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Die aktuelle Covid-19-Edition - ein Sommerrätsel

Von Klaus Christian Vögl

Recht
Für die Fahrt im Reisebus braucht es einen 3G-Nachweis sowie ein Covid-19-Präventionskonzept samt einem Covid-19-Beauftragten.
© adobe.stock / Petair

Alles klingt nach Deregulierung und keinen Beschränkungen mehr. Eine nüchterne, juristische Betrachtung erweist jedoch anderes.


Nun ist sie also da: Die Covid-19-Öffnungsverordnung (BGBl II 2021/278), gleich samt noch weiter öffnender Novelle per 22. Juli, Gültigkeit bis Ende August. Deren Tenor lautet: günstige Infektionslage, daher weitgehende Öffnungen möglich. Alles klingt nach Deregulierung, Freigabe und keinen Beschränkungen mehr.

In der Tat sind gefallen:

Die FFP2-Masken-Pflicht, mit einem kleinen Ausreißer im § 9: Am Arbeitsort ist sie nach wie vor zu tragen, wenn der Dienstnehmer oder Dienstgeber mit unmittelbarem Kundenkontakt die 3G-Regelung (Geimpft, getestet oder genesen) nicht erfüllt. Dabei bleibt ein schaler Eindruck: Warum gilt das nicht auch, wenn die Betreffenden untereinander Kontakt haben?

  • Die Quadratmeter-Regelungen (Kunden/Quadratmeter).

  • Die Limitierungen von Personenzahlen inklusive der obskuren Bestimmungen über Besuchergruppen.

  • Die einzuhaltenden Mindestabstände.

  • Die spezifischen restriktiveren gesundheitsrechtlichen Sperrzeiten.

Klaus Christian Vögl ist Jurist, Historiker und Unternehmer im Bereich der Veranstaltungsorganisation mit Fokus auf Beratung und Gutachten. Er ist Experte im Veranstaltungsrecht. Vögl publiziert zum Thema und hat Lehraufträge an zahlreichen Bildungseinrichtungen. Vor Kurzem ist sein E-Book "Leitfaden zur korrekten Durchführung von Veranstaltungen nach den Covid-19 Regelungen" erschienen. Es hat 90 Seiten und kostet 16 Euro (webshop.wko.at).
© privat

Das klingt tatsächlich nach umfassender "Befreiung". Eine nüchterne, juristische Betrachtung erweist jedoch anderes.

33 Reglementierungen bleiben

Zählt man die vorgeschriebenen 3G-Testungen, Präventionskonzepte samt einem Covid-19-Beauftragten und die Maskenpflicht als Reglementierungen, so kommt man -ohne Spezialfälle wie die abweichenden Präventionskonzepte im Sportbereich extra zu zählen - auf insgesamt 33 Reglementierungen in einer Verordnung mit 23 Paragrafen.

In 12 Fällen werden Covid-19-Präventionskonzepte samt einem Covid-19-Beauftragten verlangt:

  • § 3 Abs. 2: Seil- und Zahnradbahnen

  • § 3 Abs. 3: Reisebusse und Ausflugsschiffe im Gelegenheitsverkehr

  • § 5 Abs. 2: Gastgewerbe

  • § 6: Beherbergung

  • § 7 Abs. 3: Betreiber nicht öffentlicher Sportstätten

  • § 7 Abs. 4: Sportausübung durch Spitzensportler: Konzept durch den Arzt

  • § 8 Abs. 4: Freizeiteinrichtungen (Freizeitbetriebe), Kulturbetriebe

  • § 9 Abs. 4: Arbeitsort mit mehr als 51 Arbeitnehmern

  • § 12 Abs. 3: Zusammenkünfte mit mehr als 100 Besuchern/Teilnehmern (inklusive Jugendlager/Jugendarbeit, Fach- und Publikumsmessen, Gelegenheitsmärkte)

  • § 14: Zusammenkünfte im Spitzensport

  • Speziell bei Mannschaftssportarten: Konzept durch den Arzt

  • Speziell bei Körperkontakt-Sportarten: Konzept durch den Arzt

Konzept mit AGB verknüpfen

Hier seien noch zwei Anmerkungen gestattet: Obwohl die Verordnung dies nicht mehr ausführt, ist vor Erstellung eines Präventionskonzepts unbedingt eine Risikoanalyse durchzuführen, sonst ist der geforderte "Stand der Wissenschaft" nicht erfüllt. Die geforderten Schulungen sollten sich nicht, wie laut Verordnung vorgesehen, auf Belange der Hygiene beschränken, sondern alle Covid-19 relevanten Themen umfassen, insbesondere die im Präventionskonzept enthaltenen.

Noch ein Rechtstipp: Das Präventionskonzept unbedingt mit den vorhandenen AGB beziehungsweise der Hausordnung oder Ähnlichem verknüpfen und den Kunden deutlich kommunizieren, da es Verhaltensanweisungen enthält, die von ihnen zu erfüllen sind.

Eine Grundsatzfrage hat sich in der Praxis gestellt: Muss im Falle von Filialketten nur ein einziger Covid-19-Beauftragter für das gesamte Unternehmen bestellt werden, oder muss es an jedem Standort einen geben? Die Verordnung äußert sich dazu nicht direkt. Da es aber zentrale Aufgabe des Beauftragten ist, die Einhaltung des Präventionskonzeptes zu überwachen und als Ansprechperson für die Behörden zu dienen, empfiehlt es sich unbedingt, an jedem Standort (oder in jedem Reisebus) einen Beauftragten zu haben.

