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Die verfassungsrechtliche Zulässigkeit von Massentests

Von Anton Fischer

Recht

Die "freiwillige" Erduldung eines Tests wäre unzulässig, wenn bei einer Verweigerung Konsequenzen drohen, die im Ergebnis wiederum zur Teilnahme nötigen.


Die Bundesregierung hat für die ersten Dezemberwochen Massentests geplant, die am 1. Dezember in der Gemeinde Annaberg in Salzburg gestartet sind. Diese sollen nach Ende des Lockdowns dazu beitragen, dass sich Österreicherinnen und Österreicher wieder sicherer fühlen können und der vorweihnachtliche Handel verspätet aber doch anlaufen kann. Als Vorbild für die Pläne der Bundesregierung dienen die Ende Oktober in der Slowakei durchgeführten Testungen von rund zwei Dritteln der Bevölkerung. Diese Tests wurden zwar als "freiwillig" deklariert. Sämtlichen Personen, die in den Tagen nach der Testung ohne ein negatives Testergebnis angetroffen wurden, drohte jedoch eine zehntägige Zwangsquarantäne.

Hinsichtlich der für Österreich geplanten Massentests sollen diese ebenfalls auf freiwilliger Basis durchgeführt werden. Verlässlicher Aufschluss über das Ausmaß der zurzeit infizierten Personen wird jedoch nur zu erlangen sein, wenn eine repräsentative Anzahl der Bevölkerung an den Tests teilnimmt. Zweifelhaft erscheint aber, ob die österreichische Bevölkerung - abgesehen von Appellen der Regierung an das Verantwortungsbewusstsein - zur freiwilligen Teilnahme an Massentests motiviert werden kann.

Massentests und Grundrechte

Verpflichtende Massentests wären in jedem Fall rechtlich problematisch. Als staatliche Zwangsmittel würden diese jedenfalls in verfassungsgesetzlich geschützte Rechtspositionen eingreifen.

Neben den Freiheitsrechten wäre insbesondere das Grundrecht auf Achtung des Privat- und Familienlebens. Dessen Kern bildet insbesondere das Recht auf Selbstbestimmung über den eigenen Körper. Generell greifen zwangsweise angeordnete medizinische Untersuchungen selbst dann in die körperliche Unversehrtheit ein, wenn die damit verbundene körperliche Belastung gering ist. Etwa bei einem Mundhöhlenabstrich ist umstritten, ob dieser die erlaubte Belastungsgrenze erreicht. Bei einem Nasenabstrich wäre die Belastungsgrenze aufgrund der Intensität des Eingriffs wohl überschritten. Weiters betroffen wäre das Recht auf Datenschutz. Das Recht schützt bereits vor deren erstmaliger Ermittlung im Rahmen der Testung erhobener sensibler Daten sowie deren allfälligen Speicherung.

Keine gesetzliche Grundlage für Zwangstests

Ein Grundrechtseingriff muss auf einer gesetzlichen Grundlage beruhen. Weder das Covid-19-Maßnahmengesetz noch das Epidemiegesetz bieten jedoch eine solche zur Durchführung unfreiwilliger Massentests.

Dem Epidemiegesetz folgend sind zwar Kranke, Krankheitsverdächtige und Ansteckungsverdächtige verpflichtet, sich notwendigen ärztlichen Untersuchungen sowie der Entnahme von Untersuchungsmaterial in Form von Proben zu unterziehen. Ohne einen Verdacht gilt das aber nicht für gesunde Personen. Die Durchführung von Massentests unabhängig von Verdachtsmomenten liegt jedoch gerade in der Natur der Sache.

Selbst wenn eine gesetzliche Grundlage gefunden bzw. geschaffen würde, hätte jedenfalls eine Interessensabwägung zwischen den Interessen des Staates und den einzelnen Grund- und Freiheitsrechten zu erfolgen, um die Zulässigkeit der Testungen beurteilen zu können. Widrigenfalls wären diese wohl auch bei Vorliegen einer gesetzlichen Grundlage unzulässig. Eine sich im Ergebnis als zwangsweise erduldete "freiwillige" Testung wäre nach den in Österreich herrschenden verfassungsrechtlichen Grundsätzen daher nicht zulässig.

Keine Diskriminierung bei Unterlassen der Teilnahme

Neben der Ausübung direkten Zwangs zur Erduldung eines Tests wäre zudem die "freiwillige" Erduldung eines Tests unzulässig, wenn bei einer Verweigerung solche Konsequenzen drohen, die im Ergebnis wiederum zur Teilnahme nötigen. Dies wäre nicht nur dann der Fall, wenn das Verlassen der eigenen vier Wände oder an die Vorlage eines negativen Testergebnisses und somit an die Erduldung eines Tests geknüpft würde. Insbesondere wäre auch das sonstige Verbot der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel oder des täglichen Einkaufs zur Deckung der Grundbedürfnisse jedenfalls rechtlich nicht gedeckt. In beiden Fällen dürfen die beteiligten Geschäfte beziehungsweise Betreiber entgegen der grundsätzlich geltenden Privatautonomie ihre Kunden nicht frei aussuchen. Wegen der Pflicht zur Gleichbehandlung müssen Diskriminierungen sachlich gerechtfertigt sein, was wieder im Rahmen der bereits erwähnten Interessensabwägung und einer Prüfung der Verhältnismäßigkeit zu klären wäre.

Für nicht von der Verpflichtung zum Vertragsabschluss betroffene Händler bzw. Dienstleister gilt, dass sich diese aussuchen dürfen, mit wem sie Geschäfte abschließen. Demnach könnten diese etwa den Zutritt zu Geschäftslokalen sehr wohl von der Vorlage eines negativen Testergebnisses abhängig machen. Staatlicher Druck zum Verlangen eines negativen Testergebnisses dürfte auf die Unternehmen jedenfalls nicht ohne Weiteres ausgeübt werden. Da ein solcher in die verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte der Unternehmerinnen und Unternehmer eingreifen könnte, wäre wiederum eine Grundrechtsprüfung notwendig.

Selbstverständlich ist fraglich, ob Geschäfte beziehungsweise Dienstleister gerade in der derzeit angespannten wirtschaftlichen Situation zahlende Kundschaft freiwillig aussperren würde