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Russland-Sanktionen und Universitäten

Von Peter Hilpold

Recht
Viele der russischen Wissenschafterinnen und Wissenschafter stehen kritisch zu ihrer Regierung.
© adobe.stock / Piotr Wytrazek

Bei Sanktionen sollte man zwischen der staatlichen/institutionellen Ebene und dem individuellen Bereich differenzieren.


In der vergangenen Woche ist auch in Österreich ein intensiver Disput darüber entbrannt, wie die Universitäten und die Forschungseinrichtungen auf den russischen Angriff auf die Ukraine reagieren sollen. Dieser Diskurs bietet einen wichtigen Anlass für eine Auseinandersetzung mit Sinn und möglicher Reichweite von Sanktionen. So deutlich wie in wenigen anderen Bereichen zeigt sich hier die Notwendigkeit, bei Sanktionen zwischen der staatlichen/institutionellen Ebene und dem individuellen Bereich zu differenzieren.

Was die institutionelle Zusammenarbeit mit Universitäten anbelangt, ist es nur zu plausibel, dass diese Kooperation weder rechtlich noch politisch noch überhaupt faktisch von generellen Sanktionen ausgenommen werden kann. Denn sie sind integrierender Teil staatlicher Strukturen eines Landes, das zur Einhaltung grundlegender völkerrechtlicher Prinzipien gemahnt werden muss.

Nicht einmal an der Wahlurne frei

Davon ist aber die individuelle Ebene zu unterscheiden. Gerade im wissenschaftlich-universitären Bereich kann und muss verdeutlicht werden, dass die Sanktionen auf die politisch Verantwortlichen für absolut intolerable Aktionen zielen. Nicht hingegen auf die Menschen eines Landes, auf die Bürgerinnen und Bürger, die nicht einmal an der Wahlurne die Möglichkeit hatten, durch hinreichend freie Stimmabgabe Verantwortung zu übernehmen.

Ein besonderes Problemfeld stellen dabei die zahlreichen russischen Wissenschafterinnen und Wissenschafter dar, die sich gegenwärtig im Ausland befinden beziehungsweise denen es vielleicht in Zukunft gelingt, ihr Land zu verlassen. Viele von diesen stehen kritisch zu ihrer Regierung. Sie erfüllen aber oft nicht die Voraussetzungen, um als Flüchtlinge anerkannt zu werden. Es entwickelt sich eine Art "academics in orbit". Für diese wären rasch Sonderförderungsprogramme an den Universitäten mit verlängerten Aufenthaltsrechten zu schaffen.

In gleichem Maße beziehungsweise umfangmäßig natürlich noch viel intensiver sollten solche Programme für ukrainische Wissenschafterinnen und Wissenschafter zur Verfügung stehen. Abgesehen vom erheblichen intellektuellen Potenzial, das den europäischen Universitäten damit zugutekäme, könnte die freie Welt damit zeigen, dass sie auf der Seite der Menschen steht, unabhängig vom Verhalten der Regierungsverantwortlichen. Und zudem könnten damit Perspektiven geboten werden für die "Zeit danach", die es geben muss, und die wir schon jetzt im Auge haben müssen.

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