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Öffentliche Vergabe und das Recht auf Information

Von Berthold Hofbauer und Stefan Mathias Ullreich

Recht
Mit Aufhebung der bisher verfassungsrechtlich gewährleisteten Amtsverschwiegenheit soll auch das Spannungsverhältnis mit der grundsätzlichen Auskunftspflicht der Verwaltung gelöst werden.
© adobe.stock / magele-picture

Zu einer gesetzeskonformen Vergabe-Compliance zählen auch die Informationsfreiheit und der Schutz von Whistleblowern.


Die Sicherstellung einer proaktiv gelebten und dokumentiert "sauberen" Vergabekultur ist gesetzliche Verpflichtung und (letztlich) auch eine Imagefrage der öffentlichen Hand. Für eine gesetzeskonforme Vergabe-Compliance gilt es, drei zentrale Säulen umzusetzen: die Compliance-Regelungen des BVergG 2018 (Bundesvergabegesetz), das Informationsfreiheitsgesetz und die Whistleblower-Richtlinie. Im ersten Teil (am 23. Juli in der "Wiener Zeitung" erschienen) wurden die Compliance-Regelungen gemäß BVergG 2018 beleuchtet. Der gegenständliche Beitrag befasst sich nun mit den (sonder-)rechtlichen Compliance-Verpflichtungen in der Vergabe.

Generell höhere Transparenz

Mit Aufhebung der bisher verfassungsrechtlich gewährleisteten Amtsverschwiegenheit soll nicht nur das Spannungsverhältnis mit der grundsätzlichen Auskunftspflicht der Verwaltung gelöst, sondern auch die Transparenz in Österreich generell erhöht werden. Dies soll unter anderem durch das geplante Informationsfreiheitsgesetz (IFG) beziehungsweise durch die Verankerung umfangreicher Veröffentlichungs- und Informationspflichten realisiert werden.

Berthold Hofbauer ist Partner bei Heid & Partner Rechtsanwälte und Experte im Vergaberecht, in der vergabe- und vertragsrechtlichen Verankerung von Nachhaltigkeitszielen und in der Vergabe-Compliance. Weiters ist er auf das Nachhaltigkeitsrecht spezialisiert.
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Die Änderungen beschäftigen auch das österreichische Beschaffungswesen: Mit dem IFG werden nun zusätzlich (proaktive) Veröffentlichungspflichten für öffentliche Auftraggeber und das jedermann zustehende Recht auf Informationszugang normiert. Durch das geplante IFG soll somit auch die Kontrollmöglichkeit des Beschaffungsverfahrens ausgeweitet werden.

Stefan Mathias Ullreich ist Leitender Prokuraturanwalt (Geschäftsfeld V - Infrastruktur und Beschaffung) bei der Finanzprokuratur, dem Anwalt und Berater der Republik Österreich. Seine Beratungsschwerpunkte liegen im Vergaberecht, EU-Recht und allgemeinen Zivilrecht.
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Direktvergaben begründen

Während nachträgliche Überprüfungen bisher nur vor Gericht durch andere Bieter oder den Rechnungshof (RH) erfolgen konnten, soll dies nun jeder Person möglich sein. Damit kann grundsätzlich jeder, unabhängig von der Eigenschaft als Mitbewerber oder einer konkreten Betroffenheit, Informationen über einen Beschaffungsprozess verlangen.

Das IFG soll im Hinblick auf "Informationen von allgemeinem Interesse" auch außerhalb des Anwendungsbereichs des BVergG 2018 für öffentliche Beschaffungsvorgänge ab einem Auftragswert von 100.000 Euro gelten. Dies kann Studien, Gutachten und Stellungnahmen, die von informationspflichtigen Organen in Auftrag gegeben wurden, aber auch sonstige Verträge betreffen. Im Anwendungsbereich des BVergG 2018 können Beschaffungsvorgänge unter diesem Wert zwar grundsätzlich formfrei durch Direktvergabe abgewickelt werden, jedoch sieht der RH schon jetzt gewisse Voraussetzungen vor, die eine Transparenz und einen fairen Wettbewerb gewährleisten sollen.

Einerseits müssen Direktvergaben genau begründet und dokumentiert werden, und andererseits soll der Auftraggeber - nach Wertgrenzen differenziert - Vergleichsangebote einholen. Zugleich soll mit dem IFG die Prüfungskompetenz des RH erweitert werden. Dieser soll zukünftig die Gebarung von Unternehmungen schon ab einer Beteiligung der öffentlichen Hand von 25 Prozent (anstatt bisher 50 Prozent) prüfen können.

