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Einiges neu, vieles anders

Von Michael Hule, Gastbeitrag

Recht
© Fotolia/Björn Wylezich

Die wichtigsten Änderungen zur Erbrechtsnovelle, die mit 1. Jänner 2017 in Kraft tritt.


Wien. Mit 1. Jänner 2017 tritt das Erbrecht Neu in Kraft. Es bringt eine durchgreifende sprachliche Anpassung des zum Gutteil aus der Erstfassung des Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuches aus dem Jahre 1811 stammenden Gesetzestextes, aber auch einige formelle und inhaltliche Änderungen mit sich. Es wird damit keineswegs alles im Erbrecht neu, aber vieles anders. Eine Reihe von Änderungen betrifft nur neue letztwillige Verfügungen, einige Neuerungen geben aber Anlass zur Überlegung, ob nicht eine letztwillige Verfügung getroffen oder eine bestehende geändert werden sollte. Es sollte daher mit einem Rechtsanwalt oder Notar überlegt werden, ob aufgrund der Änderungen ein Testament errichtet oder abgeändert werden sollte. Einige praktisch bedeutsame Änderungen sind folgende:

1. Welches Erbrecht ist anzuwenden? 

Bereits seit 17. August 2015 ist die EU-Erbrechtsverordnung in Kraft. Danach ist für österreichische Staatsbürger nicht mehr ohne weiteres österreichisches Erbrecht anzuwenden, sondern nur dann, wenn diese entweder ihren gewöhnlichen Aufenthalt beim Ableben in Österreich haben oder sich letztwillig, zum Beispiel in einem Testament, für die Anwendung österreichischen Erbrechtes entscheiden. Andersfalls wird etwa bei einem gewöhnlich in Frankreich aufhältigen Österreicher französisches Erbrecht angewendet. Gleiches gilt für die Gerichtszuständigkeit. Das anzuwendende Recht ist für die Erbfolge und auch für die Pflichtteilsansprüche maßgeblich.

2. Welche Neuerungen bei Formalitäten gibt es?

Wie bisher kann eine letztwillige Verfügung, von Ausnahmefällen abgesehen, nicht nur vor Gericht, sondern auch "außergerichtlich", und zwar sowohl "eigenhändig", als auch "fremdhändig" errichtet werden. Bei der "eigenhändigen" letztwilligen Verfügung muss der Verfügende diese wie bisher eigenhändig, also nicht auf dem Computer, schreiben und eigenhändig mit seinem Namen unterschreiben. Bei der "fremdhändigen" letztwilligen Verfügung, also wenn etwa der beauftragte Rechtsanwalt diese aufsetzt, bleibt es beim Erfordernis, drei Zeugen beizuziehen, die auf der Urkunde mit einem auf ihre Eigenschaft als Zeugen hinweisenden Zusatz unterschreiben müssen. Neu ist allerdings, dass bei der "fremdhändigen" letztwilligen Verfügung alle drei Zeugen gleichzeitig anwesend sein müssen, deren Vor- und Familiennamen sowie Geburtsdaten aus der Urkunde hervorgehen müssen und der Zusatz über die Zeugeneigenschaft vom jeweiligen Zeugen eigenhändig geschrieben werden muss. Neu ist auch, dass der Verfügende einen eigenhändig geschriebenen Zusatz anfügen muss, dass die Urkunde seinen letzten Willen enthält. Die geänderten Formvorschriften gelten nur für nach dem 31. Dezember 2016 errichtete letztwillige Verfügungen.

3. Wer kann respektive kann nicht als Zeuge fungieren?

Der Kreis von Personen, die nicht rechtswirksam als Zeugen fungieren können, wurde erweitert. Nun sind weder der Erbe oder Vermächtnisnehmer selbst noch sein Ehegatte, eingetragener Partner oder Lebensgefährte, seine Eltern, Kinder, Geschwister, sowie die Eltern, Kinder und Geschwister des Ehegatten, eingetragenen Partners oder Lebensgefährten des Erben oder Vermächtnisnehmers taugliche Zeugen. Neu ist auch, dass "Machthaber" (Bevollmächtigte) und "Dienstnehmer bedachter Personen" nicht zeugnisfähig sind. Die Gesetzesmaterialien meinen mit "Machthaber" eine Person, die eine leitende Stellung mit selbständigem Entscheidungsraum, Wirkungskreis oder eigenen Kontrollbefugnissen innehat. Sonstige Vertreter, etwa solche, die rechtsberatend tätig werden, seien nicht erfasst.

