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Für das Schlachten einer heiligen Kuh

Von Stephan Lenzhofer

Recht

Wer wirklich religiös ist, soll die Religiosität auch in der Arbeitszeit ausüben können. Aber sind Feiertage für alle sinnvoll?


Die katholische Kirche feierte gestern das Hochfest der ohne Erbsünde empfangenen Jungfrau und Gottesmutter Maria oder kurz: Mariä Empfängnis. Dieser Tag war für viele - auch Katholiken - etwas ganz anderes, nämlich ein freier Tag zur Erledigung von Weihnachtseinkäufen. Er bot sich mit dem heutigen Fenstertag auch für einen Kurzurlaub an. Ähnliches gilt jedes Frühjahr anlässlich der beiden Donnerstagfeiertage, Christi Himmelfahrt und Fronleichnam. Nur nebenbei sei erwähnt, dass Maria Himmelfahrt (15. August) nächstes Jahr auf einen Dienstag fällt.

Soweit, so gut - vor allem für den Handel, den Tourismus und die nicht gerade in diesen Branchen beschäftigten Arbeitnehmer. Es ist aber fraglich, ob der Katholizismus noch eine taugliche Grundlage für viele im Feiertagsruhegesetz und im Arbeitsruhegesetz anerkannte Feiertage ist.

Bei den Feiertagensind alle erzkatholisch

Zu Beginn der Zweiten Republik bekannten sich noch 89 Prozent der österreichischen Bevölkerung zur katholischen Kirche. Gut 6 Prozent waren evangelisch. Rund 1 Prozent gehörte anderen Religionen an und knapp 4 Prozent waren ohne religiöses Bekenntnis. Valide Zahlen über die aktuellen Religionszugehörigkeiten der österreichischen Bevölkerung gibt es nicht. Wikipedia zufolge gehörten Ende 2015 knapp 60 Prozent der österreichischen Bevölkerung der katholischen Kirche an. Tendenz der letzten Jahre: Jährlicher Rückgang um durchschnittlich knapp einen Prozentpunkt. Daneben dürften aktuell rund 3,5 Prozent der Bevölkerung evangelisch sein. Vor fünf Jahren (aktuellere Zahlen gibt es nicht) dürften knapp 7 Prozent der Bevölkerung Muslime gewesen sein. Der Anteil der konfessionslosen Bevölkerung an der Gesamtbevölkerung dürfte demnach aktuell wohl schon weit über 20 Prozent liegen. Die bloß "am Papier" einer Religion zugehörigen Personen, die tatsächlich keine Religion ausüben, werden nirgends ausgewiesen.

Kontinuierlicher Rückgangder Mitgliederzahlen

Diese Zahlen belegen einerseits den kontinuierlichen Rückgang der Mitgliederzahlen der katholischen Kirche und andererseits eine stärkere Differenzierung der religiösen (Nicht-)Zugehörigkeiten. Unter der Annahme eines gleichbleibenden Schwunds der Angehörigen der katholischen Kirche wäre in etwa zehn Jahren nur noch weniger als die Hälfte der österreichischen Bevölkerung katholisch. Spätestens dann müsste man sich die Frage stellen: Warum sollen vor allem jene Personen, die der katholischen Kirche den Rücken gekehrt haben und/oder einer anderen Religion angehören, an katholischen Feiertagen mit arbeitsfreien Tagen "zwangsbeglückt" werden?

Vor rund einem halben Jahr sorgte vor allem in der Welt der Arbeitsrechtler eine (soweit ersichtlich nicht veröffentlichte) Entscheidung des Oberlandesgerichts Wien für Aufregung. Ein Arbeitnehmer ohne religiöses Bekenntnis klagte seinen Arbeitgeber auf Zahlung eines zusätzlichen Entgelts, weil er an einem Karfreitag arbeiten musste. Dazu muss man wissen, dass der Karfreitag insofern ein besonderer Feiertag ist, als er sowohl nach dem Feiertagsruhegesetz als auch nach dem Arbeitsruhegesetz nur für Protestanten, Altkatholiken und Methodisten ein staatlich anerkannter Feiertag ist. Das Gesetz gewährt den Angehörigen dieser Konfessionen gewissermaßen einen zusätzlichen freien Tag.

