Im Regierungsprogramm 2020 bis 2024 findet sich eine Passage, wonach insbesondere zur Förderung von Start-ups in ihrer Frühphase eine neue Gesellschaftsform geschaffen werden soll. Diese soll sich durch unbürokratische Gründung, geringe Behördenwege und flexible Anteilsvergabe auszeichnen. Das Bundesministerium für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort hat dazu bei zwei renommierten Wiener Anwaltskanzleien ein Gutachten einholen lassen, wie eine solche Austrian Limited aussehen sollte.

Nach diesem Gutachten soll so gut wie kein Stein auf dem anderen bleiben. Das Stammkapital soll nur 5.000 Euro betragen, wobei die Hälfte in Sachen aufgebracht werden kann. Diese sollen auch Arbeitsleistungen sein können. Alle Formvorschriften werden zugunsten der einfachen Schriftform oder sogar Textform beseitigt. Umlaufbeschlüsse sollen ohne Zustimmung der Gesellschafter möglich sein, Anteile können in Schriftform veräußert und Mitarbeiter mit Anteilen ohne Stimmrecht beteiligt werden.

Friedrich Rüffler ist Professor am Institut für Unternehmens- und Wirtschaftsrecht der Universität Wien und Vizedekan der Rechtswissenschaftlichen Fakultät. Er ist Autor zahlreicher Publikationen vor allem zum Gesellschaftsrecht und als Gutachter und Schiedsrichter in der Praxis tätig. David Sailer - © studio@davidsailer.com
Friedrich Rüffler ist Professor am Institut für Unternehmens- und Wirtschaftsrecht der Universität Wien und Vizedekan der Rechtswissenschaftlichen Fakultät. Er ist Autor zahlreicher Publikationen vor allem zum Gesellschaftsrecht und als Gutachter und Schiedsrichter in der Praxis tätig. David Sailer - © studio@davidsailer.com

Verschiedene Anteilsklassen für Investoren, die zu verschiedenen Zeitpunkten einsteigen, sollen möglich sein. Der Gesellschaftsvertrag soll so wie alle Anträge an das Firmenbuch in Englisch verfasst werden können, dafür will man aber die materielle Prüfpflicht des Firmenbuchgerichts als "überflüssige Fleißaufgabe" entfallen lassen. Gesellschafterinnen und Gesellschafter sollen nicht im Firmenbuch eingetragen werden, sondern in einem Anteilsbuch, das von der Gesellschaft zu führen ist. Kapitalmaßnahmen sollen erleichtert werden.

An der neuen Gesellschaftsform ist einiges bedenkenswert: Das über weite Strecken hervorragende Gutachten will zum Beispiel das Beschlussanfechtungsrecht optimieren und die Minderheitsrechte ausbauen, beides ist auch für die GmbH sehr überlegenswert. Gleiches gilt für flexible Kapitalmaßnahmen.

Manches ist aber strikt abzulehnen und bedeutet Gefahr und nicht Chance für den Wirtschaftsstandort. Zunächst wackelt schon die empirische Basis des Gutachtens. Verzögerungen bei der Gründung liegen nämlich nicht beim Firmenbuch, dieses arbeitet schnell und erledigt Eintragungen in der Regel binnen ein bis drei Tagen. Gründer berichten vielmehr, dass die häufigsten Verzögerungen in der Eröffnung des Bankkontos und der Zuteilung einer UID-Nummer liegen.

In der Sache sollten manche Forderungen von einer vernünftigen Politik nicht gehört werden: Mit 5.000 Euro verkommt das gesetzliche Kapital zur Farce. Dienstleistungen können nicht exekutiv verwertet werden, sodass sie keine taugliche Sacheinlage sein können. Eine Nichteintragung der Gesellschafter im Firmenbuch und stattdessen die Führung eines Anteilsbuchs fördern Geldwäsche und Sozialbetrug. Eine ordentliche Führung der Anteilsbücher kann nicht immer erwartet werden, Dritte hätten nur einen von einem rechtlichen Interesse abhängigen Einsichtsanspruch, was erst ausgestritten werden müsste.