4. Änderungen beim "wahren Willen".

Zur Auslegung von letztwilligen Verfügungen wird zwar weiterhin an den "wahren Willen" des Verstorbenen" angeknüpft, der aber nunmehr "im Wortlaut der Verfügung zumindest angedeutet sein muss." Weiters ist ein Motivirrtum (Irrtum über den angegebenen "Beweggrund") nur mehr relevant, wenn der Wille zur Verfügung "einzig und allein auf diesem irrigen Beweggrund beruht hat".

Die Reform bringt aber auch Erweiterungen: Mit Auflösung der Ehe, eingetragenen Partnerschaft oder Lebensgemeinschaft gelten nunmehr letztwillige Verfügungen zugunsten des früheren Partners als aufgehoben, außer der Verstorbene hat Gegenteiliges verfügt. Diese Aufhebungswirkung tritt auch dann ein, wenn der Verstorbene das Verfahren zur Auflösung der Ehe oder eingetragenen Partnerschaft bereits eingeleitet hat, und zwar ohne Rücksicht darauf, ob dieses erfolgreich gewesen wäre. Eine Ausnahme gilt für den Fall, dass bei Erbanfall ein auf Auflösung gerichtetes Verfahren anhängig ist und in diesem Verfahren eine Vereinbarung über die Aufteilung des Gebrauchsvermögens und der Ersparnisse getroffen wird.

5. Erbunwürdigkeit neu oder der Schutz vor Diebstahl.

Neu ist auch eine Erweiterung der Erbunwürdigkeit, bei deren Vorliegen dem präsumtiven Berechtigten die Erbschaft beziehungsweise das Vermächtnis nicht anfällt. Erbunwürdig ist nicht nur jemand, der gegen den Verstorbenen vorsätzlich eine gerichtlich strafbare Handlung begangen hat, die mit mehr als einjähriger Freiheitsstrafe bedroht ist, sondern auch (nachträglich) derjenige, der eine solche strafbare Handlung gegen die Verlassenschaft begeht. Dies wäre (ausgenommen bei einer Begehung im Familienkreis) zum Beispiel bei einer Unterschlagung oder einem Diebstahl zulasten der Verlassenschaft in einem 5000 Euro übersteigenden Ausmaß der Fall.

6. Lebensgefährten kommen nur subsidiär zum Zug.

Neu eingeführt wurde ein außerordentliches Erbrecht des Lebensgefährten, das allerdings erst dann zusteht, wenn kein gesetzlicher Erbe zur Erbschaft gelangt. Voraussetzung ist weiters, dass die Lebensgemeinschaft zumindest in den letzten drei Jahren vor dem Tod des Verstorbenen im Sinne eines Lebens im gemeinsamen Haushalt aufrecht war. Dass damit im Hinblick auf die Vielzahl sonstiger gesetzlicher Erben Lebensgefährten ohne letztwillige Verfügung in nennenswerter Anzahl zum Zug kommen, ist zu bezweifeln.

Auch beim gesetzlichen Vorausvermächtnis des Rechtes, in der gemeinsamen Wohnung weiter zu wohnen respektive den Hausrat zu benützen, schneidet der Lebensgefährte schlecht ab: Der Verstorbene darf dafür weder verheiratet noch (eingetragener Weise) verpartnert gewesen sein; überdies ist dieses Recht mit einem Jahre ab dem Tod des Verstorbenen befristet.

