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Neue Regeln gegen Hass im Netz sind noch wenig allgemein bekannt

Von Franz Galla

Recht

Neues Mandatsverfahren und Gesetz zu den Kommunikationsplattformen als wesentliche Punkte des Gesetzespakets.


Seit Anfang 2021 ist eine Fülle neuer Regelungen in Kraft, die einen wirksamen Schutz gegen Hass im Netz bieten sollen. Der allgemeine Bekanntheitsgrad dieser Gesetzesbestimmungen ist noch verbesserungswürdig. Im Folgenden sollen zwei wesentliche Regelungsinhalte des Gesetzespaketes vorgestellt werden.

Das neue Mandatsverfahren

In der Zivilprozessordnung ist durch das Hass-im-Netz-Bekämpfungsgesetz ein Sonderverfahren eingerichtet worden, das für besonders massive Fälle von Persönlichkeitsrechtsverletzungen zur Verfügung steht. Dieses neu eingeführte Verfahren soll bei Rechtsstreitigkeiten zur Anwendung kommen, die eine erhebliche Persönlichkeitsrechtsverletzung in einem elektronischen Kommunikationsnetz zum Gegenstand haben. Beispielsweise also dann, wenn eine Person durch ein abwertendes Hassposting auf Social Media in ihrer Menschenwürde beeinträchtigt wird.

Als beklagte Partei kommt sowohl jene Person in Betracht, die das Hassposting verfasst hat, als auch der Vermittler (das ist jener, der es rechtswidrig unterlassen hat, das Übel zu verhindern); der Vermittler aber erst nach vorheriger Abmahnung. Reine Access-Provider (dazu zählen etwa Suchmaschinen, Videoplattformen oder soziale Kommunikationsnetze) gelten nicht als solche Vermittler. Sind Vor- und Zuname des Verfassers eines Hasspostings nicht bekannt, kann vom Diensteanbieter (darunter versteht man sowohl die eben genannten Access-Provider, aber auch Host- und Contentprovider wie beispielsweise Forenbetreiber, Blogger, Online-Auktionatoren oder Werbedienste) verlangt werden, den Namen und die Adresse eines Nutzers ihres Dienstes bekanntzugeben.

Das Gericht kann dem Unterlassungsauftrag auf Antrag vorläufige Vollstreckbarkeit zuerkennen, wenn die Fortwirkung der behaupteten rechtsverletzenden Handlung für die klagende Partei unzumutbar, mit erheblichen Nachteilen verbunden oder mit tragenden Grundwertungen der österreichischen Rechtsordnung nicht vereinbar ist. Da zu den neu definierten Rechtsverletzungen und dem dafür geschaffenen besonderen Verfahren sowie zu den Kriterien, bei deren Vorliegen eine sofortige Vollstreckbarkeit angeordnet werden kann, naturgemäß noch keine höchstgerichtliche Rechtsprechung vorliegt, besteht die Möglichkeit, diese Verfahren bis zum Obersten Gerichtshof zu bringen - ungeachtet des niedrigen Streitwertes von 5.000 Euro.

Das Gesetz zu den Kommunikationsplattformen

Dem Kommunikationsplattformen-Gesetz (KoPl-G) unterliegen in- und ausländische Diensteanbieter, die mit Gewinnerzielungsabsicht Kommunikationsplattformen anbieten. Ausnahmen bestehen etwa für kleine Diensteanbieter, für bestimmte Vermittlungs-Plattformen sowie für Kommunikationsplattformen, die von einem Medienunternehmen in unmittelbaren Zusammenhang mit ihren journalistisch gestalteten Inhaltsangeboten bereitgestellt werden. Die dem KoPl-G unterliegenden Diensteanbieter müssen ein wirksames und transparentes Verfahren für den Umgang mit (behaupteten) rechtswidrigen Inhalten einrichten.

Neben der übersichtlichen Gestaltung der Meldewege werden den Diensteanbietern noch weitereichende Pflichten auferlegt. Diese haben durch die Ausgestaltung der inneren Organisation des Meldeverfahrens in Bezug auf gemeldete Inhalte für Folgendes zu sorgen: Ist die Rechtswidrigkeit eines Inhaltes bereits für einen juristischen Laien ohne weitere Nachforschungen offenkundig, muss dieser Inhalt entfernt oder der Zugang dazu gesperrt werden. Dies muss unverzüglich erfolgen, spätestens aber innerhalb von 24 Stunden nach Eingang der Meldung. Soweit sich die Rechtswidrigkeit eines Inhaltes erst nach einer detaillierten Prüfung herausstellt, muss dieser unverzüglich nach Abschluss dieser Prüfung, spätestens aber binnen sieben Tagen, gerechnet ab dem Eingang der Meldung, entfernt oder der Zugang dazu gesperrt werden.

