Seit nunmehr einem Jahr begleiten uns die diversen Covid 19-Verordnungen des Gesundheitsministers durch die Pandemie. Ihre Zahl ist inzwischen so groß geworden, dass man längst aufgehört hat, zu zählen. Wir haben einiges Absonderliches erlebt in der Zeit: zwei aufeinanderfolgende Verordnungen innerhalb einer Woche, innerhalb zweier aufeinanderfolgender Tage, zwei Verordnungen am selben Abend; immer dachte man, der Vorgang sei nicht mehr zu toppen, aber…..

Eines sei vorweggeschickt: Die Covid 19-Verordnungen sind bitter notwendig, das dafür zuständige Redaktionsteam steht permanent unter politischem und Zeitdruck. Dennoch ist schwer verständlich, warum sich verschiedene Absonderlichkeiten und Mängel beharrlich durch alle Verordnungen seit einem Jahr ziehen.

Klaus Vögl ist Jurist und nach langjähriger Tätigkeit in der Wirtschaftskammer nun Unternehmer im Bereich der Veranstaltungsorganisation mit dem (unter anderen) Spezialgebiet Veranstaltungsrecht. - © privat
Klaus Vögl ist Jurist und nach langjähriger Tätigkeit in der Wirtschaftskammer nun Unternehmer im Bereich der Veranstaltungsorganisation mit dem (unter anderen) Spezialgebiet Veranstaltungsrecht. - © privat

Gehen wir die Fälle durch. Die Hoffnung stirbt zuletzt: Vielleicht erbarmt sich ja doch noch jemand Verantwortlicher einer diesbezüglichen Supervision des Textes.

 

Vielzahl von Begriffen

Die Verordnung operiert mit einer Vielzahl von Begriffen, ohne diese zu definieren beziehungsweise klar voneinander abzugrenzen. Insbesondere das Verhältnis zwischen

Betriebsstätten von Betrieben
Körpernahen und nicht körpernahen Dienstleistern
Handel
Freizeitbetrieben
Kulturbetrieben
Veranstaltungen

bleibt diffus und wurde im Zuge der diversen Verordnungen auch mehrmals ohne Begründung geändert. So waren Tanzschulen bereits Sportstätten, Veranstaltungen und (richtigerweise) Freizeitbetriebe, Kinos waren Veranstaltungen und sind dzt. Kulturbetriebe, wobei hier eigentlich beides zutrifft.

Es ist nicht klar, nach welchem Rechtsmaßstab die Unterteilung vorgenommen wird. Die meisten Freizeitbetriebe sind ebenso wie der Handel "Dienstleister", Kulturbetriebe wiederum sind Veranstalter. Wer möchte sich anmaßen, darüber zu richten, welcher Veranstaltungsinhalt "Kultur" ist und welcher nicht – der Begriff ist ganz schwer operabel und führt zu willkürlich anmutenden Festlegungen.

Geht man nun davon aus, dass "Dienstleistung" einerseits ein Oberbegriff ist, der alle nicht produzierenden Wirtschaftsbereiche erfasst, und andererseits in einem engeren Sinn auf gewerbliche Dienstleister (Gewerbe und Handwerk) sowie die Bereiche Banken, Versicherungen und Finanzdienstleistungen, Verkehr, IT und Consulting reduziert werden kann – was in der Covid-Verordnung offenbar intendiert ist, erlebte man einige handfeste Überraschungen. Mit größter Selbstverständlichkeit wurde vom Gesundheitsministerium - ohne, dass dies in der Verordnung präzisiert war - festgelegt, dass Reisebüros und Solarien (eigentlich eindeutig Freizeitbetriebe) "nicht körpernahe Dienstleister" und daher vom Lockdown nicht betroffen seien. So erfreulich (oder in Anbetracht der Unterstützungsvoraussetzungen unerfreulich) das für die betreffenden Branchen sein mochte: Im Grunde ist das Willkür, denn praktisch der gesamte Tourismus und die Freizeitbetriebe sind Dienstleister, das selbe hätte also – mit Auflagen - z. B. auch für Fremdenführer, Reisebetreuer, Fitnessbetriebe und Tanzschulen gelten müssen, die sehnlich auf eine Lockerung warten.

 

Ein neuer § 1

Abhilfe schaffen könnte ein neuer § 1 mit klaren Begriffsdefinitionen. Dadurch könnte auch vermieden werden, dass sich z. B. die Floskel "eine Atemschutzmaske der Schutzklasse FFP2 (FFP2-Maske) ohne Ausatemventil oder eine Maske mit mindestens gleichwertig genormtem Standard" ununterbrochen durch die ganze Verordnung in ermüdender Weise wiederholt.
Im zentralen § 5 wird der Begriff "Betriebsstätte" nicht definiert, er weist offenbar auf Erwerbsunternehmen hin, womit z. B. karitativ genutzte oder Vereinsräume den Covid-Bestimmungen (20m2-Regel, Maskenpflicht, Mindestabstand,…..) insofern wohl nicht unterliegen.

