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"Die Kernfamilie ist der Gewinner"

Von Petra Tempfer

Recht

Ohne Testament kann nun der gesamte Besitz an die angeheiratete Familie übergehen.


Wien. Um Bargeld gehe es beim Erben grundsätzlich nicht, sagte Michael Schwarz, Präsident der Rechtsanwaltskammer Niederösterreich, diese Woche vor Journalisten. Das finde man in kaum einer Verlassenschaft. "Der, der als Erster in die Wohnung eines Verstorbenen kommt, nimmt zuerst das Bargeld", sagte er. Alles das, was schließlich doch seinen Weg in die Verlassenschaft findet, reicht dennoch oft für einen Familienzwist aus. Die Erbrechtsnovelle, die 2015 im Nationalrat beschlossen wurde und mit 1. Jänner 2017 in Kraft tritt, macht Erben laut Schwarz nicht einfacher. Ganz im Gegenteil.

Sie berge zusätzliches Konfliktpotenzial. "Wir rechnen mit einer Zunahme von Streitereien, weil das Gesetz viele Detailfragen offenlässt und es noch keine Judikatur dazu gibt", sagte Schwarz. Er rät zu registrierten Testamenten, damit nicht auch Testamente aus der Wohnung verschwinden.

Gewinner der Erbrechtsnovelle sei jedenfalls die Kernfamilie, weil deren Pflichtteilsrecht gestärkt werde. Konkret ist es so, dass Eltern und Geschwister des Verstorbenen künftig nicht mehr pflichtteilsberechtigt sind. Nur Kinder und Ehepartner oder eingetragene Partner haben Anspruch auf den Pflichtteil.

Hat ein Erblasser kein Testament hinterlassen, kommt es zur gesetzlichen Erbfolge. Die Ehegattin erhält ein Drittel des Reinnachlasses (Vermögen abzüglich Verbindlichkeiten), die restlichen zwei Drittel werden auf die Kinder aufgeteilt. "Das kann in Zukunft dazu führen, dass der Familienbesitz bei Todesfall an die angeheiratete Familie übergeht. Das bringt großes Streitpotenzial mit sich", sagte Schwarz.

Verlierer der Novelle scheinen jedoch die Lebensgefährten zu sein. Deren angepriesenes, außerordentliches Erbrecht bezeichnete Schwarz als "Etikettenschwindel". Denn erst dann, wenn der Staat erben würde, weil es gar keine Verwandten mehr gibt, kommt der Lebensgefährte zum Zug.

Gesetzgeber war "mutig"

"Das außerordentliche Erbrecht wird in der Praxis außerordentlich selten eintreten", sagte dazu Christian Rabl, Rechtsanwalt und Universitätsprofessor am Juridicum in Wien, gegenüber Ö1. Und die Änderung, dass der Lebensgefährte künftig ein Jahr lang in der gemeinsamen Wohnung bleiben darf, komme eher einer verlängerten Kündigungsfrist gleich.

Dass Pflegeleistungen erstmals im Erbrecht anerkannt werden, sei indes "mutig" vonseiten des Gesetzgebers gewesen, so Rabl. Hier sieht die Änderung so aus, dass der pflegenden Person künftig ein gesetzliches Vermächtnis gebührt, wenn die Pflege an dem Verstorbenen in den letzten drei Jahren vor seinem Tod mindestens sechs Monate lang im Ausmaß von durchschnittlich mehr als 20 Stunden im Monat erbracht wurde - unentgeltlich.

Neu ist auch, dass künftig Schenkungen berücksichtigt werden. Schenkungen einer pflichtteilsberechtigten Person sind unbefristet anrechenbar, alle anderen zwei Jahre lang. Was auf den ersten Blick eindeutig erscheint, birgt auf den zweiten aber ebenfalls Konfliktpotenzial. Denn die Definition von Schenkung ist breit gefächert. "Zuwendungen aus Privatstiftungen zählen dazu und alles, was wirtschaftlich einer Schenkung gleichkommt", sagte Schwarz, "was auch immer das bedeutet." Grundsätzlich könne das zum Beispiel die Zusage sein, dass jemand bis zum Erreichen des Pensionsantrittsalters nicht gekündigt werden darf.

Die Rechtsanwaltskammer empfiehlt jedenfalls, sich von einem Anwalt beraten zu lassen und auch bereits bestehende Testamente mit diesem noch einmal durchzugehen. Die Errichtung eines Testaments durch einen Anwalt kostet 250 Euro, die Registrierung im Testamentsregister ist dabei inkludiert. Ein sogenannter Erbrechts-Check, bei dem die Klienten beraten und Fragen geklärt werden, kostet 120 Euro. Die Rechtsanwaltskammer bietet zudem zehn Tipps an, die man unter www.raknoe.at kostenlos herunterladen kann.

Bei einer Online-Umfrage der Rechtsanwaltskammer Niederösterreich gab die Hälfte der Befragten an, sich noch nie Gedanken über ein Testament gemacht zu haben. Nur 13 Prozent besitzen eines. Ein Viertel hat sich bereits einmal mit der Familie wegen des Erbes gestritten.