In 11 Fällen sind 3G-Kontrollen vorzunehmen:

  • das Wiener Sondermodell

  • § 3 Abs. 3: Reisebusse und Ausflugsschiffe im Gelegenheitsverkehr

  • § 4 Abs. 3: körpernahe Dienstleistungen

  • § 5: Gastgewerbe

  • § 6: Beherbergung

  • § 7 Abs. 2: nicht öffentliche Sportstätten

  • § 7 Abs. 4: Sportausübung durch Spitzensportler

  • § 8 Abs. 2: Freizeiteinrichtungen/betriebe und Kulturbetriebe

  • § 9 Abs. 4: Arbeitsorte

  • § 12 Abs. 1 Z 2: Zusammenkünfte mit mehr als 100 Teilnehmern/Besuchern (inklusive Jugendlager/Jugendarbeit, Messen, Gelegenheitsmärkte)

  • § 14 Abs. 2: Zusammenkünfte im Spitzensport plus regelmäßige Testungen

Wo die Maskenpflicht gilt

In 10 Fällen gilt die Maskenpflicht:

  • § 2: öffentliche Orte im geschlossenen Bereich

  • § 3 Abs. 1: bei Benützung von Taxis und taxiähnlichen Betrieben, Seil- und Zahnradbahnen, Massenbeförderungsmitteln und in den dazugehörigen Stationen, Bahnsteigen, Haltestellen, Bahnhöfen und Flughäfen sowie deren jeweiligen Verbindungsbauwerken in geschlossenen Räumen

  • § 4 Abs. 1: Kunden in geschlossenen Räumen öffentlicher Apotheken, im Lebensmitteleinzelhandel (inklusive Verkaufsstätten von Lebensmittelproduzenten und Tankstellen mit angeschlossenen Verkaufsstellen von Lebensmitteln), von Banken und Postgeschäftsstellen sowie von Postdiensteanbietern inklusive deren Postpartnern, bei Verwaltungsbehörden und -gerichten

  • § 5 Abs. 4 Z 1, 2: bei Abholung in der Gastronomie und bei Imbiss-und Gastronomieständen im geschlossenen Bereich

  • § 9 Abs. 1: an Arbeitsorten bei Kundenkontakt und bei Parteienverkehr in geschlossenen Räumen

  • § 9 Abs. 3: detto, FFP2-Maske

  • § 12 Abs. 5 Z 3: bei Versammlungen mit mehr als 100 Teilnehmern in geschlossenen Räumen

  • § 12 Abs. 5 Z 4: detto bei Zusammenkünften zu beruflichen Zwecken, wenn diese zur Aufrechterhaltung der beruflichen Tätigkeit erforderlich sind

  • § 12 Abs. 5 Z 5-7: bei Zusammenkünften von Organen politischer Parteien, Organen juristischer Personen sowie nach dem Arbeitsverfassungsgesetz

  • § 16 Abs. 4: auf Gelegenheitsmärkten, auf denen lediglich Waren, Speisen oder Getränke zum Verkauf angeboten werden, in den geschlossenen Räumen

Absonderlichkeiten enthalten

Die Personenregistrierung fällt (ausgenommen Wien) mit 22. Juli. Das alles ist einfach nachzuvollziehen und einzuhalten. Oder doch nicht? Die Verordnung enthält nämlich wieder eine Menge an Absonderlichkeiten, deren Sinnhaftigkeit beziehungsweise Verhältnismäßigkeit hinterfragt werden kann. Ein paar Beispiele:

Nach wie vor nicht definiert wird der zentrale Begriff der "Betriebsstätte". Religiöse Andachtsräume darunter zu subsumieren (§ 4 Abs. 2 Z 2), zeugt von wenig Sensibilität.

In seinen Erläuternden Bemerkungen zur Verordnung erklärt das Sozialministerium, Vortragende hätten eine Maske zu tragen, und verweist dabei auf § 9 (Arbeitsorte). Das kann wohl für selbständige Trainer nicht gelten. Im Hinblick auf die Wieder-Öffnung des körpernahen Klubbetriebes (§ 5 Abs. 1 Z 2) scheint die Sichtweise darüber hinaus generell nicht verhältnismäßig. Wer kann zum Beispiel einen Tag lang mit Maske vortragen, ohne dadurch selbst gesundheitlich beeinträchtigt zu werden?

Das komplizierteste Schmankerl indes erfolgt ganz zum Schluss. Im Rahmen der Ausnahmebestimmungen wird in § 19 festgehalten, dass die Öffnungsverordnung nicht für elementare Bildungseinrichtungen (wie Volksschulen) gilt, mit Ausnahme einiger §§, zu denen auch § 19 gezählt wird. Das soll heißen: Die Covid-19-Verordnung gilt nicht für solche Einrichtungen, aber die Ausnahmebestimmungen schon - dort steht aber auch, dass die Verordnung nicht für diese Einrichtungen gilt. . .

Da hat uns das unbekannte Autorenteam der Verordnung also ein veritables Sommerrätsel hinterlassen. Wer von den geschätzten LeserInnen zur Aufklärung beitragen möchte, möge dem Autor bitte ein E-Mail senden (klaus.voegl@gmail.com).

Sie sind anderer Meinung?

Diskutieren Sie mit: Online unter www.wienerzeitung.at/recht oder unter recht@wienerzeitung.at

Zum Autor~ Eine editierte Version der jeweils gültigen Covid-Verordnung samt unabhängigen Fach-FAQs finden Sie auf www.eventpool.at.