Mit dieser Regelung sind allerdings bestimmte ausländische Plattformen alles andere als glücklich, weil sie ihnen als zu eng erscheint. Diese Plattformen wollen vielmehr nur die selbst verfassten Nutzungsbedingungen und Richtlinien beachten müssen. Gesetzliche Regelungen werden dann akzeptiert, wenn sie genehm oder nicht weiter bekämpfbar sind.

Beim KoPl-G sehen ausländische Plattformen, die ein Tochterunternehmen mit Sitz im EU-Raum haben, eine Möglichkeit zum Aushebeln der gesetzlichen Vorgaben in der Richtlinie 2000/31/EG über den elektronischen Geschäftsverkehr (E-Commerce-Richtlinie). Nach dieser Richtlinie hat jeder Mitgliedstaat dafür Sorge zu tragen, dass die Dienste der Informationsgesellschaft, die von einem in seinem Hoheitsgebiet niedergelassenen Diensteanbieter erbracht werden, den in diesem Mitgliedstaat geltenden innerstaatlichen Vorschriften entsprechen, die in den koordinierten Bereich fallen. Hierbei handelt es sich um das Herkunftslandprinzip, das vorsieht, dass Diensteanbieter im Internet lediglich dem Recht jenes Mitgliedstaates unterliegen, in dem sie ihren Sitz haben.

Ausnahmen vom Herkunftslandprinzip

Von diesem Herkunftslandprinzip gibt es allerdings Ausnahmen. Mitgliedsstaaten können demnach Maßnahmen im Hinblick auf einen Dienst der Informationsgesellschaft ergreifen, wenn diese zur Bekämpfung von Hetze aus Gründen der Rasse, des Geschlechts, des Glaubens oder der Nationalität sowie von Verletzungen der Menschwürde einzelner Personen erforderlich sind. Die Richtlinie sieht zwar vor, dass in solchen Fällen ein bestimmtes Verfahren einzuhalten ist, im Rahmen dessen etwa der Sitzstaat zur Ergreifung von Maßnahmen erfolglos aufgefordert worden sein muss. Allerdings gestattet die E-Commerce-Richtlinie den Mitgliedstaaten, von dem genannten Verfahren in dringlichen Fällen abzuweichen. Die Dringlichkeit geht hier vor allem daraus hervor, dass die Meldungen zu Hass im Netz zuletzt um ein Drittel zugenommen haben. Dies geht aus dem dritten #GegenHassimNetz-Bericht des Vereins Zara - Zivilcourage und Anti-Rassismus-Arbeit - hervor.

Die E-Commerce-Richtlinie ziert allerdings schon seit rund 20 Jahren den Bestand des EU-Rechtes, was auch ein Grund dafür ist, dass aktuell der "Vorschlag der Kommission für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über einen Binnenmarkt für digitale Dienste (Gesetz über digitale Dienste) und zur Änderung der Richtlinie 2000/31/EG" in Behandlung steht. In den Erwägungsgründen der vorgeschlagenen Verordnung wird etwa festgehalten, dass die Vorschriften zu den Melde- und Abhilfeverfahren auf Unionsebene deshalb harmonisiert werden sollten, um die rasche, sorgfältige und objektive Bearbeitung von Meldungen auf der Grundlage einheitlicher, transparenter und klarer Regeln zu gewährleisten.

Diese Regeln sollen belastbare Mechanismen zum Schutz der Rechte und berechtigter Interessen sämtlicher betroffener Parteien unabhängig von dem Mitgliedstaat, in dem diese Parteien ansässig oder niedergelassen sind, und von dem betreffenden Rechtsgebiet schaffen. Ziel sei insbesondere der Schutz ihrer Grundrechte aus der Charta der Grundrechte der EU.

Menschenwürde muss ein höherer Stellenwert zukommen

Indem in der Folge in den Erwägungsgründen sämtliche relevante Grundrechte aus der Charta in Form einer reinen Aufzählung ohne jegliche Gewichtung angeführt werden, scheint die Kommission damit zum Ausdruck bringen zu wollen, dass alle von ihr genannten Grundrechte gleich bedeutsam sind. Somit stünden die Rechte auf Achtung des Privat- und Familienlebens, auf Nichtdiskriminierung, die Menschenwürde und die Rechte des Kindes auf gleicher Stufe mit dem Recht auf freie Meinungsäußerung und Informationsfreiheit, auf unternehmerische Freiheit und auf Schutz des Eigentums. Dies ist aber zu kritisieren, weil der Menschenwürde ein höherer Stellenwert zukommen muss.

Da die Kommission zum Ausdruck gebracht hat, bestrebt zu sein, bei der Ausarbeitung und Abhandlung der vorgeschlagenen Verordnung eng mit den Mitgliedstaaten zusammenzuarbeiten, wird der Hoffnung Ausdruck verliehen, dass sich Österreich in diesem Sinne positioniert.

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