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Reisebüros: Die Ausnahme von Betretungsverbot als Grundrechtsverstoß?

Von Anton Fischer

Recht

Vom Betretungsverbot der neuen Covid-19-Notmaßnahmenverordnung sind Reisebüros ausgenommen – das könnte ein Verstoß gegen den Gleichheitssatz beziehungsweise das Sachlichkeitsgebot sein.


Mit Inkrafttreten der neuen Covid-19-Notmaßnahmenverordnung befindet sich Österreich in einem verschärften Lockdown. Statt der nächtlichen Ausgangsbeschränkungen gilt das grundsätzliche Verbot zum Verlassen des eigenen Lebensbereichs nunmehr ganztägig. Bis auf den Lebensmittelhandel und andere als systemrelevant identifizierte Geschäfte beziehungsweise Dienstleister bleiben beinahe alle Geschäfte und Dienstleistungsunternehmen vorerst geschlossen. Als Ausgleich wurden vom Bundesministerium für Finanzen finanzielle Hilfsmaßnahmen in Form eines Umsatzersatzes in unbürokratischer Form in Aussicht gestellt. Dieser soll bei körpernahen Dienstleistungen wie etwa Friseuren, Stylisten und Kosmetikern 80 Prozent des entfallenden Umsatzes, bei Handelsbetrieben und sonstigen Betrieben je nach Branche bis zu 60 Prozent des Umsatzausfalls ersetzen.

Reisebüros können keinen Umsatzersatz beantragen

In Ermangelung einer entsprechenden Erwähnung in der Covid-19-NotMV sind Reisebüros vom Betretungsverbot jedoch nicht erfasst. Diese sind weder Betriebsstätten des Handels zum Erwerb von Waren noch körpernahe Dienstleistungsunternehmen oder Freizeiteinrichtungen. Reisebüros dürfen daher betreten und Reisevermittlungsdienstleistungen weiterhin erbracht werden. Die Ausnahme führt jedoch dazu, dass Reisebüros nach der derzeitigen Regelung keinen Umsatzersatz beantragen können. Für viele in der wie keine andere von den ökonomischen Auswirkungen gebeutelten Branche könnte dies den wirtschaftlichen Untergang bedeuten.

Klar ist, dass den Reisebüros geholfen werden muss. Andere Handels- beziehungsweise Dienstleitungssparten können durch die grundsätzliche Möglichkeit zum Online-Handel zumindest teilweise Umsätze generieren. Reisebüros werden aufgrund der für ganz Österreich geltenden Ausgangsbeschränkungen und des hierdurch besiegelten gänzlichen Umsatzeinbruchs ohne Anspruch auf finanziellen Ausgleich vollends an der Erzielung von Einkünften gehindert.

Aus rechtlicher Sicht ist zu hinterfragen, ob die Ausnahme von Reisebüros vom Anwendungsbereich der Covid-19-NotMV nicht gegen das verfassungsrechtlich gewährlistete Gleichheitsgebot verstößt.

Verstoß gegen den Gleichheitssatz

Der verfassungsrechtliche Gleichheitssatz ist die praktisch wirksamste Schranke der Gesetzgebung. Vereinfacht ausgedrückt verbietet er dem Gesetzgeber bzw. Verordnungsgeber, natürliche oder juristische Personen im Verhältnis zu anderen unterschiedlich zu behandeln. Erlaubt sind lediglich sachlich begründete Differenzierungen. Rechtliche Ungleichbehandlung ist nur dann gerechtfertigt, wenn diese auf tatsächlichen Unterschieden basiert.

Im Zusammenhang mit dem Betretungsverbot der Covid-19-NotMV liegt die rechtliche Unterscheidung zwischen Reisebüros und anderen Handels- beziehungsweise Dienstleistungsunternehmen auf der Hand. Während der Handel grundsätzlich schließen muss, dafür jedoch entschädigt wird, ist dies für Reisebüros nicht der Fall. Diese rechtliche Ungleichbehandlung kann mittels einer Gegenüberstellung mit allenfalls tatsächlichen Unterschieden zwischen Reisebüros und den von der Verordnung erfassten Handels- beziehungsweise Dienstleistungsunternehmen nicht gerechtfertigt werden. Dies vor allem auch deshalb, da die Unterschiede dem VfGH wesentlich sein müssen, um überhaupt eine differenzierte rechtliche Behandlung zu erlauben. Insbesondere können Reisebüros im Vergleich zu geschlossenen Geschäften wohl kaum als systemrelevant qualifiziert werden, um deren Offenhaltung zu rechtfertigen.

Was für Gesetze gilt, hat grundsätzlich auch für Verordnungen Geltung. Auch eine Verordnung verstößt insbesondere dann gegen den Gleichheitssatz, wenn sie Ungleichbehandlung schafft, die sachlich nicht gerechtfertigt ist. Auch schlichtweg unsachliche Verordnungsinhalte sind gleichheitswidrig. Zudem darf nicht vergessen werden, dass das Gleichheitsgebot nach dem VfGH auch den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit beinhaltet. Dieser bindet die gesamte Verwaltung. Je intensiver ein Verwaltungsakt eingreift, desto höhere Anforderungen sind an seine sachliche Rechtfertigung zu stellen. Der Eingriff der Verordnung in die Möglichkeit zur Umsatzerzielung von Reisebüros ohne Ausgleich ist massiv. Die sachliche Rechtfertigung fehlt völlig.

Verstoß gegen das Sachlichkeitsgebot

Selbst für den Fall, dass die Ausnahme von Reisebüros vom Betretungsverbot nicht als Verstoß gegen den Gleichheitssatz zu werten wäre, wurde dem Gesetzgeber vom Verfassungsgerichtshof (VfGH) in der Vergangenheit ein allgemeines Sachlichkeitsgebot auferlegt, wobei wiederum unverhältnismäßige Regelung als unsachlich bewertet werden.

Reisebüros wurden in der derzeitigen Fassung der Verordnung daher wohl zu Unrecht nicht berücksichtigt. Sollten in nächster Zeit keine Anpassungen zur Verordnung vorgenommen werden, erscheint durchaus möglich, dass der VfGH zumindest Teile im Fall einer Anrufung prüft und aufhebt.