Von Einnahmen von mehr als 65.000 Euro in nur einem Monat ist die Rede: Jugendliche werden derzeit in den Sozialen Medien mit Videos überschwemmt, in denen junge Männer motivieren, sich WhatsApp-Gruppen anzuschließen, um dort mit Trading so richtig viel Geld zu machen. In den Videos zeigen sich die "Testimonials" ihrem jungen Publikum mit Luxusschlitten und protzigen Uhren.
Diese Videos laufen über das Werbeprogramm von Youtube und werden den Jugendlichen vor anderen Videos vorgeschaltet zugespielt. Die Jugendlichen klicken also diese Filme nicht extra an, sondern werden vielmehr von diesen im Netz beim Schauen anderer Filme überrascht.
Die Versprechen des raschen Reichtums füllen in Deutschland mittlerweile Vortragshallen. Auch bei den österreichischen Jugendlichen bekommen diese Videos viel Zuspruch. Die Videos werden unter den Schülern fleißig geteilt.
Eine neu hochgeladene Version der Videos kommt auf gut 600.000 Views und mehr.
Unternehmen dahinter haben ihren Sitz im Ausland
In der WhatsApp-Gruppe erhalten die Jugendlichen einen link, der zu Portalen wie zum Beispiel "24 option" und "BDSwiss" führen. Diese Unternehmen haben ihren Sitz im Ausland (die beiden genannten Portale zum Beispiel in Zypern).
Die Jugendlichen, die zumeist überhaupt keine Vorstellung davon haben, was "Trading" überhaupt bedeutet, werden in weiterer Folge nicht nur selbst animiert, Geld zu investieren, sondern auch dazu motiviert, ihr gesamtes Umfeld von einem derartigen Investment zu überzeugen.
Anders als es den Jugendlichen suggeriert wird, erhalten diese in der WhatsApp-Gruppe keine gesicherten Anlagetipps, sondern werden diese vielmehr zu hochspekulativen Wetten auf Kursgewinne und -verluste animiert (Differenzkontrakte, CDF Trading).
Es droht also ein Komplettverlust und zudem die Gefahr, für den Schaden niemanden in Verantwortung ziehen zu können. Hierüber werden die Jugendlichen jedoch nicht aufgeklärt, beziehungsweise bedarf es hierzu schon eingehender Eigenrecherche des Jugendlichen.
Strafrechtlich verbotene Pyramidenspiele
Vieles deutet darauf hin, dass es sich bei diesen Investmentanpreisungen um (strafrechtlich) verbotene Pyramidenspiele im Sinne des § 168a StGB handelt. Bei Erfüllung dieses Tatbestands droht eine Freiheitsstrafe von bis zu sechs Monaten oder eine Geldstrafe mit bis zu 360 Tagessätzen; bei einer Schädigung einer großen Anzahl an Menschen sogar eine Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren.
Der Straftatbestand des § 168 a STGB lautet wie folgt:
Wer ein Gewinnerwartungssystem, dessen Teilnehmern gegen Einsatz ein Vermögensvorteil unter der Bedingung in Aussicht gestellt wird, daß diesem oder einem damit im Zusammenhang stehenden System unter den gleichen Bedingungen weitere Teilnehmer zugeführt werden, und bei dem die Erlangung des Vermögensvorteils ganz oder teilweise vom bedingungsgemäßen Verhalten jeweils weiterer Teilnehmer abhängt (Ketten- oder Pyramidenspiel),
1. in Gang setzt oder veranstaltet oder
2. durch Zusammenkünfte, Prospekte oder auf eine andere zur Anwerbung vieler Teilnehmer geeignete Weise verbreitet oder
3. sonst die Verbreitung eines solchen Systems gewerbsmäßig fördert,
ist mit Freiheitsstrafe bis zu sechs Monaten oder mit Geldstrafe bis zu 360 Tagessätzen zu bestrafen, es sei denn, daß das System bloß zu gemeinnützigen Zwecken veranstaltet wird oder bloß Einsätze geringen Wertes verlangt werden.