7. Neu: Das Pflegevermächtnis.

Aufgrund der steigenden Pflegebedürftigkeit älterer Menschen hat sich der Gesetzgeber zu einem besonderen gesetzlichen Pflegevermächtnis entschlossen. Dieses ist allerdings auf nahestehende Personen (gesetzliche Erben, deren Ehegatten, eingetragene Partner oder Lebensgefährten und deren Kinder sowie den Lebensgefährten des Verstorbenen und dessen Kinder) beschränkt. Die Pflege muss in den letzten drei Jahren vor dem Tod für zumindest sechs Monate in nicht bloß geringfügigem Ausmaß (durchschnittlich mehr als 20 Stunden Pflegeleistungen im Monat) erbracht worden sein. Die Pflege muss unentgeltlich geleistet worden sein. Praktische Schwierigkeiten wird die Bemessung des gesetzlichen Pflegevermächtnisses bereiten, weil sich dessen Höhe "nach Art, Dauer und Umfang der Leistungen" richtet. Hat der Verstorbene die Pflegeperson letztwillig bedacht, wird diese Zuwendung nicht auf den Pflichtteil angerechnet.

8. Vieles anders im Pflichtteilsrecht.

Pflichtteilsberechtigt sind nunmehr nur noch die Nachkommen und der Ehegatte beziehungsweise eingetragene Partner des Verstorbenen. Der Pflichtteil beträgt generell die Hälfte des nach der gesetzlichen Erbfolge Zustehenden. Der Pflichtteil kann wie bisher aus dem Nachlass, aber auch durch Zuwendungen aus einer Privatstiftung oder "vergleichbaren Vermögensmasse" oder durch Schenkungen abgedeckt werden. Als Geldpflichtteil kann er aber nun nicht mehr sofort, sondern (wiewohl mit gesetzlichen Zinsen von vier Prozent pro Jahr ab dem Todestag) erst ein Jahr nach dem Ableben des Verstorbenen gefordert werden. Der Pflichtteil kann durch letztwillige Verfügung beziehungsweise durch gerichtliche Entscheidung auf fünf respektive zehn Jahre gestundet werden.

Die Enterbungsgründe, also jene Gründe, aus denen der Pflichtteil durch letztwillige Verfügung entzogen werden kann, wurden erweitert. Nunmehr stellen auch vorsätzlich begangene gerichtlich strafbare Handlungen gegen nahe Angehörige des Verstorbenen, die mit mehr als einjähriger Freiheitsstrafe bedroht sind, ebenso einen Enterbungsgrund dar wie die gröbliche Vernachlässigung der familienrechtlichen Pflichten gegenüber dem Verstorbenen. Die Enterbung muss mittels letztwilliger Verfügung erfolgen, kann aber auch durch Übergehung des zu Enterbenden bewirkt werden. Erweist sich der Enterbungsgrund als nicht stichhaltig oder nicht ausreichend, wird die Setzung auf den Pflichtteil vermutet.

9. Neues Anrechnungsrecht und eine Überraschung.

Auf den Pflichtteil anzurechnen sind nicht nur Vermögenswerte aus Erbteil, Vermächtnis oder Schenkung auf den Todesfall, sondern auch solche, die nach dem Erbfall aus einer vom Verstorbenen errichteten Privatstiftung zugewendet werden. Allerdings müssen all diese Vermögenswerte nach den Gesetzesmaterialien dem Empfänger nicht so zukommen, dass dieser über den Substanzwert frei verfügen kann. Dies gilt für Schenkungen an Pflichtteilsberechtigte unbefristet, für Schenkungen an andere Personen für einen Zeitraum von zwei Jahren vor dem Ableben des Verstorbenen. Beim Wert der geschenkten Sache ist auf den Schenkungszeitpunkt abzustellen.

Zur Vermeidung von Überraschungen empfiehlt es sich, entweder die Erbfolge testamentarisch zu regeln oder in einer letztwilligen Verfügung Schenkungen, so gewünscht, von der Anrechnungspflicht auszunehmen.

Zum Autor:

Michael Hule ist Rechtsanwalt in Wien und Partner der Hule Bachmayr-Heyda Nordberg Rechtsanwälte GmbH.