Corona hat auch den Büroalltag von uns Rechtsanwälten verändert. So wurden Besprechungen via Telefon oder via Videokonferenz abgehalten. Ich dachte mir zunächst; fein, da erspare ich mir das Pendeln und kann auch einmal vom Garten telefonieren. Durch das fernmündliche Arbeiten erwartete ich mir Erleichterung. Doch zu meiner Überraschung war dies nicht der Fall. Mit der Zeit empfand ich die Telefonerstberatungen anstrengender als die persönlich durchgeführten.
War ich coronabedingt überhaupt in einen anderen Arbeitsmodus geraten, sodass mich das Konferieren mehr anstrengte? Ich fragte bei Kollegen nach, und auch diese berichteten mir, die selbe Erfahrung gemacht zu haben.
Meine These zu dieser Thematik: Im persönlichen Gespräch wird sehr viel nonverbal kommuniziert, bei einem Telefongespräch jedoch bin ich ganz auf den verbalen Kanal beschränkt. Ich kann mittels Körpersprache zum Beispiel keine Anteilnahme kommunizieren. Im persönlichen Gespräch kann dem Gesprächspartner durch Mimik signalisiert werden, Zeit fürs Nachdenken zu benötigen; es bleibt mehr Raum für Pausen.Ich merkte aber auch, dass ein telefonisches Erstgespräch mitunter nicht an den Output einer persönlichen Unterredung heranreicht.

Ein Rechtsanwalt untersteht der Verschwiegenheit. Trotzdem kommt es immer wieder in der Praxis vor, dass ein Mandant zunächst mit wesentlichen Fakten hinterm Berg hält. Stelle ich in einem persönlichen Gespräch zum Beispiel einem verheirateten Mann die Frage, ob Grund für den geplanten Auszug eine andere Frau sei, so merke ich oft an der Körperhaltung, dass entgegen seiner verbalen Verneinung, dies sehr wohl der Fall sein könnte. Der nonverbale Hinweis des Mandanten gibt Grund zum gezielten Nachfragen.
"Wir können nicht kommunizieren"
Bereits Paul Watzlawick sagte, wir können nicht nicht kommunizieren. Circa 55 Prozent unserer Kommunikation funktionieren über Gestik und Mimik. Ein Zwinkern kann sehr vielsagend sein. Bei einer telefonischen Beratung unterbleibt mangels verräterischer Botschaft möglicherweise dieses Nachhaken. Interessanter Weise dürften diese nonverbalen Botschaften auch bei Videokonferenzen weniger ausgeprägt sein. Das ist ja auch, so denke ich, die Krux beim Onlindedating. Beim Chatten und beim Telefonieren war alles noch spannend, doch beim ersten persönlichen Date verpufft das Kribbeln. Viele wichtigen Informationen, das Gespür für den anderen bekommt man nur im persönlichen Gespräch.
Bei fernmündlichen Telefonaten im Familienrecht dürften jedoch die Hemmungen zu weinen oder auch zu schimpfen stark heruntergesetzt sein. Daher kommt es zu weniger relevanten Information bei gleichzeitig verstärkter, purer Emotion. Auch dies macht das aktive Zuhören wohl mitunter anstrengender, als es bei einem persönlichen Gespräch der Fall ist.
Für den Vertrauensaufbau oder auch, wenn es ans Eingemachte geht, ist das persönliche Gespräch oft unerlässlich. Deshalb sei, so Geschäftsreisende bereits vor Corona, die persönliche Besprechung oft unersetzbar. Trotz der vielen technischen Möglichkeiten könne daher nicht zur Gänze auf das Geschäftsreisen verzichtet werden. In einem persönlichen Gespräch, so meine Erfahrung, wird auch eine stärkere Bindung zwischen Kunden und Unternehmen erzeugt. Fühlt sich jemand in einem Erstgespräch in guten Händen, so bleibt dieser als Kunde tendenziell mehr erhalten, als wenn die Beratung fernmündlich geführt wurde.
Masken mit Sichtfenster von Vorteil
Dass wir Menschen mit all unseren Sinnen kommunizieren, zeigt sich auch an dem Phänomen, dass viele Menschen angeben durch die Maske schlechter als sonst hören. Laut einer Studie sollen in Österreich 1, 7 Millionen Menschen betroffen sein. Viele leiden unter Tinnitus. Im Kommunikationsalltag werden die Mimik, die Lippenbewegung des Gesprächspartners zur Verständigung miteinbezogen. Für die Kommunikation sollten daher Masken mit Sichtfenster verwendet werden, wie diese etwa vom Landesgericht für Strafsachen Wien für die Partei/Zeugeneinvernahme zum Einsatz gelangt.
Die Corona-Krise brachte es mit sich, dass Rechtsanwälte verstärkt darüber nachdachten, ob die Gestaltung ihres Arbeitsalltags mit den mitunter sehr großen Büroräumlichkeiten für die Berufsausübung wirklich notwendig ist, oder ob viel davon nicht tatsächlich der Befriedigung des eigenen Egos dient. So denken, und dies nicht nur Neugründer, sondern auch arrivierte Rechtsanwälte, über die Inanspruchnahme von Coworking offices nach, zumal künftige Lockdowns nicht ausgeschlossen sind.
Bisher unter Rechtsanwälten noch kontrovers diskutiert wird, ob die Möglichkeit einer epidemiebedingten Mietzinsreduktion für Rechtsanwaltskanzleien gilt. Denn aufgrund einer Ausnahmebestimmung war es dem Rechtsanwalt grundsätzlich möglich, von der Kanzlei aus zu arbeiten, doch konnte dieser weitgehend keine Mandanten empfangen. Vermieter werden wohl künftig danach trachten, das Risiko, welches mit einer höheren Gewalt einhergeht, dem Geschäftsraummieter zu übertragen.