Zum Hauptinhalt springen

Die Krise als Chance für eine Neuorientierung

Von Anton Fischer

Recht
Der Autor ist Wirtschaftsanwalt in Österreich mit internationaler Erfahrung und in England & Wales zugelassener UK Solicitor. Neben seiner auf Gesellschafts-, Transaktionsrecht und Brexit spezialisierten Rechtsberatung ist der Gründer von FISCHER FLP Lehrbeauftragter an der University of Birmingham für Internationales Handelsrecht.
© privat

Dramatische Veränderungen bringen unweigerlich neue Erkenntnisse.


In meiner Eigenschaft als Lecturer der University of Birmingham wurde ich kürzlich gefragt, was ich den Studenten heutzutage mit auf den Weg geben würde. Intuitiv bediente ich mich eines Zitats des früheren britischen Premierministers Winston Churchill: "Never let a good crisis go to waste." Was er meinte, ist einfach wie tiefgreifend: Dramatische Veränderungen bringen neue Erkenntnisse und decken Chancen auf.

Von dieser Lebensweisheit wurde seit Churchill immer wieder Gebrauch gemacht. Beispielsweise wurde das Zitat von Rahm Emanuel, dem damaligen Stabschef von Barack Obama und späteren Bürgermeister von Chicago im Zusammenhang mit der Finanzkrise 2008 benutzt, um auf selbst mit Wirtschaftskrisen einhergehendes Potenzial hinzuweisen.

Churchill’s Philosophie hat nach wie vor Gültigkeit. Waren es damals die Wirren des Weltkriegs, die Krise bedeuteten, ist es nun die Pandemie, die uns vor große Herausforderungen stellt. Viele fühlen sich in ihren Möglichkeiten massiv eingeschränkt und ihrer Perspektive beraubt. Dass die Krise jedoch auch eine großartige Chance zur Veränderung und Neuausrichtung in sich birgt, wird übersehen. Dabei ist jetzt die Zeit, sich frei von Ablenkungen hinzusetzen und den weiteren Karriereweg zu planen.

Internationaler Abschluss als Sprungbrett

Was dieser Beitrag mit meiner Kolumne "Rechtlich über Österreichs Tellerrand hinaus" zu tun hat? Nun, ohne Krise gäbe es die Kolumne nicht. Dass Veränderungen Potenzial bedeuten, habe ich am eigenen Leib erfahren. Während sich zu Studienzeiten die meisten meiner Kollegen auf die Laufbahn als Juristen in Österreich vorbereiteten, machte sich bei mir eine Sinnkrise breit. Der klassische Juristenberuf in Österreich war nichts für mich. Doch wie sollte ich den eingeschlagenen Weg beenden und das bestiegene Hamsterrad verlassen, wo doch alles seit Jahren in eine bestimmte Richtung lief? Es war eine durch äußere Umstände erzwungene Schonzeit, die mich aus meiner Routine riss.

Ich habe mich immer für die Welt interessiert. Die Entscheidung, ein postgraduales Studium in internationalem Recht im Ausland zu absolvieren, war hart, aber letztlich lohnend. Ich bekam die Möglichkeit, im Rahmen eines Praktikums Brüssel kennenzulernen und dann nach Singapur zu ziehen. Geld hatte ich nie. Ich fand aber auch hier einen Weg, den Lebensunterhalt im Ausland durch Arbeit zu bestreiten.

Heutzutage gehört ein internationaler Abschluss neben dem Doktorat nicht nur zu den begehrtesten Zusatzqualifikationen, sondern ermöglicht vielfach erst die internationale Karriere. Nicht nur (fremd-)sprachliche Gewandtheit, Anpassungsfähigkeit und Flexibilität, sondern vor allem die gesammelten Auslandserfahrungen sind es, die nach der Rückkehr neue Türen öffnen oder auf weitere Auslandsaufenthalte vorbereiten. Ich persönlich konnte dadurch neben der Anwaltei auch eine akademische Karriere einschlagen.

Ohne Krise wäre das alles aber nicht möglich gewesen. Daher an alle Gebeutelten unter Ihnen: Die Krise ist da, ob wir wollen oder nicht. Sehen wir sie doch als erzwungene Pause zur Neuorientierung - vielleicht im Ausland?