zu überschreiten. In Deutschland wäre es indes trotz Sperrfrist zulässig, mehr als 30 Prozent zu erwerben und die Angebotspflicht auszulösen. Dies wird auch nach der geplanten Gesetzesänderung möglich sein.

Die Übernahmekommission kann die Zwölf-Monats-Sperrfrist zwar auf Antrag des Bieters verkürzen. Bei der Entscheidung über eine Verkürzung hat die Kommission neben den Interessen der Zielgesellschaft aber auch jene der Beteiligungsinhaber zu berücksichtigen. Nach der bisherigen Entscheidungspraxis der Übernahmekommission sind dies vor allem die durch wiederholte Übernahmeangebote gegebene Behinderung der Zielgesellschaft, deren Haltung zum neuerlichen Übernahmeangebot sowie die wirtschaftliche Lage der Zielgesellschaft.

Weiters ausschlaggebend wären der im neuerlichen Angebot in Aussicht gestellte Übernahmepreis beziehungsweise die gebotene Prämie gemessen am Börsekurs und dadurch gegebener Erfolgswahrscheinlichkeit. Unter Berücksichtigung der für Vollangebote in Österreich geltenden gesetzlichen Mindestannahmeschwelle von 50 Prozent und der Relevanz eines in einem Folgeangebot gebotenen höheren Angebotspreises/höherer Prämie, wäre die Übernahmekommission in der Verkürzung der Sperrfrist wohl restriktiver, wenn das in Aussicht genommene Folgeangebot mit gleichem Angebotspreis und etwas verringerter Mindestannahmeschwelle gestellt werden soll.

Mindestannahmeschwelle

Ein weiterer Unterschied ergibt sich aufgrund der gesetzlichen Mindestannahmeschwelle. In Österreich sind auf Kontrollerlangung gerichtete Übernahmeangebote gesetzlich dadurch bedingt, dass zumindest 50 Prozent der Angebotsadressaten das Angebot annehmen. Dabei wird ein Launching Pad (Aktien, die der Bieter oder mit ihm gemeinsam vorgehende Rechtsträger bei Abgabe des Angebots bereits halten) nicht mit eingerechnet. Hält der Bieter etwa 19,9 Prozent (wie ams an Osram), müsste das Übernahmeangebot in Österreich zwingend auf den Erwerb von zumindest weiteren 40,05 Prozent, insgesamt daher auf 59,95 Prozent gerichtet sein. In Deutschland besteht keine vergleichbare zwingende Mindestannahmeregelung. Einzige Voraussetzung ist, dass der Bieter nach dem Angebot die Kontrolle über die Gesellschaft erlangt, weshalb es ams auch möglich ist, das Angebot bereits bei 55 Prozent für erfolgreich zu erklären.

Somit ergibt sich: Unterschiede in Rechtslage und Praxis des Übernahmerechts in Deutschland und Österreich würden eine Bieterin zwingen, anders vorzugehen. Daher sind Lehren der Fallstudie ams/Osram 2019 auf Österreich nicht eins zu eins übertragbar.

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