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Verfassung: Magazin für eine Hundertjährige

Von Petra Tempfer

Recht
Den österreichischen Verfassungsgerichtshof gibt es - genauso wie die Bundesverfassung - seit 100 Jahren.
© VfGH/Achim Bieniek

Österreichs Bundesverfassung wird am 1. Oktober 100 Jahre alt. Sie wurde nun als Magazin in eine verständlichere Form gebracht.


"Österreich ist eine demokratische Republik. Ihr Recht geht vom Volk aus", ist in großen Lettern über dem Rednerpult des Saales im Verfassungsgerichtshof (VfGH) auf der Wiener Freyung zu lesen - und Artikel I des österreichischen Bundesverfassungsgesetzes ziert auch das Cover des neuen Magazins "Unsere Verfassung". Anlässlich des 100. Geburtstages, den Österreichs Bundesverfassung am 1. Oktober feiert, wurde diese in eine verständlichere Form gebracht.

Das 170 Seiten umfassende Magazin bildet alle Gesetze ab, die im Verfassungsrang stehen. Allerdings nicht in einer nicht enden wollenden Monotonie von Paragrafen, sondern in unterschiedliche Schriftgrößen, Schriftarten und Farben gegossen - konkret blau, rot, grün und gelb, die Wappenfarben der Bundesländer. Auf den letzten Seiten sollen Grafiken veranschaulichen, wie zum Beispiel Bundesgesetze entstehen. "Es soll in einer anschaulichen Art und Weise das Grundwesen unserer Verfassung sichtbar machen", sagte VfGH-Vizepräsident Christoph Grabenwarter am Donnerstag bei der Magazinpräsentation. Juristen seien "gewohnt, mit trockenen Gesetzestexten zu arbeiten" - der Bevölkerung ein Basiswissen zu vermitteln, sei aber für ein Verfassungsbewusstsein unverzichtbar. Nicht nur Institutionen müssten für die Verfassung eintreten, sondern auch die Zivilgesellschaft.

Teil des Schulunterrichts

Das Magazin sei ein Weg, um eine Begegnung mit der Verfassung zu ermöglichen, so Grabenwarter. Geht es nach den Herausgebern, den Journalisten Christian Ankowitsch und Oliver Wurm gemeinsam mit den Grafikern Michaela Pernegger und Andreas Volleritsch, soll es Teil des Schulunterrichts werden. Es sei an 2500 Verkaufsstellen wie Trafiken und Buchhandlungen vor allem auf Flughäfen oder Bahnhöfen um zehn Euro erhältlich.

Private Förderer wie unter anderem auch die EVN, der Alpenverein Österreich oder Amnesty International zählen zu den Finanziers. Öffentliche Gelder seien keine geflossen, hieß es.

Die österreichische Bundesverfassung mag vielleicht elegant sein, wie sie Bundespräsident Alexander Van der Bellen bezeichnet hatte. Sie hat aber auch die Besonderheit, dass ihre Bestimmungen nicht in einem einzigen Gesetz stehen. Neben dem Bundesverfassungsgesetz (B-VG) von 1920, dem Staatsgrundgesetz und internationalen Verpflichtungen wie der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) stehen zahlreiche weitere Gesetze im Verfassungsrang. Das Staatsgrundgesetz über die allgemeinen Rechte der Staatsbürger vom 21. Dezember 1867 ist bis heute ein zentraler Bestandteil des österreichischen Verfassungsrechts, das die Grund- und Menschenrechte in Österreich garantiert. Es gehört weltweit zu den ältesten Gesetzen dieser Art, die nach wie vor in Geltung stehen.

"Verfassung ist ein Nutzbau"

In den 100 Jahren ihres Bestehens war Österreichs Bundesverfassung auch zahlreichen Änderungen unterworfen. Daher werde sie oft als unübersichtlich kritisiert, sagte der Präsident des Verwaltungsgerichtshofs, Rudolf Thienel, der bei der Magazinpräsentation zu Gast war. Das sehe er aber anders. Die Verfassung sei ein "Nutzbau, der immer wieder umgebaut wurde, um demokratische Prozesse effektiv zu regeln".

Im Vorjahr stand sie auf dem Prüfstand. Erstmals war ein Misstrauensantrag gegen die Bundesregierung erfolgreich. Auch die Angelobung einer Übergangsregierung, die nicht die Zusammensetzung des Nationalrats widerspiegelte, war ein Novum.

Am VfGH, der Gesetze auf ihre Verfassungsmäßigkeit prüft, wurden im Jahr 2018 dem VfGH-Tätigkeitsbericht zufolge 5665 neue Fälle anhängig - das ist eine Steigerung gegenüber 2017 um zwölf Prozent. Im Vergleich zu 2014 beträgt diese Steigerung 89,15 Prozent: Grund dafür ist die überdurchschnittlich hohe Anzahl von Asylfällen, die laut Bericht 54 Prozent des Gesamtanfalls ausmachten. 5481 Fälle wurden demnach 2018 erledigt. Die Verfahrensdauer sei auf 112 Tage weiter gesenkt worden (Asylrechtssachen mit 98 Tagen ausgenommen). 2009 waren es noch 248 Tage gewesen.

Nach der Bestellung der ehemaligen VfGH-Präsidentin Brigitte Bierlein zur Bundeskanzlerin der Übergangsregierung im Vorjahr ist die Neubesetzung vorerst liegen geblieben. Vizepräsident Grabenwarter leitet den VfGH seitdem interimistisch.