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Durch die Hintertür an die Börse

Von Jörg Baumgartner und Sebastian Sieder

Recht
Viele unterschiedliche Spacs befinden sich bereits in den Startlöchern.
© iQoncept - stock.adobe.com

Börsengänge über Spac-Mantelgesellschaften ohne operatives Geschäft sind auf dem Vormarsch.


In der jüngsten Zeit erfreuen sich alternative, innovative Formen des Börsengangs (neuer) Beliebtheit. Sie bieten Börsenaspiranten verschiedene Optionen, deren Charakteristika sich am besten mit einem Vergleich zum klassischen und bisher auch in Österreich und Deutschland vorherrschenden Verfahren erläutern lassen.

Bei einem traditionellen Börsengang mittels eines sogenannten Initial Public Offering (IPO) bietet der Emittent erstmals Aktien öffentlich zum Kauf an. Die Aktien stammen dabei aus einer Kapitalerhöhung und/oder von verkaufenden bisherigen Aktionären. Durch den Verkauf der neuen Aktien nimmt der Emittent - mit der Unterstützung einer Investmentbank - beim Börsengang Eigenkapital auf.

Dieser klassische IPO-Prozess ist sehr zeit- und kostenintensiv. Deswegen haben sich vor allem in den USA in den vergangenen Jahren verschiedene Alternativen dazu etabliert, die nun auch in Europa im Kommen sind.

Ziel, Kapital aufzunehmen

Bei einer Spac (Special Purpose Acquisition Company) handelt es sich um eine Mantelgesellschaft, die über kein operatives Geschäft verfügt. Ihr einziges Ziel ist es, bei einem Börsengang Kapital aufzunehmen, um damit ein nicht börsennotiertes Unternehmen zu übernehmen und diesem damit mittelbar den Sprung an die Börse zu verhelfen. Dieses Verfahren soll die Durchführbarkeit des IPO erleichtern und Kosten sparen. In den USA hat es 2020 einen Spac-Boom gegeben: 55 Prozent aller IPOs waren Spac-IPOs, mit denen 83 Milliarden US-Dollar eingesammelt wurden. Dieser Trend setzt sich auch 2021 fort. Bekannte Unternehmen, die Spac-Transaktionen durchführten, waren etwa United Wholesale Mortgage, Nikola, Immatics, Virgin Galactic, Canoo, Momentus, Vincera, Playboy oder Chargepoint.

Spacs werden von sogenannten Sponsoren gegründet. Sponsoren sind in der Regel erfahrene Investmentmanager. Viel Aufmerksamkeit erregte beispielsweise die Spac-Gründung durch den bekannten Hedgefonds-Manager Bill Ackmann. Nach der Gründung wird die Mantelgesellschaft im Wege eines IPO an die Börse gebracht. Dabei ist noch offen, welches Unternehmen später erworben wird. Die Erwerbsstrategie und Charakteristika möglicher Targets müssen im Wertpapierprospekt dargestellt werden.

Möglich ist auch eine prospektfreie Privatplatzierung an institutionelle Investoren. Die Spac gibt sogenannte Units aus, bestehend aus je einer Aktie (common stock) und einem selbständigen Optionsschein zum Erwerb weiterer Aktien (naked warrant), die nach einer kurzen Frist getrennt an der Börse handelbar sind. Die Erlöse aus dem Spac-IPO werden auf einem Treuhandkonto (escrow account) hinterlegt und dadurch dem Zugriff des Sponsors entzogen. Nach dem Börsengang sucht der Sponsor nach einem geeigneten Unternehmen. Meist ist diese Suche nach einem Zielunternehmen auf 18 bis 36 Monate befristet. Finden die Sponsoren in dieser Zeit kein geeignetes Unternehmen, wird die Spac liquidiert, und die Anleger erhalten ihr Geld zurück.

