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Wenn Laien richten

Von Nikolaus Lehner

Recht
Eine der Problematiken der Laiengerichtsbarkeit ist, dass der Wahrspruch der Geschworenen nicht begründet werden muss.
© adobe.stock / Alexander Limbach

Über die Geschichte der Geschworenengerichtsbarkeit von ihren Anfängen bis zu aktuellen Reformdiskussionen.


Nachdem bisher die rechtshistorische Forschung vom Narrativ der juristischen Professionalisierung beherrscht war, haben die Herausgeber Gerald Kohl und Ilse Reiter-Zatloukal des Werkes "Laien in der Gerichtsbarkeit" zuletzt eine Tagung veranstaltet, in deren Zentrum die juristischen Laien standen.

Für die Konzeption dieser Tagung war der Gedankenaustausch der Herausgeber mit dem Obmann der Fachgruppe Strafrecht in der Vereinigung österreichischer Richter, Landesgerichtspräsident Friedrich Forsthuber, sehr bedeutend. Als Mitveranstalter wurde die Forschungsstelle Nachkriegsjustiz beim Dokumentationsarchiv des Österreichischen Widerstandes sowie die Vereinigung der fachmännischen Laienrichter Österreichs eingeladen.

Gegenständlicher Sammelband schließt an die bisherigen zwei Bände an. Diese sind das Ergebnis der Veranstaltungen des Instituts für Rechts- und Verfassungsgeschichte in Kooperation mit juristischen Berufsvereinigungen wie der Vereinigung der österreichischen Richter und der der österreichischen Staatsanwälte.

Fauler Kompromiss

Die Beiträge dieses Bandes thematisieren die verfassungsrechtlichen Grenzen einer Reform der Laiengerichtsbarkeit, weiters eine empirische Studie zum Gesamteindruck vom Geschworenenamt und die Laiengerichtsbarkeit im internationalen Rechtsvergleich.

Im Rahmen des dogmatischen Beitrags über die Reform der Laiengerichtsbarkeit ist der Knackpunkt der Problematik der gesetzlichen Bestimmung, dass der Wahrspruch der Geschworenen nicht begründet werden muss, was bekanntlich zu dem unerfreulichen, ja beklagenswerten Zustand führt, dass Rechtsmittel gegen Urteile der Geschworenengerichte aussichtslos sind. Die Begründungslosigkeit des Wahrspruchs stellt den Kernbereich der durch Art. 91 Abs. 2 B-VG garantierten Struktur des Geschworenengerichtsverfahrens dar. Für mich manifestiert sich die Möglichkeit des Moniturverfahrens als fauler Kompromiss und sollte alsbald ein Konsens zur Lösung dieses trostlosen Zustandes gefunden werden.

Die Defizite der Normen

Besonders angesprochen hat mich der Beitrag von Susanne Reindl-Krauskopf und Martin Kaplans über die Defizite der bestehenden Normen der Geschworenengerichtsbarkeit. Eine der Folgen des Umstandes, dass die Berufsrichter in der Verhandlung auf die Laienrichter Rücksicht zu nehmen haben, fördert dankenswerter Weise die Prozessgrundsätze der Mündlichkeit und Unmittelbarkeit. Wenn ich als Praktiker meine Zeit als Verteidiger reflektieren lasse, muss ich feststellen, dass dies oft von den Vorsitzenden des Geschworenengerichtes nicht entsprechend genügend wahrgenommen wurde.

Eine empirische Studie zur Einlassung der Geschworenen in ihr verantwortliches Amt zeigt auf, wie problembelastet die Tätigkeit eines Geschworenen im einzelnen erlebt wird.

Rechtsvergleich im Fokus

Einen weiteren Schwerpunkt dieses revolutionären Werkes bildet der Rechtsvergleich: Neben den Rechtsordnungen der Nachfolgestaaten der Habsburger-Monarchie wird die englische Juri rezipiert, und besonders informativ deklariert sich die Geschichte der Professionalisierung der Justiz in der Schweiz mit dem Zürcher Laienrichter als letzter Akt.

Weiters fand ich sehr gediegen die Analyse von Christoph Schmetterer über die Laien in der österreichischen Strafrechtspflege von 1848 bis 1918. Sogar die Laien in der österreichischen Handels- und Gewerbegerichtsbarkeit mit dem Beitrag des Herausgebers Gerald Kohl sowie die Laiengerichtsbarkeit zwischen Demokratie und Diktatur, also die Zeit von 1918 bis 1938, von der Herausgeberin Ilse Reiter-Zatloukal sind bemerkenswert.

Die formale und stilistische Vielfalt der Aufsätze sind ein Zeugnis für die unterschiedlichen Zugänge der Autoren. Allein die jeweiligen Kritiken verbunden mit den zukunftsgerichteten Ideen einer Fortentwicklung der Laiengerichtsbarkeit lohnt die Lektüre dieses bemerkenswerten Buches.

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