Übrigens: § 5 Abs. 7 spricht vom "Betreiber von Betriebsstätten des Handels, die dem Verkauf von Waren dienen" – wer hätte gedacht, dass es offenbar auch Handel gibt, der nicht dem Verkauf von Waren dient?

Zentrales Element der Covid-Verordnung ist der einzuhaltende Mindestabstand von derzeit zwei Metern. Absonderlich ist, dass die Verordnung nicht vorschreibt, wie dieser zu messen ist (sinnvoll wohl: lichte Weite rundum mit ausgestreckten Armen).

Covid-19-Beauftragter nicht vorgeschrieben

Verschiedene Betreiber wie jene von Seilbahnen und Einkaufszentren müssen ein Präventionskonzept mit Mindestinhalt haben. Hier ist mit Recht davon auszugehen, dass sich an diesen Orten größere Menschenmengen einfinden. Nicht vorgeschrieben ist allerdings derzeit die Bestellung eines Covid-19-Beauftragten, der die Aufgabe hätte, die Einhaltung des Konzeptes zu überwachen. Das ist seltsam, weil die Verordnung den Betreibern die selbstverständliche Pflicht aufbürdet, durch geeignete Maßnahmen für die Einhaltung des Konzeptes zu sorgen und der Covid 19-Beauftragte in allen Verordnungen des Jahres 2020 fixer Bestandteil war.

Wo wir indes beides vorfinden (derzeit einziger Tatbestand!), ist der Probebetrieb von Berufskünstlern, und zwar unabhängig von einer Bagatellgrenze. Jetzt wird jeder einsehen, dass bei einer großen Orchesterprobe oder der Probe eines größeren Chores in einem größeren Bühnenhaus solche Maßnahmen sinnvoll sind. Was aber, wenn eine ganz geringe Zahl an Künstlern in einem kleinen Veranstaltungshaus ein Stück probt? Hier sind vielleicht nur vier, fünf, Personen anwesend: und da muss es ein Präventionskonzept geben, das zum Beispiel die Menschenströme (?) regelt, und einen Covid 19-Beauftragten! Das ist mit Sicherheit nicht verhältnismäßig und auch schwer einsichtig. Eine Mindestgrenze an Teilnehmern wäre sinnvoll.

§ 7 der Verordnung spricht von Anfang an von "sämtlichen Betriebsarten des Gastgewerbes". Das ist erkennbar ein gewerberechtlicher Begriff und umfasst nicht jene Betriebe, die, ohne Gastgewerbe zu sein, Speisen verabreichen und Getränke ausschenken dürfen. Die Palette reicht von der Buschenschank (landwirtschaftlicher Nebenbetrieb) bis hin zu Konditoren (Handwerk), Fleischhauern und Bäckern. Man fragt sich: Ist das intendiert, oder nur einfach schlechtes Wording? Dass alle diese Unternehmen diese Bereiche brav geschlossen halten, entspricht sicher dem politischen Willen, aber nicht dem Verordnungstext.

Gastronomie im Zug erlaubt

Gastronomie im Zug darf sinnvollerweise ausgeübt werden. Zur Sicherheit formuliert die Verordnung: "Speisen und Getränke ausschließlich an Benutzer des öffentlichen Verkehrsmittels verabreicht bzw. ausgeschenkt werden". Man fragt sich: Wie anders wäre es in einem Zug denkbar? Und man fragt sich: Warum in diesem geschlossenen System nur bis 19 Uhr? Das heißt, wer den 19-Uhr-Zug oder einen späteren nimmt, reist trocken.

Speisen und Getränke dürfen allgemein nicht im Umkreis von 50 Metern um die gastronomische Betriebsstätte konsumiert werden – ausgenommen in Einkaufszentren, da geht gar nichts, außer man konsumiert im weiter als 50 m entfernt stehenden Auto am Parkplatz. Normiert wird übrigens nicht, wie gemessen wird: Luftlinie oder Gehweg? Eine solche Präzisierung würde sich bei einer solchen Regelung anbieten. Was aber, wenn sich im Stockwerk über dem Gastronomiebetrieb eine private Wohnung befindet, in geringerer Entfernung als 50 m? Dann dürfte sich der Bewohner kein Essen aus dem Gasthaus holen (was ja an sich erlaubt ist, bis 19 Uhr). Hier sollte der Verordnungsgeber sich etwas überlegen.

Immerhin ist nach all diesen Unschärfen und Unklarheiten auch durchaus Positives zu vermelden: In der aktuellen Verordnung (4.Covid 19-Schutzmaßnahmenverordnung) wird  ausdrücklich als Ausnahme statuiert, dass die Maske während des Essens und Trinkens abgenommen werden darf.
Zum Abschluss noch ein Schmankerl aus § 16 Abs. 8 Z. 8 der Verordnung: Der Mindestabstand ist nicht einzuhalten "zwischen Personen, die  zeitweise gemeinsam in einem Haushalt leben." Wir bemühen zur Sicherheit den Duden: "zeitweise" heißt "für kurze Zeit". Menschen, die ständig miteinander leben, könnten sich dadurch diskriminiert fühlen. Daher, bitte, lieber unbekannter Verordnungsgeber: das vorangestellte Wort "zumindest" könnte hier für Klarheit sorgen.