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Queere Rechtslinguistik ist sinnlos

Von Erwin Bader

Recht

Mit jeder neuen willkürlichen Linguistik droht der wissenschaftliche Diskurs mehr unterbrochen zu werden: eine Replik.


Man schaffe neue Ausdrücke und postuliere zugleich, dass nur jene Personen, welche kritiklos bereit sind, die aus einer bestimmten Ideologie abgeleiteten neuen Termini zu akzeptieren, als fachkompetent gelten – alle anderen Wissenschafter aber nicht: Mit jeder neuen willkürlichen Linguistik droht der wissenschaftliche Diskurs mehr unterbrochen zu werden. Ebenso wie jede künstlich geschaffene Linguistik wird als nächster Schritt oft ein lobbyistischer Druck auf die Medien und auf die Rechtsinstitutionen ausgeübt, ohne Legitimierung durch den Volkswillen Änderungen vorzunehmen, die in die falsche Richtung führen. Und alsbald wird eine anfänglich kleine Minderheit durch ihren Einfluss auf Medien und Rechtsprechung zu einem wesentlichen Faktor der gesamten Politik.

Da in den Diktaturen ein noch drastischerer Druck auf die öffentliche Meinung ausgeübt wurde, fällt dies heute zu wenig auf. Außerdem leben nur noch die Nachkommen jener Bevölkerung, deren Denkgewohnheiten durch die diktatorische Gleichschaltung der Medien verändert wurde. Trotz des anfänglich guten Willens nach dem Krieg sind auch heute die Menschen manipulierbar, sodass sie sich neuen Denkvorschriften ohne ersthafte Kritik unterwerfen, solange das neu geforderte Denken keine Ähnlichkeit mit den früheren Diktaturen zeigt.

So geschah es wohl, dass man problemlos die neu entstandene Gender-Ideologie zum neuen Maßstab der Political Correctness erheben konnte, und dass sich bald hinter dieser eine neue, den bisherigen Denkgewohnheiten noch fremdere Denkvorschrift offenbarte, deren quasi-formelle Proponenten sich zuletzt (vorläufig?) "LBGTIQ+"-Community nennen.

Hoffnung auf die Zukunft der Demokratie

Eine öffentliche Opposition gegen deren Ansichten wird immer schwieriger, was ich selbst erfuhr: Ich wurde 2019 offiziell an der Universität gemaßregelt, da ich vor Beginn meiner Lehrveranstaltung "ausgerechnet" auf ein Volksbegehren gegen die Einführung der "Ehe für alle" hinwies. Mir wurde daraufhin als seit 2009 im Ruhestand befindlicher Professor die mir zustehende Remuneration der Lehre entzogen, und ich zog mich resigniert aus der Lehre zurück. Aber da meine Hoffnung auf die Zukunft der Demokratie noch intakt ist und da ich durch den Gastkommentar "Denkanstöße für eine queere Rechtslinguistik" von Daniel Green und Martin Stegu aufgerüttelt wurde, schreibe ich diese Zeilen.

Es geht mir hier nicht um die Rechtsgeschichte bezüglich "gleichgeschlechtlicher Unzucht", sondern um die demokratiepolitische Rolle der "queeren" und ähnlicher Bewegungen. Die zunehmend dominante Rolle, welche heute Homosexuelle in der Unterhaltungsindustrie, in den Filmen und sonstigen Medien beanspruchen, stört mein sittlich-religiöses Empfinden ebenso wie die Verharmlosung von Untreue und käuflicher Liebe.

Die Entwicklung in den Demokratien führt leider zur immer geringeren "Zulassung kritischer Diskusalternativen", wofür es zahlreiche weitere Beispiele gibt. In letzter Zeit werden Personen, die behaupten, es gebe biologisch nur zwei Geschlechter, ebenso einer Zensur der informellen Gedankenpolizei ausgeliefert wie Personen, die Ansichten "wie in alten Zeiten" vertreten: zum Beispiel, dass Vorverurteilungen unrecht seien, oder dass die Gesetzgebung grundsätzlich zum Schutz der Ehe von Mann und Frau als Keimzelle der Familie und der Gesellschaft verpflichtet sei, zum Unterschied zu eingetragenen homosexuellen Partnerschaften. Die Evidenz, wonach homosexuelle Paare keine Kinder zeugen können, wird heute offiziell auf den Kopf gestellt.

Gewisse erzwungene Sprachregelungen

Jeder Bürger kennt zwar den Topos vom Kaiser ohne Kleider, aber trotzdem setzten Homosexuelle innerhalb der EU durch, dass die "Ehe für alle" überall eingeführt wurde. Polen wurde bestraft, unter anderem deshalb, weil dieser Staat nicht zur Anerkennung dieses "Menschenrechts" der Homosexuellen bereit ist, noch dazu mit astronomisch hohen Geldstrafen, die wider alle demokratische Legitimierung und Billigkeit verstoßen.

Dass in Österreich und Deutschland die gesamte Bevölkerung gewisse erzwungene Sprachregelungen gegen die gewachsene Sprache anerkennen muss, zeugt von einer gefährlichen diktatorischen Tendenz, welche die demokratische Diskursfähigkeit immer stärker lähmt. Die Bevölkerung macht (wenn auch zögerlich) mit, denn jede Person, die einen beruflichen Aufstieg erstrebt, will offenbar wenigstens nach außen so tun, als sei sie gegen alle Geschlechtsdiskriminierung. Sie ist froh darüber, durch die Annahme einer bloß äußerlichen Sprachregelung über diesen Verdacht erhaben zu scheinen.

