Der Verfassungsgerichtshof erkannte die Covid 19 Betretungsverbote nun als teilweise gesetzwidrig. Doch ist fraglich ob der von diesen Verordnungen betroffene Handel dies für sich nun zu Nutzen machen kann.

Geschäfte mit einer Größe von mehr als 400 Quadratmetern hatten dem Betretungsverbot zufolge länger geschlossen zu halten als Geschäfte mit einer geringeren Geschäftsfläche, wobei jedoch von den mehr als 400 Quadratmeter großen Handelsbetrieben Bau- und Gartenmärke um zwei Wochen früher wieder aufsperren konnten. Der Verfassungsgerichtshof erkannte hierzu, dass es  zur Hintanhaltung der Verbreitung von Covid 19 durchaus vertretbar sein konnte, Geschäfte ab einer derartigen Größe nicht vom Betretungsverbot heraus zu nehmen. Doch sei der Verordnung nicht zu entnehmen, auf Basis welcher Information diese Verordnungsentscheidung und die gesetzliche Abwägung zwischen dem öffentlichen Interesse und den grundrechtlich geschützten Interessen der Betroffenen getroffen wurde.

Aus dem Verordnungsakt, so der Verfassungsgerichtshof, sei nicht ersichtlich, welche Umstände im Hinblick auf welche Entwicklungen von Covid 19 den Gesundheitsminister bei seiner Entscheidung geleitet haben. Deshalb könne der Verfassungsgerichtshof nicht beurteilen, ob die Verordnung den gesetzlichen Vorgaben entspricht.

Verfassungsgerichtshof ortete Ungleichbehandlung

Zwischen Geschäften mit einer Größe von mehr als 400 Quadratmetern und vergleichbaren Betriebsstätten ortete der Verfassungsgerichtshof eine Ungleichbehandlung. Es sei dem Verfassungsgerichtshof keine sachliche Rechtfertigung dafür erkennbar, dass  Bau- und Gartenmärkte  mit einer Verkaufsfläche von mehr als 400 Quadratmetern um zwei Wochen früher öffnen konnten.

Fraglich ist aber nun, ob der Handel mit einer Verkaufsfläche ab einer Größe von 400 Quadratmetern nach Vorlage dieses Erkenntnisses des Verfassungsgerichthofs Entschädigungen bei Gericht mit Erfolg geltend machen wird können. Denn zum Einen dürfte  eben die Entscheidungsgrundlage der Betretungsverordnung, der zu Folge Betriebsstätten mit einer Größe ab 400 Quadratmetern länger geschlossen zu halten hatten als kleinere Betriebe, nicht hinreichend geklärt sein. Zum Anderen ist der anlassbezogene erweiterte Gestaltungsspielraum bei der Erlassung der Verordnung ins Kalkül zu ziehen. Selbst wenn bei Gericht die Hürde gemeistert werden würde, dass der Betretungsverordnung bezogen auf die Größe keine ausreichende Entscheidungsbasis zugrunde liegt, wird sich die Ermittlung des tatsächlichen Schadens aufwändig gestalten.

Hätte der Umsatzentgang ausgeglichen werden können?

Denn hier wird zu ermitteln sein, welche Gelder/ Förderungen der jeweilige Handelsbetrieb aufgrund der Schließung vom Staat bezogen hat, oder auch hätte beziehen können. Es wird vom Gericht gefragt  werden, was sich das Unternehmen durch die Schließung an Fixkosten erspart hat, und es wird geprüft werden, ob der Umsatzentgang nicht durch anderweitige Geschäftsaktivitäten (zum Beispiel Onlinehandel) zum Teil vergleichsweise ausgeglichen hätte werden können. Zudem müssen beim Umsatzentgang die Covid-19-Ausnahmesituation und die damit einhergehende Auswirkung auf die Kaufkraft und das situationsbedingt eher verhaltene Konsumverhalten berücksichtigt werden.

Möglicherweise kommt in einem derartigen Gerichtsverfahren (das wahrscheinlich nicht ohne kostenintensive Gutachten auskommt) ein wissenschaftliches Erkenntnis hervor, aus welchem hervorgeht,  dass zwar ein Betrieb ab einer Größe  von mehr als 400 Quadratmetern aus gesundheitlichen Gründen früher hätte  öffnen können, jedoch ein Geschäft in der Größe des klagenden Betriebs länger geschlossen zu halten hatte.

