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Albanienwahl auf dem Prüfstand

Von Michael Lidauer und Armin Rabitsch

Recht
EU-Kandidatenstatus hat Albanien bereits seit 2014. Im März 2020 wurde der Aufnahme konkreter Beitrittsverhandlungen zugestimmt.
© Denis Rozhnovsky - stock.adobe.c

Von der Parlamentswahl in Albanien am 25. April hängt auch der weitere Verlauf der EU-Beitrittsverhandlungen ab.


Am 25. April finden in Albanien Parlamentswahlen statt, die weitgehend als Test für einen EU-Beitritt betrachtet werden. Kandidatenstatus hat Albanien bereits seit 2014. Im März 2020 wurde der Aufnahme konkreter Beitrittsverhandlungen zugestimmt, im Juli wurde den Mitgliedstaaten ein Verhandlungsrahmen dafür präsentiert.

Ein Faktor dabei ist die Durchführung von Wahlreformen. Der Europäische Rat beruft sich auf Empfehlungen der OSZE, die vollinhaltlich umgesetzt werden sollen. Weitere Beitrittskriterien beziehen sich auf Reformen im Justizsektor und Anti-Korruptionsmaßnahmen. Um den Prozess voran zu bringen haben sich die politischen Akteure im Juni 2020 auf Reformen geeinigt. Im Herbst hat die Regierung noch einmal Änderungen in der Wahlgesetzgebung vorgenommen, die allerdings als wenig konsultativ und zu hastig eingeführt kritisiert wurden.

Am Sonntag werden 140 VertreterInnen aus zwölf Regionalwahlkreisen für eine Legislaturperiode von vier Jahren gewählt. Premierminister Edi Rama stellt sich mit der Sozialistischen Partei (PS) zum dritten Mal zur Wahl und tritt gegen die Demokratische Partei (PD), die eine Koalition aus 13 Parteien führt, sowie die Sozialistische Bewegung für Integration (LSI) an. In Umfragen führt die PS, ihr Vorsprung ist aber geschrumpft.

Das politische Feld ist stark polarisiert. Nach dem Wahlsieg der PS im Jahr 2017 hat die Opposition mit 66 Abgeordneten das Parlament im Februar 2019 verlassen. Diese Sitze wurden durch die Wahlkommission nachnominiert; in der Folge gab es eine inner- als auch eine außerparlamentarische Opposition. Bei den Lokalwahlen im Mai 2019 nahm die PD nicht teil, für 31 von 61 Bürgermeisterkandidaten gab es keine Herausforderer. Dies führte zu einem Erdrutschsieg der PS, das Vertrauen der Wähler in die politischen Prozesse sank jedoch weiter.

Stimmenkauf und Druck

Im laufenden Wahlkampf berichten WählerInnen von altbekannten Problemen wie Stimmenkauf und Druck seitens der Parteien, als auch von einer anhaltenden Apathie, besonders unter der Jugend. In den harten verbalen Attacken im Wahlkampf, der vermehrt über soziale Medien stattfindet, gibt es Vorwürfe von Korruption und Verbindungen zu organisiertem Verbrechen gegenüber Mitbewerbern.

Zu den spät vor der Wahl eingeführten Reformen gehören eine Neustrukturierung der Zentralen Wahlkommission, die Einführung elektronischer Wähleridentifikation am Wahltag, Maßnahmen gegen den Missbrauch öffentlicher Mittel sowie Neuerungen im Bereich der Wahlkampffinanzierung, der Medienaufsicht und Mechanismen zur Schlichtung von Wahlrechtsstreitigkeiten.

Erstmals wurden auch Vorzugsstimmen eingeführt. Bis vor wenigen Wochen gab es aber seitens der Administration noch kaum Maßnahmen, um diese Neuerung den Wählerinnen und Wählern näher zu bringen. Zum ersten Mal kommt im Wahllokal auch Technologie zu deren Erkennung mittels Fingerabdruck zur Anwendung, die als Sicherheitsvorkehrung gegen Wahlmissbrauch betrachtet wird. Auch die elektronische Stimmauszählung wird in einem Bezirk der Hauptstadt Tirana pilotiert. Erst der Wahltag wird zeigen, wie effektiv diese Neuerungen sind.

Albanien hat zwischen 2,8 und 2,9 Millionen Einwohner, im Wählerregister sind allerdings 3,5 Millionen Wähler registriert. Dies schließt die Albanische Diaspora mit ein. Deren Beteiligung an der Wahl war in den Reformen von 2020 zwar vorgesehen, wurde aber nicht realisiert.

Hinzu kommen die Herausforderungen, die sich aus der Corona-Pandemie ergeben. Obgleich vom deutschen Robert-Koch-Institut seit Januar 2021 als Hochinzidenzgebiet gelistet, ist das allgemeine Bewusstsein für Vorsichtsmaßnahmen in Albanien relativ niedrig. Der Wahlkampfauftakt der Großparteien am 25. März hat Mindestregeln für öffentliche Zusammenkünfte berücksichtigt, Berichten zufolge finden Wahlkampfveranstaltungen allerdings auch ohne jegliche Vorsichtsmaßnahmen statt.

Der Albanische Wahlrechtsrahmen sieht keine Alternativen zur Stimmabgabe im Wahllokal am Wahltag vor. Das heißt, es gibt weder vorgezogene Wahltage, noch eine Briefwahl oder andere Methoden, auf die zur Durchführung der Wahl unter den Covid-19-Pandemie-Bedingungen zurückgegriffen werden könnte. Das Wahlrecht von Personen in Quarantäne wird dabei ignoriert.

Im Fokus der Wahlbeobachter

Der kommende Sonntag ist für den weiteren Weg Albaniens in die EU mitentscheidend. Die Verhandlungen werden aber nicht nur vom Wahltag, sondern von der Einschätzung des Gesamtprozesses bestimmt. In Albanien wurden acht zivilgesellschaftliche Organisationen zur Wahlbeobachtung registriert. Auch die OSZE/ODIHR beobachtet die Wahl, erste Eindrücke werden am Montag bekannt gegeben.

Wahlbeobachtung.org, eine unparteiische, zivilgesellschaftliche Initiative zur Verbesserung österreichischer und europäischer Wahlprozesse, die von den Autoren gegründet wurde, führt in Albanien Projekte zur Bildung von Jungwählerinnen und -wählern durch. Sie wird dabei von der Robert Bosch Stiftung unterstützt.

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