Aber faktisch wird dadurch kaum das Sozialverhalten, sondern eher die Verstellungskunst gefördert, bis hin zur Verlogenheit. Ich beobachte mit großer Trauer, wie nach der Einführung der genderneutralen Sprache die ärgsten Formen der Aggression gegen Frauen nicht nur nicht abnahmen, sondern vielmehr sprunghaft zugenommen haben. Bis hin zum serienweisen Mord an Frauen, der dann oft verniedlichend als "Femizid" bezeichnet wird, quasi als sei diese Handlung analog zur Wirkung von Insektiziden. 

Manipulation von Kindern in der Schule

Problematisch ist auch die von der "LBGTIQ+"-Community geförderte Manipulation von Kindern in der Schule, teilweise ab dem Kindergarten, da die natürliche Entwicklung der Kinder dadurch schwerwiegend beeinträchtigt wird, während religiös motivierten Gruppen eine ideologisch neutrale, eher christliche, traditionsorientierte Arbeit in Schulen laufend erschwert wird. Man könnte fast von einem Trend zum geistigen Missbrauch der Kinder sprechen, zu einer Verführung unmündiger Kinder zu Denkweisen, deren Folgen möglicherweise fatal sein werden. Denn dass die kommende Generation noch weniger Kindernachwuchs anstreben wird als frühere Generationen, wird in der Öffentlichkeit sträflich verharmlost.

Ich möchte hier nur ein Argument unter vielen nennen: Wer soll denn die Pensionen der kinderlosen Personen erwirtschaften und bezahlen, außer den Kindern jener Mitbürger, von denen viele als Eltern mehrerer Kinder im Leben auf Konsum und Karriere verzichten mussten, damit deren Kinder danach womöglich den Nachkommen der kinderlos gebliebenen Karrieristen und Wohlstandsmenschen einen üppigen Lebensabend finanzieren? Jeder weiß, dass Kindermangel zur immer schwierigeren Finanzierbarkeit des Generationenausgleichs führen wird. Man wendet gegen dieses Argument fälschlich ein, die zunehmende Weltbevölkerung schade der Ökologie mehr als der Wohlstand, was nachweislich falsch ist. Wenn man außerdem argumentiert, dass ohnehin die Immigration hierzulande den Mangel an eigenen Nachwuchs als Beitrag zur Wirtschaftsleistung einschließlich Pensionssicherung ersetze, wird indirekt zugegeben, dass man keine Scheu hat, andere Völker für den eigenen Wohlstand auszubeuten.

Im Grunde ist das Problem der "LBGTIQ+"-Ideologie vor allem ihre sozial enge, hedonistisch-egoistische Ansicht, dass das sexuelle Bedürfnis und deren Regelung in der Ehe angeblich nur der gesellschaftlich geordneten sexuellen Befriedigung diene, aber Sex im Prinzip nichts mit der Zeugung und Förderung des Nachwuchses zu tun habe, weshalb gerade die nicht zum Nachwuchs geeigneten Formen eine besondere Förderung erhalten mögen. Diese Ideologie ist ein Produkt des Zeitgeistes, die in Verbindung mit der a priori naturschädigenden Habgier in unserer Zeitepoche die gesamte Gesellschaft durchdrungen hat: Die Folgen kommen zwar bereits durch die zunehmenden Wetter-Anomalien zum Ausdruck, aber obwohl man weiß, dass die letzte Station dieses Trends die Auslöschung der Menschheit sein könnte, wird jeder, der eine Umkehr fordert, als Spießer abgetan.

Verantwortungs- und Rücksichtslosigkeit als Hauptverursacher von Krisen

Es ist erschreckend, wie heute noch immer tabuisiert wird, dass die Verantwortungs- und Rücksichtslosigkeit der modernen westlichen Genussgesellschaft der Hauptverursacher der Umwelt- und Klimakrise ist. Technische Antworten allein werden die Welt nicht retten, weil auch die neuen Techniken die Natur weiter schädigen werden. Die Verdrängung dieses logisch durchaus erkennbaren Zusammenhanges, also die Tabuisierung "gelingt" am besten durch neue Sprachregelungen, welche das Denken der Menschheit hinreichend zu lähmen imstande sind. Dazu dient erstens die Skandalisierung mehrheitlich anständiger Menschengruppen und Ansichten, speziell des Christentums und der Kirchenvertreter, sowie zweitens die Verharmlosung von Genusssucht, Habgier und Verantwortungslosigkeit. Meines Erachtens erscheint erst aus dem Blickwinkel dieses verkehrten Zeitgeistes die "LBGTIQ+"-Ideologie als "besonders schützenswert".

Auch eine "queere" Rechtslinguistik scheint so gesehen nur ein weiterer Baustein jenes zeitgeistigen Denkens, der unvereinbar mit der Chance der Aufrechterhaltung der Erde ist. Das Recht soll nämlich nicht zum Vollstrecker der herrschenden Ideologie dienen, denn die Demokratie lebt – ebenso wie jede Wissenschaft – nur vom freien Diskurs im Dienste der Menschen und von der unverfälschten Gedankenfreiheit. Insbesondere wären auch mehr Respekt und mehr Freiheit für das heute öffentlich falsch dargestellte und oft verschmähte christliche Denken wünschenswert. Nur ein allgemeines Umdenken ist die Voraussetzung dafür, dass die Demokratie wieder mit Leben erfüllt wird und auch imstande sein wird, die existenzbedrohlichen Krisen der Zukunft zu bewältigen.

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