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Sollen wir unser Kind impfen lassen oder nicht?

Von Katharina Braun

Recht

Die Schutzimpfung gegen Covid-19 für Kinder wird vor allem bei getrennt lebenden Eltern oft zum Grabenkampf.


Die Debatte um die Impfung spaltet derzeit die Gemüter. Dieses Thema ist mit vielen Ängsten und  Variablen verbunden.

Wenn schon die allgemeine Debatte zu dem Thema  unter Freunden mitunter  schwierig ist, so wird dies noch einmal konfliktbehafteter, wenn Eltern über die Impfung ihres gemeinsamen Kindes diskutieren. Bereits ansonsten recht harmonisch miteinander verbundene Eltern können sich hier heftig in die Haare geraten. Zu einem Grabenkampf der hässlichsten Art wird die Impfdiskussion leider oft bei getrennt lebenden Eltern. Bei vielen Trennungen war ja gerade die unterschiedliche Lebenseinstellung der Grund für die Separation. Eine Differenz der Eltern, die bei diesem Thema nun  wieder voll entflammt - leider auf dem Rücken der Kinder.

Aktuell ist nun für die Altersgruppe ab zwölf Jahren neben dem Impfstoff von Biontech/Pfizer auch jener von Moderna zugelassen. Klar ist: Sind sich Eltern über die Covid-19-Impfung ihres unmündigen, minderjährigen Kindes und den Impfstoff einig, so wird grundsätzlich geimpft. Der Arzt wird jedoch dann von der Impfung absehen, wenn sich das Kind selbst beim Impftermin weigert und eindeutig zu verstehen gibt, dass es nicht geimpft werden möchte. Der Kindeswille ist grundsätzlich zu beachten.

Alleinige Obsorge

Hat ein Elternteil die alleinige Obsorge, so kann dieser alleine über die Impfung des Kindes entscheiden. Der andere Elternteil  ist über die Impfung zu informieren.

Gemeinsame Obsorge

Bei der gemeinsamen Obsorge kann grundsätzlich jeder Elternteil das Kind impfen lassen. Für den Arzt, vorausgesetzt, das Kind selbst spricht sich nicht eindeutig gegen die Impfung aus, reicht die Zustimmung eines Elternteils.

Der der Impfung nicht zustimmende Elternteil kann bei Gericht versuchen, diese abzuwenden. Und zwar, indem er (gesundheitliche) Gründe des Kindes (zum Beispiel eine Allergie), die gegen die Impfung sprechen, ins Treffen führt. Dies verbunden mit den erforderlichen Anträgen zur Erlassung Einstweiliger Maßnahmen. Eine derartige Einstweilige Maßnahme  könnte etwa die Auferlegung einer gemeinsamen Erziehungsberatung sein, bei der,  allenfalls unter Hinzuziehung eines medizinischen Experten, Pros und Contras einer Impfung für das Kind abgewogen werden.

Wenn die Erziehungsberatung keinen Konsens bringt, wird letztlich wohl ein medizinisches Gutachten den Ausschlag geben. In dem Gutachten wird unter anderem zu berücksichtigen sein, ob das Kind einer  Covid-19-Risikogruppe angehört und ob medizinische Indikationen gegen die Impfung sprechen.

Entscheidung in medizinischen Belangen

Grundsätzlich umfasst die Obsorge auch die Entscheidung in medizinischen Belangen. Wenn sich jedoch zum Beispiel ein mündiges, minderjähriges Kind impfen lassen möchte, ein Elternteil diese Impfung aber partout nicht will, obwohl keine konkreten Gründe dagegen sprechen, könnte dies dazu führen, dass diesem Elternteil im Bereich der medizinischen Belange die Obsorge entzogen wird. Die Entscheidung in medizinischen Belangen käme dann dem anderen Elternteil künftig alleine zu.

Gemeinsame Auseinandersetzung wichtig

Generell ist eine gemeinsame Auseinandersetzung mit dem Thema Impfung, begleitet von Professionisten, äußerst ratsam.  Dafür bedarf es nicht der Einleitung eines Gerichtsverfahrens. Ein Gespräch, bei dem die Eltern versuchen, einander zuzuhören, aussprechen zu lassen, und bei dem die  einzelnen  Argumente abgewogen werden. Eine fundierte, abgestimmte Entscheidung entlastet nicht zuletzt vor allem das Kind und nimmt diesem Ängste.  Zu bedenken ist, dass Ängste der Impfperson auch Auswirkung auf allfällige Impfreaktionen haben können. 

Klar ist, dass beim Auftreten heftiger Nebenwirkungen  (wobei es mitunter schwierig sein wird, festzustellen, ob für diese tatsächlich die Impfung ursächlich war), der der  Impfung widersprechende Elternteil diese zum Anlass nehmen wird, einen heftigen Pflegschaftsstreit vom Zaun zu brechen. Das Kind leidet dann nicht nur an den Nebenwirkungen, sondern auch unter dem Streit seiner Eltern. Auch vor diesem Hintergrund empfiehlt es sich also dringend, dass sich Eltern betreffend der Impfung möglichst abstimmen. Die Erziehungsberatung sollte auch dazu genutzt werden, einzelne Risiken wie etwa ein (Auslands)-Feriencamp des Kindes gemeinsam zu besprechen.

Ab 14 kann das Kind selbst entscheiden

Ist das Kind mündig, also ab 14 Jahren, kann es selbst entscheiden, ob es sich impfen lassen möchte oder nicht. Das Kind kann sich also auch ohne Zustimmung der Eltern impfen lassen.  Die Impfärzte sind angehalten, Jugendliche verstärkt über die Impfung alters- und entwicklungsgerecht aufzuklären.

Gesundheitsminister Wolfgang Mückstein (Grüne) empfiehlt aktuell die Covid-19-Impfung für Jugendliche. Das deutsche Robert Koch-Institut hält diese für Kinder und Jugendliche im Alter von 12 bis 17 Jahren für sinnvoll, bei welchen aufgrund von Vorerkrankungen ein erhöhtes Risiko besteht. Eine generelle Impfempfehlung für Jugendliche spricht das Robert Koch-Institut laut deren Homepage  (noch) nicht aus. Denn Daten, welche der deutschen ständigen Impfkommission (Stiko) betreffend Kinder und Jugendliche vorliegen, sind derzeit noch begrenzt.

Eine Empfehlung stellt im Normalfall für Eltern keine Verpflichtung dar, ihr Kind impfen zu lassen. Hier kommt es aber eben immer auf den Einzelfall an. Mitunter kann aufgrund eines erhöhten Risikos eine "Risiko-Nutzen"-Abwägung im Einzelfall doch eben eindeutig für eine Impfung sprechen und könnte eine Zustimmung der Eltern zur Impfung allenfalls  vom Gericht ersetzt werden.