Auch Strafverfolgungsbehörden müssten den Zugang erst erzwingen, wenn sie dann überhaupt etwas fänden. Die Rechtssicherheit wäre massiv gefährdet. Wie soll ein (ausländischer) Investor rechtssicher feststellen können, wer die Altgesellschafter sind? Ohne materielle Prüfpflicht des Firmenbuchgerichts ist die Richtigkeit des Firmenbuchs nicht gewährleistet, was aber ein unverzichtbarer Bestandteil eines rechtssicheren Wirtschaftsstandortes Österreich ist. Diese Vorschläge widersprechen auch dem Regierungsprogramm, das die Erhaltung der bisherigen Transparenzstandards insbesondere hinsichtlich der Gesellschafter verlangt.

Notariatsakt leistet Beitrag zur Rechtssicherheit

Besonders geringgeschätzt werden vom Gutachten die notariellen Formpflichten. Sie werden nur als lästiger Kostenfaktor gesehen. Sie haben aber wichtige positive Funktionen, die nicht aufgegeben werden sollten: Die Notariatsaktform des Gründungsdokuments schützt die Individuen, aber auch die Allgemeinheit dadurch, dass eine rechtssichere und beweissichere Basis für den Rechtsträger gelegt wird und rechtswidrige Satzungsbestimmungen verhindert werden. Sie hat damit auch eine streitvermeidende Funktion. Die notarielle Beurkundung des Satzungsänderungsbeschlusses setzt die rechtssicherheitsfördernde und beweissichernde Funktion bei der Änderung der vertraglichen Grundlagen fort und trägt gemeinsam mit der Prüfpflicht des Firmenbuchgerichts zur Richtigkeit des Firmenbuchs bei.

Die Formpflicht der Anteilsübertragung hat eine Immobilisierungsfunktion, eine Warnfunktion und eine Klarstellungs- oder Beweissicherungsfunktion. Besonders hinweisen möchte ich auf die beiden letztgenannten Aspekte: Es geht nicht nur um den Schutz individueller Personen, sondern darum, dass unwirksame Anteilsübertragungen insgesamt verhindert werden. Denn sonst wird der Erwerber nie Gesellschafter und kann, wenn er weiterveräußert, auch dem nächsten Erwerber keine Gesellschafterstellung verschaffen. Mithin leistet der Notariatsakt auch hier einen bedeutenden Beitrag zur Rechtssicherheit.

Vernünftige Vorschläge in die GmbH integrieren

Was also tun? Am klügsten wäre es, die vernünftigen Vorschläge in die GmbH zu integrieren. Den Vorgaben des Regierungsprogramms zur Flexibilisierung und zu digitalen Behördenwegen wird ohnedies durch die demnächst umzusetzende Digitalisierungsrichtlinie Rechnung getragen. § 90a NO (Notariatsordnung), der unter anderem den digitalen Notariatsakt und die digitale notarielle Beurkundung für die Zeit der Covid-19-Krise erlaubt, wurde erst kürzlich in Dauerrecht überführt, sodass ein persönliches Erscheinen vor der Notarin oder dem Notar nicht mehr erforderlich ist. Es bliebe nur noch das Argument der Kosten: Diese sind freilich im Vergleich zu anderen Kosten, vor allem der beratenden Anwälte beim Einstieg von Investoren, geradezu verschwindend gering.

Wenn man vorwiegend aus Marketinggründen eine eigenständige Rechtsform Austrian Limited haben möchte, dann sollte sie, was die Gründung und Formvorschriften betrifft, gleich gestaltet werden wie die GmbH. Primär wegen der genannten positiven Effekte der Gründungs- und Formvorschriften, aber auch, um einen rein aus Kostengründen getriebenen Run auf die Austrian Limited zum Nachteil der etablierten und gut funktionierenden GmbH zu vermeiden. Denn dieser könnte erhebliche Kollateralschäden für den Wirtschaftsstandort anrichten. Der Austrian Limited blieben dann noch eine Reihe von Regelungen, die vorwiegend oder ausschließlich Start-ups wünschen, wie die stimmrechtslose Mitarbeiterbeteiligung, die grenzenlosen Umlaufbeschlüsse, die digitale Generalversammlung als Dauerrecht und Englisch als Vertragssprache.

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