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Die Modernisierung des Kartellrechts

Von Dieter Hauck

Recht

Neben neuen Regeln für Fusionen und Marktmacht in digitalen Märkten spielt auch Nachhaltigkeit eine Rolle.


Die Novelle 2021 soll das österreichische Kartell- und Wettbewerbsrecht an die Anforderungen der Gegenwart anpassen. Neben Änderungen für Zusammenschlüsse und Marktmachtmissbrauchsregelungen soll dem Gedanken der Nachhaltigkeit Raum gegeben werden und die europäische Richtlinie zum European Competition Network (ECN) umgesetzt werden.

1.Kontrolle von Fusionen - Zweite Inlandsschwelle

Seit vielen Jahren wurde kritisiert, dass auch internationale Fusionen unter die österreichische Zusammenschlusskontrolle fallen, wenn die vorgesehene Inlandsschwelle von 30 Millionen Euro von nur einem Unternehmen erreicht wurde. Damit wurden auch Fusionen anmeldepflichtig, bei denen das Zielunternehmen gar keine Umsätze in Österreich machte. Dies wurde nun dahingehend abgeändert, dass zumindest zwei betroffene Unternehmen (also etwa der Käufer und das Zielunternehmen) jeweils mindestens einen Inlandsumsatz von 1 Million Euro in Österreich haben müssen. Dies dürfte die Zahl der meldepflichtigen Fusionen erheblich reduzieren. Aufgrund eines möglichen Redaktionsversehens in den Übergangsvorschriften ist allerdings nicht klar, ob diese Regelung mit Kundmachung (Anfang September) oder erst für nach dem 31. Dezember 2021 angemeldete Fusionen Anwendung findet.

Für die materielle Beurteilung von Fusionen galt bisher im österreichischen Zusammenschlussrecht ein Marktbeherrschungstest - es wurde also überprüft, ob eine marktbeherrschende Stellung geschaffen oder verstärkt würde. Dies wurde nun um das alternative Kriterium erweitert, ob "sonst wirksamer Wettbewerb erheblich behindert werden kann". Dieser sogenannte SIEC-Test (Significant Impediment to Effective Competition) entspricht der Praxis im europäischen Zusammenschlussrecht. Auch wenn der SIEC-Test positiv ausfällt, kann eine Fusion unter bestimmten Voraussetzungen genehmigt werden. Dass in Österreich nun beide Tests parallel angewendet werden sollen oder können, könnte in der Praxis komplex Fragen aufwerfen.

Weiters hat die Bundeswettbewerbsbehörde nunmehr eine Kopie der Zusammenschlussanmeldung auch ans Bundesministerium für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort zur Überprüfung nach dem Investitionskontrollgesetz zu übermitteln. Die diesbezüglichen Kontrollen werden also verschärft. Zu guter Letzt wurde auch die Anmeldegebühr für Zusammenschlüsse von 3.500 auf 6.000 Euro erhöht. Diese Erhöhung ist wirksam für Fusionen, die nach dem 31. Dezember 2021 angemeldet werden.

2.Marktmachtmissbrauch in digitalen Märkten

In einem neuen Verfahren können nunmehr die Amtsparteien, also die Bundeswettbewerbsbehörde, der Bundeskartellanwalt und Regulatoren beim Kartellgericht, ein Verfahren einleiten, das die Marktbeherrschung eines Unternehmens auf einem mehrseitigen digitalen Markt feststellen soll. Dazu muss gar nicht ein Missbrauch einer solchen Marktbeherrschungsposition behauptet werden. Bei der Feststellung soll für Unternehmen, die als Vermittler auf digitalen Märkten tätig sind, auch berücksichtigt werden, ob die Nachfrager ihrer Vermittlungsleistungen auf die Geschäftsbeziehung zur Vermeidung schwerwiegender betriebswirtschaftlicher Nachteile angewiesen sind.

3.Nachhaltigkeit und Verbraucherbeteiligung

Bereits bisher waren bestimmte wettbewerbsbeschränkende Praktiken erlaubt, die unter angemessener Beteiligung der Verbraucher am entstehenden Gewinn zur Verbesserung der Warenerzeugung oder -verteilung oder zur Förderung des technischen oder wirtschaftlichen Fortschritts beitrugen, ohne dass nicht nötige Beschränkungen auferlegt wurden.

Eine derartige angemessene Verbraucherbeteiligung soll nunmehr auch vorliegen, wenn der Gewinn, der aus der Verbesserung der Warenerzeugung oder -verteilung oder der Förderung des technischen oder wirtschaftlichen Fortschritts entsteht, zu einer ökologisch nachhaltigen oder klimaneutralen Wirtschaft wesentlich beiträgt. Dies soll Kooperationen erleichtern, die ökologisch erwünscht oder zur Bewältigung der Klimakrise sinnvoll erscheinen.

4.European Competition Network (ECN)

Mit der sogenannten ECN-Richtlinie 2018 sollten die Wettbewerbsbehörden der Mitgliedstaaten bei der Durchsetzung der Wettbewerbsvorschriften gestärkt und damit das reibungslose Funktionieren des Binnenmarktes gewährleistet werden. In diesem Sinne wurden nun folgende sehr praxisrelevante Bestimmungen aufgenommen:

Die Bundeswettbewerbsbehörde kann nun Geldbußen bis zu einem Höchstbetrag von 1 Prozent des weltweiten Gesamtumsatzes für Unternehmen verhängen, die im Rahmen einer Hausdurchsuchung vorgesehene Amtshandlungen der Bundeswettbewerbsbehörde nicht dulden oder ein dabei angebrachtes Siegel beschädigen oder ablösen. Während nach europäischem Wettbewerbsrecht schon bisher sehr hohe Strafen für Siegelbruch angedroht waren und verhängt wurden, war dieser nach österreichischem Recht bisher nur strafrechtlich, also gegen individuelle Personen sanktionierbar (§ 272 StGB).

Ausdrücklich wird nun ebenfalls geregelt, dass Geldbußen gegen Unternehmer zu verhängen sind, die ein an einer Zuwiderhandlung beteiligtes Unternehmen zum Zeitpunkt der Zuwiderhandlung betrieben haben, als rechtliche Nachfolger danach betreiben oder in wirtschaftlicher Kontinuität fortführen. Weiters können Geldbußen auch gegen Muttergesellschaften verhängt werden, die zu derselben wirtschaftlichen Einheit gehören wie ein an einer Zuwiderhandlung beteiligtes Unternehmen.

5.Informelle Anfragen

Ebenso ausdrücklich ist nun geregelt, dass Unternehmer die Bundeswettbewerbsbehörde um informelle Einschätzungen zum Kartellverbot oder zur Zusammenschlusskontrolle ersuchen können. Kommt die Bundeswettbewerbsbehörde zur Einschätzung, dass für sie im Rahmen ihres Aufgriffsermessens kein Anlass für weitere Ermittlungen besteht, kann sie dies den Unternehmen unter dem Vorbehalt neu auftretender Erkenntnisse mitteilen. Darüber hinaus kann sie - was sie auch bisher getan hat - allgemeine Standpunkte über die Ermessensausübung zu ihrer Aufgriffsbefugnis erlassen.

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