Die Grenzen der Transparenzpflicht

Die Transparenzpflicht des IFG gilt jedoch nicht uneingeschränkt. Sie findet unter anderem dort eine Grenze, wo es um die Wahrung des Rechts auf den Schutz der personenbezogenen Daten, die Wahrung von Berufs-, Geschäfts- oder Betriebsgeheimnissen oder die Abwehr eines erheblichen wirtschaftlichen oder finanziellen Schadens der Organe geht. Hierbei hat der öffentliche Auftraggeber zukünftig eine Interessenabwägung vorzunehmen, ob im speziellen Fall berechtigte Interessen einer Informations- und Veröffentlichungspflicht entgegenstehen. Diese Entscheidung wird je nach Verfahrenswahl und konkreter Sachlage zu beurteilen sein, wobei als Hilfestellung die bisherige Judikatur zur Geheimhaltung herangezogen werden kann.

Ein Blick nach Deutschland gibt bereits konkretere Auskunft: So hat das deutsche Bundesverwaltungsgericht jüngst festgestellt, dass das "Informationsfreiheitsgesetz nicht durch Vorschriften der Vergabeverordnung verdrängt wird" (BVerwG, 15.12.2020 10 V 24.19). In der Praxis ist zum Beispiel folgendes Szenario denkbar: Ein unterlegener Bieter erkundigt sich beim Auftraggeber ein Jahr nach dem Zuschlag an seinen Konkurrenten, ob - und wenn ja, wie - der zugeschlagene Vertrag geändert wurde (etwa Zusatzbestellungen). Ziel dieser Anfrage könnte die Einbringung eines Antrags auf Nichtigerklärung oder eines Feststellungsantrags wegen unzulässiger Vertragsänderung sein (§ 365 BVergG 2018).

Was muss/darf/kann der Auftraggeber in diesem Fall antworten? Dies ist nur eine vieler neuer Fragen, die das IFG den öffentlichen Auftraggebern (und Sektorenauftraggebern) bringen wird.

Schutz des Hinweisgebers

Zusätzlich sorgt, als dritter Eckpfeiler einer transparenten Vergabe, die bis 17. Dezember 2021 umzusetzende Richtlinie (EU) 2019/1937 (Whistleblower-RL) für einen europaweit einheitlichen Mindestschutz für Whistleblower. Diese schützt Personen, die in ihrem beruflichen Kontext Verstöße gegen das Unionsrecht in bestimmten Bereichen - wie dem öffentlichen Auftragswesen - melden.

Die Verbesserung der Durchsetzung von Vorschriften über die Vergabe öffentlicher Aufträge war ein wesentliches Anliegen des Unionsgesetzgebers bei der Schaffung der Whistleblower-RL. Öffentliche Auftraggeber haben verpflichtend ein internes Whistleblower-System einzurichten und müssen Meldungen von Arbeitnehmern entgegennehmen und verarbeiten. Neben Anforderungen an die Zugänglichkeit und Effektivität des Systems hat es vor allem unabhängig zu sein und die Identität des Whistleblowers zu wahren. In Frage kommen etwa ein Beschwerde-Briefkasten, eine Telefon-Hotline oder ein Ombudsmann.

Der Whistleblower muss vor jeder Art von Repressalien wie einer Kündigung, Gehaltsminderung oder Teilnahme-Versagung an Weiterbildungsmaßnahmen geschützt werden. Zusätzlich haben bestimmte Behörden externe Meldekanäle einzurichten, die es Whistleblowern ermöglichen, Rechtsverstöße auch außerhalb der Unternehmenshierarchie zu melden.

Neben den bisherigen Compliance- und Dokumentationspflichten wird durch das IFG und die Umsetzung der Whistleblower-RL das bestehende Transparenzgefüge des öffentlichen Auftragswesens noch zusätzlich erweitert.

Appell der EU-Kommission

Der Auftraggeber unterliegt zukünftig einer (proaktiven) Informations- und Veröffentlichungspflicht, die sich im entsprechenden Appell der EU-Kommission verdeutlicht (Bekanntmachung vom 18.3.2021, 2021/C 91/01): "Die Bürger und Bürgerinnen haben ein Recht darauf, dass öffentliche Gelder auf die effizienteste, transparenteste, verantwortungsvollste und fairste Weise ausgegeben werden, dass sie hochwertige öffentliche Dienste in Anspruch nehmen und öffentlichen Einrichtungen letztlich weiterhin ihr Vertrauen schenken können. Für die Auftragsvergabe zuständige Bedienstete [. . .] sind aufgerufen, diesen weiteren Schritt zu gehen und diese zusätzlichen Anstrengungen zu unternehmen, um sicherzustellen, dass die öffentlichen Mittel sinnvoll eingesetzt werden."

Gehen wir diesen Schritt gemeinsam. Für eine stabile, revisionsfeste und transparente öffentliche Vergabe und letztlich für ein stabiles Staatsgefüge, das vom Souverän getragen und auch finanziert wird: den Bürgerinnen und Bürgern.

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Am 30. Juli ist an dieser Stelle der erste Teil der Autoren zum Thema Vergabe-Compliance erschienen.