Es ist daher mit Spannung der Ausgang der ersten diesbezüglichen Prozesse zu erwarten - Kläger sollte sich jedoch der Risiken bewusst sein.

Allgemeines Betretungsverbot öffentlicher Plätze

Der Verfassungsgerichthof erkannte auch ( V 363/2020 vom 14. Juli 2020), dass dem allgemeinen Betretungsverbot öffentlicher Plätze die gesetzliche Grundlage fehlte. So findet sich folgender Passus in dem Verfassungsgerichtshof Erkenntnis:

"Der Verordnungsgeber kann dabei die Orte, deren Betreten er zur Verhinderung der Verbreitung von COVID 19 untersagt, konkret oder abstrakt umschreiben, er kann für Außenstehende auch, wie die Erläuterungen deutlich machen, das Betreten regional begrenzter Gebiete wie Ortsgebiete oder Gemeinden untersagen; es ist ihm aber verwehrt, durch ein allgemein gehaltenes Betretungsverbot des öffentlichen Raumes außerhalb der eigenen Wohnung (im weiten Sinn des Art. 8 EMRK) ein – wenn auch entsprechend der räumlichen Ausdehnung der Verordnung gemäß § 2 Z 2 oder 3 COVID 19-Maßnahmen¬gesetz regional begrenztes – Ausgangsverbot schlechthin anzuordnen."

Was passiert mit den verhängten Strafen?

Eine Generalamnestie in Bausch und Bogen ist rechtlich nicht möglich.
Denn eines ist klar, im Einzelfall kann es sein, dass aufgrund besonderer Umstände die Verhängung der Strafe sehr wohl gerechtfertigt war - der Bestrafte zum Beispiel ein Verhalten gesetzt hat, das geneigt war, die Verbreitung von Covid-19 zu fördern.

Die einzelnen Verwaltungsbehörden hätten nun die Möglichkeit jedes Strafverfahren für sich zu prüfen. Dies könnte auch den Ländern vom Bund im Rahmen der mittelbaren Bundesverwaltung aufgetragen werden. Die Länder unterstehen bei dieser unter der Weisung des Bundes.  Dies würde für eine einheitliche Vorgangsweise sorgen, derzeit unterscheidet sich die Vorgangsweise von Land zu Land. Die Vorgangsweisen der österreichischen Landespolizeidirektionen reichen von Weitermachen wie bisher in Tirol bis zur Aussetzung in Wien.

Weiters käme, wenn die Strafe schon bezahlt worden ist,  unter Umständen (wie es auch das Verwaltungsstrafgesetz vorsieht)  ein Wiederaufnahmeverfahren in Betracht. Dies, da es nach bezahlter Strafe nun das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofs gibt, welches der verhängten Strafe die gesetzliche Grundlage entzieht.
Mithilfe zur Rückerlangung von bereits bezahlten Strafen hat auch die Volksanwaltschaft angeboten.

Anfang Juni etwa 42.000 Strafen

Medienberichten zufolge waren Anfang Juni bereits insgesamt an die 42.000  Corona Strafen verhängt worden. Die Anzahl der Beschwerden der Bestraften hielt sich hingegen im Rahmen.

Nach wie vor strafbar sind Verstöße gegen die  Heimquarantäne.  Derartige Verstöße stellen nicht nur eine Verwaltungsdelikt dar, sondern erfüllen auch einen Straftatbestand. §§ 178f StGB: Vorsätzliche Gefährdung  von Menschen durch übertragbare Krankheiten. Es drohen bis zu drei Jahren Freiheitsstrafe.

So wurde vor kurzem eine Frau, die auf Covid 19 positiv getestet worden war und trotz Heimquarantäne selbst zur Post ging, zu einer Geldstrafe von 800 Euro sowie zu einer sechs monatigen bedingten Geldstrafe verurteilt.  Mit diesem Urteil wollte das Gericht ein Exempel statuieren. Weil "ein gewisser Prozentsatz der Bevölkerung dazu neige", so das Gericht, "Maßnahmen, die die Behörden korrekt anordnen würden, nicht Folge zu leisten."