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40 Prozent sind nicht genug

Von Albert Birkner und Nadine Leitner

Recht

Zwei Jahre nach Inkrafttreten der gesetzlichen Frauenquote erfüllt fast jedes dritte verpflichtete Unternehmen diese nicht.


Das am 1. Jänner 2018 in Kraft getretene Gleichstellungsgesetz von Frauen und Männern im Aufsichtsrat (GFMA-G) feierte mit Jahreswechsel seinen zweiten Geburtstag. Aufgrund der darin normierten Frauenquote muss seit 1. Jänner 2018 bei Neuwahlen in den Aufsichtsräten von Aktiengesellschaften, SEs (Europäische Gesellschaften), GmbHs und Genossenschaften darauf geachtet werden, dass beide Geschlechter in einem Mindestausmaß von jeweils 30 Prozent vertreten sind. Und zwar dann, wenn eine Gesellschaft börsennotiert ist oder mehr als 1000 Arbeitnehmer beschäftigt und die Belegschaft zu mindestens 20 Prozent aus Arbeitnehmern besteht.

Vor dem Inkrafttreten des GFMA-G normierte das Aktiengesetz eine reine Zielbestimmung, jedoch ohne Rechtsfolgen bei Nichterfüllung. Und auch diese Bestimmung war bereits ein Erfolg. Davor war bis zum Inkrafttreten des zweiten Stabilitätsgesetzes 2012 lediglich im Corporate Governance Bericht börsennotierter Gesellschaften zu erklären, welche Maßnahmen zur Förderung von Frauen im Vorstand, im Aufsichtsrat und in leitenden Stellungen der Gesellschaft gesetzt wurden. Verletzt aber nach heute geltender Rechtslage die Bestellung eines Aufsichtsratsmitglieds die Quotenregelung, ist die Wahl des entsprechenden Aufsichtsratsmitglieds nichtig.

Zwei Jahre nach Inkrafttreten der gesetzlichen Frauenquote hat diese trotz vieler Schlupflöcher bereits Wirkung gezeigt. Der Frauenanteil in den Aufsichtsräten ist deutlich gestiegen. Aber immer noch erfüllt fast jedes dritte verpflichtete Unternehmen die gesetzliche Quote nicht.

Nachdem Brigitte Bierlein, bis 7. Jänner Bundeskanzlerin, ihr Übergangskabinett mit sechs Frauen und sechs Männern besetzte, hatte Bundespräsident Alexander Van der Bellen nur lobende Worte: "Künftig kann keiner mehr sagen, es geht leider nicht." Dies wurde auch von Bundeskanzler Sebastian Kurz bei der Bildung seiner Regierung berücksichtigt. Aber nicht nur in den eigenen Reihen will die Regierung Frauen im Berufsleben stärken, auch in staatsnahen Unternehmen nimmt sie sich einiges vor. So soll laut Regierungsprogramm die Frauenquote in Aufsichtsräten von Unternehmen in öffentlicher Hand künftig 40 Prozent betragen. Ein Unternehmen ist dann in öffentlicher Hand, wenn diese mindestens zu 50 Prozent beteiligt ist. Die Regierung sieht den Bund als Vorbild und will, dass dieser mit gutem Beispiel für die Privatwirtschaft vorangeht. Aber auch Maßnahmen zur Erhöhung der Frauenquote in börsennotierten Unternehmen sollen überprüft werden.

Bereits 2011 verpflichtete sich die damalige österreichische Regierung mit Ministerratsbeschluss dazu, den Frauenanteil in Aufsichtsgremien in Unternehmen, an denen der Bund mit 50 Prozent oder mehr beteiligt ist, bis Ende 2013 auf 25 Prozent und bis Ende 2018 auf 35 Prozent zu erhöhen. Gemäß Fortschrittsbericht des Bundesministeriums für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort vom 31. Juli 2019 lag die Frauenquote bis Ende 2018 in staatsnahen Unternehmen durchschnittlich bei 43,6 Prozent. Im Jahr zuvor betrug sie jedoch bereits 46,7 Prozent. Auf den ersten Blick weisen diese Prozentsätze auf eine Übererfüllung hin, im Detail zeigt sich aber, dass viele staatsnahe Unternehmen an der 35-Prozent-Quote scheitern, einige sogar an der 25-Prozent-Quote. Der Bund muss sohin künftig vermehrt auf die entsprechende Nachbesetzung vakanter Aufsichtsratssitze achten, um die eigenen Zielvorgaben auch wirklich erfüllen zu können.

Deutsches Aktiengesetz

Die im Regierungsprogramm festgelegte Erhöhung der Frauenquote in staatsnahen Unternehmen betrifft aber weiterhin nur das Aufsichtsratsgremium selbst. Wie auch im Aktiengesetz bezieht sich die Bestimmung zur Quotenregelung nicht auf Ausschüsse des Aufsichtsrats, den Beirat oder die Leitungsorgane einer Gesellschaft.

Ein Blick nach Deutschland zeigt, dass der Staat auch in die Besetzung des Vorstands eingreifen kann. Das deutsche Aktiengesetz gibt vor, dass für den Vorstand und die obersten Führungsebenen börsennotierter oder mitbestimmter Gesellschaften Zielquoten für den Frauenanteil festgelegt werden müssen (§ 76 Abs 4 dAktG; § 111 Abs 5 dAktG). Werden die Zielvorgaben nicht erreicht, so sind die Gründe dafür anzugeben. Zwar dürfen sich in Deutschland die entsprechenden Unternehmen auch null Frauen als Ziel vornehmen, wovon auch (reichlich) Gebrauch gemacht wird, aber eine derartige Zielvorgabe soll künftig sanktioniert werden - das deutsche Justiz- und Frauenministerium arbeiten schon länger gemeinsam an einem entsprechenden Gesetzesentwurf.

Während der österreichische Gesetzgeber bei der eigenen Gesetzgebung oft über die Grenzen schaut und sich am deutschen Nachbarn orientiert, wurde eine solche Zielvorgabe beim Vorstand und der obersten Führungsebene in Österreich bisher nicht normiert. Der österreichische Gesetzgeber schränkt die Gesellschaften bei der Besetzung des Vorstands und der oberen Führungsebenen nicht ein.

Verfehlen begründen

Eine ähnliche Bestimmung wie die flexible Frauenquote in Deutschland ist aber auch in Österreich denkbar. Aktiengesellschaften, SEs, GmbHs und Genossenschaften, wenn diese börsennotiert sind oder mehr als 1000 Arbeitnehmer beschäftigen und die Belegschaft zu mindestens 20 Prozent aus Arbeitnehmerinnen respektive Arbeitnehmern besteht, wären demnach verpflichtet, Zielvorgaben für den Frauenanteil im Vorstand und in den beiden Führungsebenen unterhalb des Vorstands sowie eine Frist für deren Erreichung festzulegen. Nach Fristablauf ist die Gesellschaft bei der flexiblen Frauenquote verpflichtet, darzulegen, ob die Zielvorgaben im festgelegten Zeitraum erreicht wurden.

Ist das nicht der Fall, muss sie ihr Verfehlen begründen und darlegen, was sie unternommen hat, um die Zielvorgaben zu erreichen ("comply-or-explain"). Von Sanktionen sollte aber wie in Deutschland abgesehen werden. Denn diese könnten dazu führen, dass sich Unternehmen keine oder zu geringe Ziele setzen, womit eine derartige Regelung kontraproduktiv wird.

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