Die jedenfalls auf den ersten Blick überraschende Entscheidung des Oberlandesgerichts Wien: Der konfessionslose Arbeitnehmer bekam Recht. Sein Arbeitgeber musste zahlen. Das Gericht stützte seine Entscheidung offenbar im Wesentlichen auf die EU-Gleichbehandlungsrahmenrichtlinie.

Karfreitag bald alsoffizieller Feiertag?

Die Entscheidung wurde in der wissenschaftlichen Literatur heftig kritisiert. Eine Entscheidung des OGH in diesem Fall steht aus. Sollte die Entscheidung halten, würde der Karfreitag durch die Gerichte zu einem weiteren staatlich anerkannten Feiertag für alle erklärt werden.

Abgesehen von zu Tage getretenen juristischen Spitzfindigkeiten an der Schnittstelle zwischen Unions- und nationalem Recht, lässt auch diese Entscheidung an der Legitimation staatlich anerkannter religiöser Feiertage Zweifel entstehen. Feiert die Mehrheit der in Österreich lebenden Menschen zu Ostern tatsächlich noch den Tod und die Auferstehung Jesu oder handelt es sich vor allem beim Weihnachts- und Osterfest nur noch um Brauchtum als Ausdruck lang hergebrachter Traditionen, die man im Wesentlichen für Kinder, Geschenke, freie Tage, Feiern oder aus anderen nicht-religiösen Motiven hochhält?

Ähnliches gilt auch für säkulare Feiertage wie insbesondere den Nationalfeiertag. Vor dem Hintergrund der internationalen Integration Österreichs ist es meines Erachtens nicht mehr zeitgemäß, mit einem eigenen Feiertag der Beschlussfassung über die "immerwährende Neutralität" zu gedenken. Österreich ist seit Ende 1955 Mitglied der Vereinten Nationen, sodass Entscheidungen des Sicherheitsrats seit damals auch Österreich binden. Seit 1995 ist Österreich Mitglied der EU, im Rahmen derer sich beispielsweise österreichische Soldaten an der Bekämpfung des Schlepperunwesens im Mittelmeer beteiligen.

Zusätzliche Urlaubswochestatt Feiertagen?

Dieser Beitrag ist kein ökonomisch getriebenes Plädoyer für die Abschaffung von Feiertagen. Es geht vielmehr darum, die Statthaftigkeit von Feiertagen generell kritisch zu hinterfragen.

Meines Erachtens würde es der religiösen Vielfalt der Gesellschaft besser entsprechen, Angehörigen gesetzlich anerkannter Religionsgemeinschaften die Ausübung ihrer jeweiligen religiösen Rituale in einem bestimmten Rahmen gesetzlich zu ermöglichen, und zwar unabhängig davon, ob jemand katholisch, evangelisch, muslimisch oder jüdisch ist oder einer anderen staatlich anerkannten Religion angehört. Dafür muss man nicht einen ganzen Tag zum Feiertag für alle erklären. Es genügt, etwa zu Maria Empfängnis Arbeitnehmern den Kirchgang ohne Inanspruchnahme eines Urlaubstags oder von Zeitausgleich zu ermöglichen. Frei nach dem Motto: Wer wirklich religiös ist, soll die Religiosität auch ausüben können. Säkulare Menschen sollen aber nicht als Trittbrettfahrer in den Genuss von zusätzlicher Freizeit kommen.

Europatag statt Nationalfeiertag?

Die Entrümpelung staatlich anerkannter Feiertage muss nicht notwendigerweise durch eine massive Reduktion von Feiertagen oder - für viele wahrscheinlich bedrohlicher - freien Tagen erfolgen. Denkbar wäre beispielsweise, den Nationalfeiertag gegen den Europatag zu tauschen. Am 9. Mai gedenken wir immerhin der Schuman-Erklärung und damit dem Grundstein der heutigen Europäischen Union oder - für viele wahrscheinlich positiver - von noch nie dagewesenem Frieden und Wohlstand in Europa. Auch die Umsetzung der immer wieder geäußerten Forderung nach einer zusätzlichen Urlaubswoche wäre für viele Menschen in Österreich im Gegenzug zur Abschaffung aller oder der meisten religiösen Feiertage wohl gut vorstellbar.

Gastkommentar

Stephan Lenzhofer

studierte Rechts- und Politikwissenschaft und war als Assistent am Institut für Staats- und Verwaltungsrecht der Universität Wien tätig. Er ist Rechtsanwalt in Wien.