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Die Blickwinkel der Umgründungen

Von Holger Blisse

Recht

Eine Festschrift mit Besonderheit zum Genossenschaftsspaltungsgesetz.


Steuerrecht gilt als komplizierte Materie, die zudem einem steten Wandel unterliegt. (Arbeits-)Einkommen, (Unternehmens- und Kapital-)Erträge werden steuerrechtlich ebenso erfasst wie gesellschaftsrechtliche Umgründungen. Hierbei wirken die Vorschriften des Umgründungssteuergesetzes. Dieses berücksichtigt Verschmelzung, Umwandlung, Einbringung, Zusammenschluss, Realteilung und Spaltung und definiert jeweils den zugrunde liegenden Anwendungsbereich.

Immobilien gehören zum Anlagevermögen eines Unternehmens. Im Falle mehrerer Standorte im Eigentum des Unternehmens können zum Beispiel bei einer (teilweisen) Übertragung des Unternehmens und damit der Immobilien durchaus beträchtliche stille Reserven gehoben werden. Das Umgründungssteuergesetz soll steuerneutralisierend wirken, indem es eine steuerpflichtige Realisierung zwar nicht aufhebt, aber auf den späteren Zeitpunkt einer tatsächlichen Realisierung zum Beispiel durch Verkauf verschiebt.

27 renommierte Autorinnen und Autoren

An diesem kurzen Einblick wird deutlich, welch große Expertise erforderlich und notwendig ist, um Umgründungen erfolgreich (steuer)rechtlich zu begleiten. Selbst größere Unternehmen werden dabei auf externen Sachverstand zurückgreifen, wie ihn die rechts- und steuerberatenden Berufe und Wirtschaftsprüfer und -treuhänder zu bieten haben.

Als Steuerberater und Partner leitet Gottfried Sulz den Bereich Rechtsformgestaltung, Umgründung, Stiftungen und Körperschaftsteuer einer großen Steuerberatungsgesellschaft mit Hauptsitz in Wien und gehört als Mitglied dem Fachsenat für Steuerrecht der Kammer der Wirtschaftstreuhänder an. Ihm ist das Werk "Umgründungen und Immobilien" gewidmet.

An dieser Festschrift, herausgegeben von Klaus Hirschler, Professor für Rechnungswesen und Prüfung der WU Wien, selbst hier (Mit-)Autor von zwei Beiträgen, sowie von Karin Fuhrmann und Lukas Bernwieser, die im selben Unternehmen tätig sind wie der Jubilar, haben 27 renommierte Autorinnen und Autoren mit zusammen 18 Beiträgen mitgewirkt. Sie kommen aus Wissenschaft und Praxis von Steuerberatung, Wirtschaftsprüfung und Recht, und ihre Texte verteilen sich auf die thematische Schnittmenge (vier Beiträge) und jeweils separat auf Immobilien (sechs) und Umgründungen (acht).

Darunter finden sich, um Interesse für alle Texte zu wecken, Beiträge zu Baurecht und Einbringungen (Karin Fuhrmann, Gerald Kerbl und Bernhard Winkelbauer), Umgründung von Immobilien in verdeckte Kapitalgesellschaften (Klaus Hirschler und Lukas Bernwieser), zur Veräußerung von Immobilien durch steuerbefreite Körperschaften (Claus Staringer), zu steuerlichen Fragestellungen bei Forward-Transaktionen mit Immobilien (Eugen Strimitzer und Katrin Postlmayr) sowie zur Entgeltlichkeit oder Unentgeltlichkeit der Grundstücksübertragung (Nikolaus Zorn). Auch die Frage, ob eine Subsidiarität unter den Verlustzuordnungsobjekten bei Umgründungen (Martina Gruber und Martin Jann) besteht, wird beleuchtet. Zudem wird auf die Rückbeteiligung des Veräußerers beim Unternehmenskauf (Rainer Herzig) näher eingegangen, ebenso auf den Zins- und Ebitda-Vortrag bei Umgründungen (Gunter Mayr und Christoph Schlager) sowie die steuerliche Behandlung von Rechtsbeziehungen zwischen dem Einbringenden und der übernehmenden Körperschaft im Rückwirkungszeitraum (Hans Zöchling).

