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Zukunftsmodell Untersuchungskommission

Von Stephan Lenzhofer

Recht

Das Parlament soll nicht ausgehebelt werden - aber können komplexe Fälle wie die Hypo von Politikern geklärt werden?


Als Irmgard Griss nach nicht einmal einem dreiviertel Jahr Arbeit Anfang Dezember 2014 den unter ihrer Ägide erstellten Bericht "zur transparenten Aufklärung der Vorkommnisse rund um die Hypo Group Alpe-Adria" präsentierte und die Diagnose eines Multiorganversagens stellte, geizten die meisten Kommentatoren nicht mit Lob. Die Qualität des Inhalts überraschte positiv - trotz oder vielleicht wegen der offensichtlich politisch motivierten Einsetzung und knappen Ressourcenausstattung.

Der Kärntner Landesfeiertag am kommenden Montag, der an den Verbleib großer Landesteile bei Österreich im Gefolge des Endes der Monarchie erinnert, wird in den Geschichtsbüchern wohl eine Zäsur in der Abwicklung der ehemaligen Landesbank und der Aufarbeitung ihres Niedergangs markieren: In Wien soll der Bericht des Untersuchungsausschusses der Öffentlichkeit vorgestellt werden. In Klagenfurt wird nicht nur eines von mehreren Hypo-Strafverfahren fortgeführt, sondern vielmehr offiziell bekanntgegeben werden, dass das Angebot zum Ankauf verschiedener Schuldtitel der (heute) Heta mit den entsprechenden Mehrheiten angenommen wurde und eine Pleite Kärntens damit (vorerst) vom Tisch ist. Ob Kärnten am Montag dennoch feiern kann, ist im Hinblick auf die Gesamtverschuldung des Landes von nunmehr rund fünf Milliarden Euro äußerst fraglich. All dies ist Grund genug für eine Analyse der Aufarbeitung des Niedergangs einer einst gepriesenen Bank.

Die Strafjustiz begann unmittelbar nach der Verstaatlichung Ende 2009 intensiv zu ermitteln. Erste strafrechtliche Verurteilungen von ehemaligen Hypo-Managern gab es im Februar 2013. Es folgten weitere, bis es im April 2015 auch zu den ersten Freisprüchen kam.

Verbleib der Millionen unklar

Das Urteil im ersten Fall, in dem jemand selbst Geld eingesteckt haben soll, dürfte bald gefällt werden. Die Staatsanwaltschaft konnte sonst bisher nicht wirklich klären, wohin die Millionen verschwunden sind. Vorwerfen kann man ihr das nicht. Sie hat auf dem damaligen Haupttätigkeitsfeld der Hypo, dem Balkan, keine Ermittlungsbefugnisse.

Die Arbeitsweise der Strafverfolgungsbehörden könnte nicht unterschiedlicher sein als jene des Untersuchungsausschusses. Der juristischen Aufarbeitung über viele Jahre mit Hausdurchsuchungen, beigezogenen Experten und hunderten Einvernahmen hinter verschlossenen Türen stand ein medial inszeniertes Spektakel gegenüber, bei dem man als Staatsbürger teilweise den Eindruck gewinnen konnte, die nächste Nationalratswahl wäre unmittelbar bevorgestanden.

Gespannt darf man auf die Qualität und den Inhalt des ersten Berichts eines Untersuchungsausschusses nach dessen Reform sein. Den Live-Tickern über die Einvernahmen der Auskunftspersonen zufolge und wenig überraschend werden die Parteien, sofern sie nicht überhaupt erst nach der Verstaatlichung der Hypo gegründet wurden beziehungsweise ihre Vertreter in maßgeblichen Positionen sitzen hatten, die Ursache für das Schlamassel wohl keinesfalls bei sich selbst sehen. Die Summe der Positionen der politischen Parteien wird aber wohl wieder unter dem von Irmgard Griss gewählten Schlagwort "Multiorganversagen" zusammengefasst werden können.

U-Ausschuss noch zeitgemäß?

Speziell im Vergleich mit der Griss-Kommission muss sich die erst jüngst reformierte Institution des Untersuchungsausschusses die Frage gefallen lassen, ob sie noch zeitgemäß ist. Könnten etwa vom Parlament eingesetzte, mit namhaften und unabhängigen, vielleicht sogar wieder vorwiegend ausländischen Experten besetzte Untersuchungskommissionen unaufgeregter, billiger und schneller qualitativ hochwertigere Ergebnisse bei der Aufarbeitung von Missständen erzielen und Verbesserungsvorschläge für die Zukunft machen?

Die Arbeit des Parlaments kann und soll aufgrund ihrer demokratischen Legitimation nicht ausgehebelt oder ersetzt werden. Trotzdem ist kritisch zu hinterfragen, ob die Verantwortung für derart komplexe Vorgänge wie den Niedergang einer Bank von Politikern dingfest gemacht werden können und sollen. Die Aufarbeitung krimineller Machenschaften wird immer der Justiz vorbehalten bleiben. Der bestimmt nicht unantastbare Bericht der Griss-Kommission hat aber gezeigt, dass sich die Einsetzung einer Untersuchungskommission abseits der Juristerei und der Gebarungskontrolle durch Rechnungshöfe für das Aufzeigen von (mangelnden) Entscheidungsstrukturen, Verantwortlichkeiten und Missständen durch weitgehend unabhängige Experten jedenfalls ausgezahlt hat.

Künftige Untersuchungskommissionen müssten, um entsprechende Ergebnisse liefern zu können, zunächst vollkommen unabhängig agieren können. Sie müssten mit einer umfassenden Kognitionsbefugnis ausgestattet sein, also nicht nur wie etwa Strafverfolgungsbehörden oder Rechnungshöfe Teilaspekte untersuchen dürfen. Sie sind auch mit entsprechenden Ermittlungsbefugnissen auszustatten, nämlich insbesondere der Möglichkeit, Auskunftspersonen umfassend vernehmen zu können, wie das bei Gerichten und Untersuchungsausschüssen der Fall ist. Auch Einschaurechte in alle nötigen schriftlichen Unterlagen wären selbstverständlich zu gewähren. Denkbar und bestimmt förderlich wäre schließlich die Möglichkeit der Beiziehung professioneller Forensiker, wie das bei unternehmensinternen Untersuchungen von Missständen mittlerweile üblich ist.

Es bleibt der Politik und letztlich den Wählern überlassen, die nötigen Schlüsse zu ziehen. Eine Institutionalisierung unabhängiger Untersuchungskommissionen würde Österreich guttun.

Der Beitrag gibt ausschließlich die eigene Meinung des Autorswieder.

Gastkommentar

Stephan Lenzhofer

studierte Rechts- und Politikwissenschaft und war als Assistent am Institut für Staats- und Verwaltungsrecht der Uni Wien tätig. Er ist derzeit Rechtsanwalt in Wien und mit der Vertretung in Gerichtsverfahren betreffend die ehemalige Hypo Alpe Adria Bank betraut.