Sobald der Sponsor fündig wurde, legt die Spac ihren Aktionären die geplante Transaktion vor. Die Aktionäre können dann per Mehrheitsentscheid über den geplanten Erwerb abstimmen. Mit Zustimmung der Aktionäre tritt die Spac in den Prozess des Unternehmenserwerbs ein und bringt das Zielunternehmen dann etwa durch eine Verschmelzung mit dem Spac indirekt an die Börse (eine sogenannte De-Spac-Transaktion). Spac-Anleger, die mit dem zu erwerbenden Unternehmen nicht einverstanden sind, können aus der Spac aussteigen und erhalten ihr eingesetztes Kapital samt Zinsen gegen Rückgabe ihrer Aktien zurück.

Gesellschaftsrechtliche Sicht

Um dem Sponsor langfristige Anreize hinsichtlich des Zielunternehmens zu geben, wird dieser am Unternehmenserfolg über Aktien und Optionsscheine des Targets beteiligt. Gesellschaftsrechtlich lässt sich eine Spac weder nach österreichischem noch nach deutschem Recht strukturieren, da zwingende aktienrechtliche Bestimmungen entgegenstehen (vor allem in Bezug auf Kapitalaufbringungs- und -erhaltungsgrundsätze).

Spacs können aber auch in Form einer ausländischen Gesellschaft an der Wiener oder Frankfurter Börse gelistet werden. Mit Ausnahme von Germany1, der ersten Spac unter Beteiligung deutscher Sponsoren, die nach dem Recht von Guernsey gegründet wurde, wurden in der Vergangenheit luxemburgische Gesellschaften für die beiden weiteren Spac-Listings in Deutschland (Helikos SE und die European CleanTech I SE) gewählt. Diese Tradition luxemburgischer Spac-Vehikel setzt sich nun fort: Der bekannte Venture-Capital-Investor Klaus Hommels hat mit seinem Lakestar Spac I SE 275 Millionen Euro eingesammelt, und seine Spac notiert seit dem 22. Februar 2021 im regulierten Markt der Frankfurter Börse.

Viele weitere Spacs befinden sich bereits in den Startlöchern (wie das Berliner Wagniskapitalunternehmen 468 Capital) oder sind bereits an der Börse notiert. Jüngst ging der ehemalige Commerzbank-Chef Martin Blessing ebenfalls mit einer Spac an die Börse Amsterdam und sammelte 415 Millionen Euro ein. Damit will European FinTech IPO Company 1 in ein europäisches FinTech-Unternehmen investieren. Der langjährige BMW-Manager und spätere Finanzvorstand der Deutschen Bank Stefan Krause erlöste mit seiner Spac Levere Holdings an der Nasdaq kürzlich 250 Millionen Euro und sucht mit diesem Geld nach einem Zielunternehmen im Bereich autonomes Fahren oder E-Mobilität. Auch der deutsche Start-up-Investor Oliver Samwer gab im März 2021 sein Spac-Debüt in New York.

Alternative Direct Listing?

Im Jahr 2018 schrieb Spotify mit ihrem Börsengang Geschichte. Spotify absolvierte ihren Börsengang mittels eines Direct Listing. Bei ihrem Direct Listing wurden keine neuen Aktien angeboten, sondern es wurden die bestehenden Aktien an der Börse notiert. Damit ist aber zunächst keine Kapitalaufnahme verbunden. Im Vordergrund steht beim Direct Listing die Schaffung von Liquidität für die bisherigen Aktionäre. Häufig erfolgt eine zusätzliche Kapitalaufnahme durch eine vorherige Privatplatzierung bei institutionellen Investoren oder durch eine Kapitalerhöhung nach dem erfolgten Listing. Im Vergleich zum klassischen IPO ist ein Direct Listing kostengünstiger. Spotify konnte sich etwa zwei Drittel der Kosten für einen IPO sparen. Gerade jüngst wählte auch Coinbase diesen Weg an die Börse.

Sowohl Spacs als auch Direct Listings bieten Unternehmen alternative Wege an die Börse. Insbesondere durch die Vielzahl der in den USA in letzter Zeit gelisteten Spacs, die auf der Suche nach Übernahmezielen sind, bietet sich auch für europäische Unternehmen verstärkt die Möglichkeit, eine Börsennotierung in den USA zu erreichen, ohne selbst einen IPO durchführen zu müssen.