Gesetzliche Grenzen bei Genossenschaftsspaltungen

Der eher mit Kreditwirtschaft und Genossenschaften vertraute Rezensent möchte ergänzend zu einem Beitrag einen Gedanken einbringen: Susanne Kalss, Professorin am Institut für Unternehmensrecht an der WU Wien, geht in ihrem Text auf die nicht verhältniswahrende Spaltung von Genossenschaften gemäß Paragraf 8 Absatz 3 Genossenschaftsspaltungsgesetz ein.

Dabei entstände eine neue Genossenschaft, in der eine Gruppe von Mitgliedern der bestehenden Genossenschaft über andere Rechte verfügen würde als bisher. Die Zustimmung zu einer zum Beispiel vermögensrechtlichen Ungleichbehandlung erschiene plausibel bei einer Genossenschaft mit aktivem, untereinander persönlich bekanntem (Gründungs-)Mitgliederkreis.

Bei einer "alten" Genossenschaft mit im Laufe der Zeit gewachsenem Mitgliederkreis, dessen (Gründungs-)Mitglieder nicht mehr alle der Genossenschaft angehören, weil sie zum Beispiel ausgetreten oder verstorben sind, gelangt ein Genossenschaftsspaltungsgesetz an gewisse Grenzen. Denn die vorangehenden Generationen haben im Vertrauen auf den Fortbestand ihrer Genossenschaft auf zum Beispiel eine für sie günstigere Abfindung, wie sie statutarisch möglich gewesen wäre (Paragraf 55 Absatz 3 und Paragraf 79 Absatz 2 Genossenschaftsgesetz), verzichtet.

Widerspruch zum Grundsatz von "Treu und Glauben"?

Eine Gruppe von Mitgliedern kann bei einer nicht verhältniswahrenden Spaltung einen Teil der Substanz der Genossenschaft mit Zustimmung einer möglicherweise gestaltbaren Mehrheit verlagern und sich später aneignen, wie es Rainer van Husen bereits für die Liquidation einer Genossenschaft beschrieben hat ("Wem gehört das Genossenschaftsvermögen?", Verlag Österreich 1998, ab Seite 181).

Es ließe sich fragen, ob es zusätzlicher Vorkehrungen oder gar einer gesetzlichen Korrektur bedarf, insofern eine nicht verhältniswahrende oder überhaupt die Spaltung einer Genossenschaft dem Erhalt der vermögensrechtlichen Einheit der Genossenschaft widerspricht, wie sie Markus Dellinger in dem von ihm herausgegebenen Kommentar zum Genossenschaftsgesetz beschreibt (LexisNexis 2014, Paragraf 79 Randnummer 23).

Jedenfalls haben frühere Mitgliedergenerationen auf den Fortbestand ihrer Genossenschaft als Genossenschaft vertraut und auf einen Anteil am während ihrer Mitgliedschaft erwirtschafteten und nicht als Dividende oder Rückvergütung ausgeschütteten Gewinn auf Dauer, über die einzelne Mitgliedschaft hinaus, zu Gunsten ihrer eigenen Genossenschaft verzichtet. So betrachtet könnte auch ein Genossenschaftsspaltungsgesetz dem Grundsatz von "Treu und Glauben" widersprechen.

Der Beitrag von Susanne Kalss und die weiteren Beiträge in diesem Werk sind es, die als Schätze gelten dürfen, wie man sie eben oft nur in Festschriften findet; manchmal bewusst versteckt, damit sie nicht so leicht gefunden werden, manchmal durch die Festschrift erst entdeckt. So ist dieser Festschrift im Hinblick auf die vielen interessanten und den Arbeitsschwerpunkt des Jubilars betonenden Beiträge eine große Resonanz zu wünschen.

Dem Jubilar selbst sei herzlich zu diesem schönen Geschenk gratuliert und weiterhin viel Schaffenskraft gewünscht. Davon profitiert auch das im Linde Verlag (bis 2008 im Verlag Österreich) erscheinende "BFGjournal", dessen Chefredakteurin, die Leiterin des Evidenzbüros des Bundesfinanzgerichts, Angela Stöger-Frank, nach dem Vorwort die Festschrift mit den "Best of Umgründungen" eröffnet.

"Umgründungen und Immobilien" zum 60. Geburtstag von Gottfried Sulz ist 2022 im Linde Verlag erschienen. Die Festschrift umfasst 296 Seiten und kostet 65 Euro.