(2) Wer durch die Tat eine größere Zahl von Menschen schwer geschädigt hat, ist mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren zu bestrafen.
Wenn gleich die Abgrenzung vom verbotenen Pyramidenspiel zum seriösen Multilevelmarketing rechtlich mitunter nicht einfach ist, so liegen bei derartigen Animierungen des Investments meines Erachtens starke Indizien vor, die auf das Vorliegen eines rechtswidrigen Schnellball/Pyramidenspiel deuten:
Anwerben einer Vielzahl von Personen zur Erlangung wiederholender Einzahlungen.
Anders als im Direktvertrieb kein Anspruch auf Gewährleistungs- und Rücktrittsrechte. Keine Information über Ansprechpartner im Haftungsfall. Keine Regelungen betreffend anwendbares Recht oder zum Gerichtsstand. Viel Lobpreisung der angeblichen enorm hohen Gewinn/ Einkunftmöglichkeiten ohne Aufklärung über die damit einhergehenden Risiken.
Ausrichtung auf schnelle Gewinne.
Das Schneeball/ Pyramidenspiel funktioniert nur bis zu einer bestimmten Größe des Kundenkreises und letztlich auf Kosten jener, die keine weiteren Interessenten anwerben können. Das System läuft sich über kurz oder lang tot und bricht zusammen.
Keine Abgeltung von Schulungen, Produkt- /Verkaufsunterlagen.
Wenn die Wetten auf unzureichende, unrichtigen Information erfolgen, wäre zudem ein Verstoß gegen das Glückspielgesetz zu prüfen.
Bei der derzeitigen Rechtslage wird es kaum gelingen, bei Verlust jemanden für den Schaden zur Verantwortung ziehen zu können.
Denn die wirklichen Drahtzieher dieser hochriskanten Wetten bleiben unbekannt. Bei den Burschen in den Clips handelt es sich um für den Dreh gebuchte Schauspieler (so wie auch im Übrigen einer deutschen Dokumentation zufolge auch die Uhren und Fahrzeuge extra angemietet werden).
Tatsächliche Strippenzieher bleiben anonym
Die tatsächlichen Strippenzieher dieser groß angelegten Animierung zu riskanten Einsätzen bleiben anonym.
Auch die Portale können rechtlich nicht belangt werden. Denn abgesehen davon, dass diese ihren Sitz im Ausland haben, sind diese auch nicht diejenigen, die direkt zum Investment animieren.
Bei derzeitiger Rechtslage wird sich Youtube auf das sogenannte Hostprovider Privileg berufen. Daher hat Youtube nicht proaktiv den Content auf Rechtswidrigkeit zu überprüfen, sondern erst zu reagieren (allenfalls Inhalte zu entfernen), wenn Youtube von der jeweiligen Rechtswidrigkeit in Kenntnis gesetzt worden ist. Unbekannt ist, ob diese Videos nicht bereits ohnedies ausreichend Youtube gemeldet worden sind.
Fall beim EuGH anhängig
Im Übrigen ist fraglich, ob sich Youtube aufgrund seiner Tätigkeit rund um die von Usern hochgeladenen Inhalte weiterhin mit Erfolg auf das Hostproviderprivileg wird berufen können. Diese Frage ist derzeit beim Europäischen Gerichtshof anhängig (EuGH – C 509/19). Sollte Youtube des Hostproviderprovilegs tatsächlich verlustig werden, so wäre Youtube als Plattform künftig unmittelbar für die Rechtsverletzungen Dritter verantwortlich.
Aufklärung über finanzielle Geldangelegenheiten ist wichtig. Schulen sollten (sofern sie es nicht bereits ohnedies machen) diese Videos zum Anlass nehmen, um mit ihren Schülern über Finanzen zu sprechen. Es gibt kein schnelles, leicht verdientes Geld. Da verdienen nur die, die andere das glauben machen können.