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Michael Umfahrer: "Bei der Vorsorgevollmacht ist mehr los"

Von Daniel Bischof und Petra Tempfer

Recht
"Man hofft ja doch, dass man die Krankheit überlebt", sagt Michael Umfahrer.
© ÖNK / Richard Tanzer

Aufgrund der Pandemie erstellen die Menschen zwar nicht mehr Testamente - zum Thema Vorsorgevollmacht gibt es laut Notariatskammer-Präsident Michael Umfahrer aber mehr Anfragen.


Sein erstes Amtsjahr hat sich Michael Umfahrer wohl anders vorgestellt. Seit Oktober 2019 ist er Präsident der Österreichischen Notariatskammer. Durch die Corona-Krise mussten einige wichtige Projekte auf Eis gelegt werden, andererseits trieb sie die Digitalisierung des Notariats in Windeseile voran. Im Interview mit der "Wiener Zeitung" zieht Umfahrer eine erste Zwischenbilanz.

"Wiener Zeitung": Herr Umfahrer, wie macht sich die Pandemie bei den Notaren bemerkbar? Erstellen die Menschen nun häufiger ein Testament, weil sie ängstlicher geworden sind?

Michael Umfahrer: Nein, das ist nicht der Fall. Die Schwerpunkte haben sich aber verlagert, bei der Vorsorgevollmacht ist mehr los. Die Menschen wollen auch handeln können, wenn sie krank sind und selbst keinen Vertrag mehr unterschreiben können. Da ist die Vorsorgevollmacht ein wichtiges Instrument und weniger das Testament. Man hofft ja doch, dass man die Krankheit überlebt.

Bisher haben aber nur etwa vier Prozent der Österreicher eine Vorsorgevollmacht errichtet, 20 Prozent haben mit einem Testament vorgesorgt. Hat die 2019 gestartete Online-Testamentsberatung daran etwas geändert?

Ich hatte dazu ein paar Beratungstermine. Die Pandemie hat uns aber gezeigt, dass sich nicht alles über digitale Tools substituieren lässt - gerade im familien- und erbrechtlichen Bereich. Hier wird man den persönlichen Kontakt nie ersetzen können. Es gibt allerdings einen Bereich, der durch die Pandemie und Digitalisierung einen Schub erfahren hat.

Welcher?

Der digitale Notariatsakt. Die Online-GmbH-Gründung gibt es bereits seit 2019: Damals gab es noch keine Pandemie, die Nachfrage war überschaubar. Während des ersten Lockdowns im Frühjahr 2020 wurde der digitale Notariatsakt aber auf sämtliche Aktivitäten der Notare ausgeweitet.

Wie kann man sich das vorstellen?

Der Notar kann nun praktisch alles, was er in Papierform kann, auch online durchführen - sei es nun eine GmbH-Gründung oder eine Beglaubigung eines Kaufvertrags. Ursprünglich sollte es sich dabei um eine befristete Maßnahme bis Jahresende 2020 halten. Die Nachfrage war aber groß: Von März bis September haben wir rund 1000 notarielle Amtshandlungen durchgeführt. Deswegen ist die Befristung gefallen. Seit Ende 2020 ist das digitale Notariat nun fest verankert.

Fallen dadurch höhere Kosten für die Klienten an?

Nein, es kostet genau das Gleiche. Wir machen ja mehr oder weniger die gleiche Arbeit. Die technischen Systeme kosten natürlich. Aber das geben wir nicht weiter.

Wo gibt es beim digitalen Notariat noch Verbesserungsbedarf?

Eine Urkunde muss entweder analog oder digital errichtet sein. Ist sie das nicht, nennen wir das einen Medienbruch. Und der ist verboten. Ich kann also nicht eine Urkunde zunächst digital signieren lassen, dann ausdrucken und jemand anderen händisch unterzeichnen lassen. Dann wäre das keine Urkunde mehr. In Zukunft sollten wir diese beiden Formen kombinieren können. Zumindest so lange, solange die zwei Welten Papier und Digital bestehen.

Sie sind nun länger als ein Jahr Präsident der Österreichischen Notariatskammer. Welche Projekte liegen aufgrund der Pandemie auf Eis?

Zur Ehe- und Scheidungsreform gab es Ende 2019 die letzten Gespräche im Justizministerium. Es ging vor allem darum, das Verschuldensprinzip zurückzudrängen, zugleich aber negative Folgen zu vermeiden.

Beispielsweise beim Unterhalt?

Ja. Im Moment ist es ja, vereinfach gesagt, so: Wenn sich ein Partner scheiden lässt, weil der andere Partner fremdgeht, bekommt er Unterhalt. Wird das Verschuldensprinzip verdrängt, wäre das nicht mehr selbstverständlich. Also muss man sich überlegen, wie man den schwächeren Partner schützen kann.

Welche Ideen gibt es da?

Die vorsorglichen Scheidungsvereinbarungen müssten forciert werden. Dadurch könnte man vermeiden, dass der schwächere Partner dann in ein schwarzes Loch fällt.

Viele Ehepaare lehnen Eheverträge aber ab - vermutlich aus romantischen Gründen.

Ich glaube, das ist eine Frage der Aufklärung. Man muss Bewusstsein für die Probleme schaffen. Denn diese Vorsorgeinstrumente haben etwas für sich. Ich habe erst zuletzt ein ganz junges Paar gehabt, das im Sommer heiraten will und sich für einen Ehevertrag interessiert hat.

In der Vergangenheit haben Sie immer wieder gefordert, die Gebühren nach dem Gebührengesetz abzuschaffen. Für Rechtsgeschäfte liegen die Steuersätze zwischen 0,8 und zwei Prozent. Welche Verträge wären von der Abschaffung betroffen?

Erbteilungsübereinkommen oder eben Scheidungsvereinbarungen zum Beispiel. Bei diesen haben wir eine massiv negative Tendenz verzeichnet. Denn die Motivation, vorsorgend tätig zu sein, ist weg, wenn das Finanzamt zwei Prozent bekommt.

Durch eine Abschaffung würden dem Staat jährlich 140 Millionen Euro entgehen.

Diese Steuereinnahmen werden durch den Verwaltungsaufwand wieder verschlungen. Es handelt sich also um eine Bagatellsteuer. Außerdem würde eine Abschaffung auch der Justiz helfen.

Inwiefern? Würden nicht vor allem die Notare profitieren, weil mehr Verträge geschlossen werden?

Das Ganze ist ja eigentlich eine Milchmädchenrechnung. Wenn es bei einer Scheidung nämlich keine Vereinbarung gibt, ist die Justiz aufgrund des Rechtsstreits extrem belastet. Die Rechtspflege hier in Europa hat den großen Vorteil, dass sie durch die Vorsorge die Justiz weitaus weniger belastet als zum Beispiel im angloamerikanischen Raum, wo man erst im Nachhinein versucht, die Dinge zu regeln.

Zur Person~Michael Umfahrer ist seit Oktober 2019 Präsident der Österreichischen Notariatskammer und für eine Funktionsperiode von drei Jahren berufen. Er ist seit mehr als 20 Jahren als Notar in eigener Kanzlei tätig, die vergangenen 15 Jahre davon in Wien. Seine Tätigkeitsschwerpunkte sind Wirtschaftsrecht, Umgründungen, Unternehmensnachfolgen sowie Erb- und Liegenschaftsrecht.