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Kriminalpolitische Punktation für das nächste Regierungsprogramm

Von Wolfgang Gratz

Recht
Wolfgang Gratz ist Jurist und Soziologe. Er arbeitet als Organisationsberater in Wien und betreibt empirische Verwaltungsforschung.
© privat

Die Schnittstellen zur Nachbetreuung müssen ausgebaut werden.


Mitglieder des Netzwerks Kriminalpolitik (Vereinigung der österreichischen Richterinnen und Richter, Österreichischer Rechtsanwaltskammertag, Weißer Ring, Neustart, Institut für Rechts- und Kriminalsoziologie, Alois Birklbauer, JKU Linz, Christian Grafl, Universität Wien) haben in Zusammenhang mit den derzeitigen Regierungsverhandlungen acht Punkte entwickelt und den politischen Verhandlungen und Entscheidungsträgern übermittelt. Der wesentliche, hier deutlich gekürzt wiedergegebene Inhalt lautet:

1. Ressourcen für den Rechtsstaat und Sicherung der Qualität: Ausreichende personelle Ausstattung, ein den täglichen Herausforderungen angepasstes Arbeitsumfeld, insgesamt angemessene Ressourcen für die Rechtsprechung (auch für Sachverständige sowie Dolmetscher) und den Straf- und Maßnahmenvollzug, für ambulante Sanktionen und Opferschutzeinrichtungen.

2. Erhöhung des Vertrauens in die Arbeit der Justiz auch durch Stärkung der Öffentlichkeits- und Medienarbeit.

3. Verbesserung der Qualität der Gesetzgebung: Erst nach nachweislicher und umfassender Begutachtung sollten Gesetze vom Ministerrat und vom Nationalrat behandelt werden. Anlassgesetzgebung ist zu vermeiden.

4. Vermehrte Evidenzbasierung durch Verbesserung der Datengrundlagen der Strafrechtspflege.

5. Reform des Haupt- und Rechtsmittelverfahrens.

6. Weiterer Ausbau des Opferschutzes auch für Opfer situativer Gewalt.

7. Integrative Ausgestaltung des Strafvollzugs zur Verhinderung von Kriminalität: Der Trend der letzten Jahre, Sicherheit im Strafvollzug auf Fragen der Bewaffnung und Sicherheitsausrüstungen zu reduzieren, greift zu kurz. Auch internationale Erfahrungen zeigen, dass ein ganzheitliches Sicherheitsverständnis wesentlich auf einer spannungsarmen Ausgestaltung des Strafvollzuges sowie auf sozialkommunikativen Bemühungen aufruht. Es bedarf einer Balance zwischen Bewachungsaufgaben und umfassenden Beschäftigungs- und Behandlungsaktivitäten. Dazu müssen auch die Schnittstellen zur Nachbetreuung ausgebaut und verbessert werden. Die ambulanten Maßnahmen des Strafrechts sind in eine zu entwickelnde Gesamtstrategie zur Resozialisierung von Straftätern einzubinden.

8. Maßnahmenvollzug § 21 StGB (Geistig abnorme Rechtsbrecher): Die in den vergangenen Jahren mehrfach erarbeiteten Vorschläge zur überfälligen Reform des Maßnahmenvollzugs sind umzusetzen, insbesondere:

  • Ausbau bedingter Einweisungen.

  • Verbesserung der Qualität von psychiatrischen und psychologischen Sachverständigengutachten.

  • Wahrung des grundrechtlich gebotenen Abstandsgebotes: der konsequenten Trennung von therapeutisch ausgerichtetem Maßnahmenvollzug und Strafvollzug.

  • Ausbau des Rechtsschutzes im Maßnahmenvollzug.

  • Verbesserung der Entlassungsvorbereitung (auch durch Sozialnetzkonferenzen), der Nachbehandlung und Nachbetreuung.

  • Reduktion der Rückfallsgefahr während der Probezeit durch die Option stationärer Kriseninterventionen.

  • Es ist zu hoffen, dass möglichst viele dieser Vorschläge im nächsten Regierungsprogramm enthalten sind.