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Kinderrechte vor allem in Pandemie verletzt

Von Daniel Leisser und Paul Schwarzenbacher

Recht
In Corona-Zeiten werden Kinder leichter Opfer physischer und psychischer Gewalt und mit der psychischen Erkrankung von Elternteilen konfrontiert.
© adobe.stock / jpgon

Es ist nicht einzusehen, dass Kinder in Grundrechtsfragen schlechtergestellt werden sollten als Erwachsene.


Anlässlich des internationalen, 30-jährigen Jubiläums der Kinderrechte 2019 sollte laut dem damals erstellten österreichischen Regierungsprogramm eine Evaluierung des Grundrechtsschutzes im Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) zu Kinderrechten von 2011 vorgenommen werden. Es ist nicht einzusehen, dass Kinder in Grundrechtsfragen schlechtergestellt werden sollten als Erwachsene. In einigen Bereichen gibt es in Österreich massive Missstände. Im 326 Seiten langen Regierungsprogramm von Türkis-Grün finden sich Kinderrechte, wenn auch nur in einem einzigen Satz, und zwar unter dem Punkt "Stärkung der Grund- und Menschenrechte".

Seit dem Ausbruch der Covid-19-Pandemie werden unzählige Kinderrechte verletzt. Der Kontakt mit zentralen Bezugspersonen wurde unterbunden. Gelegenheit zum Kontakt mit Gleichaltrigen ergab sich in den Hochphasen der Maßnahmen meist nur sporadisch. Kinder werden leichter Opfer physischer und psychischer Gewalt und mit der psychischen Erkrankung von Elternteilen konfrontiert.

Ärmere Familien mehr belastet

Eines steht fest: Familien mit niedrigem Einkommen, instabilen oder gewaltgeneigten Strukturen und schwachem Bildungshintergrund werden von Ausgangsbeschränkungen und dem vorübergehenden Wegfall des Präsenzunterrichts mehr belastet als andere. Welche Rechte hat ein Kind in Zeiten der Corona-Krise? Welchen Stellenwert sollen Schutz und Fürsorge, welchen soll die Entfaltung der Kinder haben? Wie lassen sich die Pandemie-Maßnahmen unter dem Gesichtspunkt des Kindeswohls beschreiben? Steht dieses immer an erster Stelle? Wann kann man davon ausgehen, dass ein Kind seine Rechte verstanden hat? Diese und weitere Fragen wurden anlässlich des 10-jährigen Bestehens des B-VG-Kinderrechte bei einer Online-Podiumsdiskussion der Österreichischen Gesellschaft für Rechtslinguistik (ÖGRL) am 19. März erörtert.

Kommunikation der Furcht

Geht man davon aus, dass eine Genehmigung von Staatsverträgen (etwa die UN-Kinderrechtekonvention) im Verfassungsrang nicht möglich ist, so ist auf den Regelungsbedarf im österreichischen Verfassungsrecht und die Bedrohungssituation im Staatswesen zu achten. Daraus folgt ein Bedarf nach Erweiterung des B-VG-Kinderrechte um die Rechte auf Bildung, Gesundheit, intakte Umwelt, Freizeit und: die Rechte minderjähriger Flüchtlinge.

Aus sprachlicher Sicht wurde diskutiert, wie sich der Diskurs während der Pandemie auf Kinder auswirkt. Lehrer beobachten, dass die emotionalen Ressourcen ihrer Schüler aufgebraucht sind. Ein Grund könnte sein, dass die Politik Gebrauch von Angst macht. Zudem wurde festgestellt, dass man nicht in kinderfreien Räumen diskutieren kann. Einerseits müssen alle - Kinder und Erwachsene - zusammenhalten. Andererseits gilt: Welche Auswirkungen hat es auf Kinder, wenn in den Medien immer wieder transportiert wird, dass bald sehr viele Menschen sterben werden? Der Diskurs wirkt auf Kinder sehr viel furchteinflößender als auf Erwachsene.

Wer ist dafür verantwortlich? Wie weit können Kinder einfordern, über die Normtexte informiert zu werden - bedenkend, dass diese von dem abweichen, was in den Pressekonferenzen kommuniziert wird? Diskutiert wurde während der ÖGRL-Veranstaltung nicht zuletzt darüber, ob sich aus der Kommunikation der Furcht auch eine Generation der Furcht entwickelt.