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Investitionsschutz: Ceta-Gegner torpedieren Zukunftsmodell

Von Thomas Obersteiner

Gastkommentare

Das derzeit laufende Volksbegehren hat ein einziges Ziel: das Freihandelsabkommen mit Kanada zu Fall zu bringen. Dabei greift der Vertrag die Bedenken der Kritiker auf und ist vorbildhaft für die Zukunft des Investitionsschutzes.


Wien. Österreich hat 62 davon. Die EU-Mitgliedstaaten über 1400. Und weltweit gibt es mehr als 3000. Seit mehr als 50 Jahren gibt es Investitionsschutzabkommen, doch plötzlich haben wir Österreicher ein Problem damit. Das Timing ist kein Zufall: Während am Dienstag mit dem Handelsausschuss des EU-Parlaments das Freihandelsabkommen Ceta eine der letzten Hürden passiert hat, läuft in Österreich gerade ein Volksbegehren gegen die Vereinbarung mit Kanada.

Offiziell wendet sich die Bürgerinitiative auch gegen das Freihandelsabkommen TTIP mit den USA und das Dienstleistungsabkommen TiSA. Doch TiSA steckt noch in den Kinderschuhen und TTIP ist dank Donald Trump mausetot. Das Ziel der Kampagne heißt also eindeutig Ceta - und mit dem Erfolg der Kampagne dürfte sich die Zukunft des Freihandels insgesamt entscheiden.

Äthiopien, Guatemala und Mongolei, aber nicht Kanada?

"Wenn sich zeigt, dass Europa unfähig ist, einen fortschrittlichen Handelspakt mit einem Land wie Kanada abzuschließen, mit wem glaubt Europa dann noch in kommenden Jahren Geschäfte machen zu können?", fragt sich nicht nur Kanadas Ministerpräsident Justin Trudeau. Österreich hat mit Ländern wie Äthiopien, Guatemala oder der Mongolei Investitionsschutzabkommen abgeschlossen, aber ausgerechnet vor dem europäischsten aller Handelspartner fürchten wir uns.

Die Ängste sind breit gestreut: Zusätzlicher Wettbewerb, Aufweichung heimischer Standards, Privatisierung von Dienstleistungen, Schaffung von Steuerprivilegien - gewettert wird aber insbesondere gegen den in Ceta vorgesehenen Investorenschutz als "Privilegierung der Konzerne". Dabei wird beharrlich ignoriert, dass dieser alle Investoren schützt, egal ob es sich um den Betreiber eines Staudammes oder eines Würstelstandes handelt.

Auch die vielfach geäußerte Kritik, Schiedsgerichte würden "hinter verschlossenen Türen" entscheiden, ist bei Ceta ohne Berechtigung. Ceta-Schiedsgerichte sind neuen Transparenzregeln unterworfen, die weit über die Öffentlichkeit in nationalen Gerichtsverfahren hinausgehen. So müssen zum Beispiel alle Schriftsätze veröffentlicht und die Verhandlung muss öffentlich geführt werden. Zudem kann jeder, der ein Interesse am Ausgang des Verfahrens hat, eine Stellungnahme abgeben, die das Schiedsgericht zu berücksichtigen hat. Ein solches Recht sucht man im österreichischen Verfahrensrecht vergeblich.

Auch der Vorwurf, die Schiedsrichter wären "konzernfreundliche" Anwälte, ist im Rahmen von Ceta gänzlich unbegründet. Die Vertragsstaaten nominieren für Ceta-Streitigkeiten einen fixen Stamm aus 15 unabhängigen Schiedsrichtern, die abwechselnd in Dreiersenaten über Klagen entscheiden. Zudem wird - ebenfalls ein Novum - für Ceta ein Berufungsgericht eingerichtet, bei dem der Schiedsspruch überprüft werden kann. Auch die Richter des Berufungsgerichts werden staatlich bestellt.

Ceta definiert erstmals "Right to regulate"

Hartnäckig behaupten die Ceta-Gegner auch, Staaten könnten wegen des Abkommens ihre Interessen in der Steuer- oder Energiepolitik (insbesondere die Abkehr von fossilen Brennstoffen und Atomkraft) nicht mehr selbst bestimmen. Das ist nicht richtig: Ceta enthält erstmalig eine weitreichende Definition des sogenannten "Right to regulate". Damit ist klargestellt, dass Staaten wichtige Angelegenheiten wie Konsumentenschutz, Steuern, Umweltauflagen oder Sicherheitsbestimmungen autonom regeln können, ohne Klagen fürchten zu müssen.

Schiedsgerichte wurden vielfach dafür kritisiert, den Investorenschutz durch eine extensive Interpretation von unklar definierten Schutzstandards (zum Beispiel "gerechte und billige Behandlung") auszudehnen. Ceta schiebt dieser vermeintlichen Praxis einen Riegel vor. Das Abkommen definiert, was unter diesen Begriffen zu verstehen ist, und limitiert den Schutz auf besonders krasse Fälle von staatlicher Willkür oder gezielter Diskriminierung.

Auf der Gerüchtebörse taucht auch regelmäßig die angeblich bevorstehende Privatisierung der Wasserversorgung auf. Das Gegenteil ist der Fall: Ceta hält explizit fest, dass es keinerlei Verpflichtung der Staaten gibt, Wasser in irgendeiner Form zu kommerzialisieren. Nur dann, wenn sich ein Staat entscheidet, die Wasserversorgung zu privatisieren, muss dies fair und nicht-diskriminierend geschehen.

Trump zeigt Wichtigkeit von Investitionsschutz

Wie kein anderes Handelsabkommen zuvor sucht Ceta die Balance zwischen den Vorteilen von Freihandel und wirtschaftlicher Kooperation und dem Schutz nationaler Interessen. Bereits anhand der ersten Amtshandlungen von Neo-Präsident Donald Trump zeigt sich, wie wichtig der Schutz von ausländischen Investoren in völkerrechtlichen Abkommen sein kann.

Die "America First"-Doktrin und die angekündigten Maßnahmen gegen europäische Autobauer müssen allen ein warnendes Beispiel sein, dass Wirtschaftspolitik nur allzu rasch nationalistisch werden und sich gegen Ausländer richten kann.

Nur ein Investitionsschutzabkommen bietet Investoren einen Schutz vor populistischen Exzessen. Die bei Ceta gefundene Lösung ist vorbildhaft für die Zukunft des Investitionsschutzes. Sie aus politischen Gründen zu opfern, wäre ein gewaltiger Rückschritt.

Thomas Obersteiner ist Rechtsanwalt bei Baker McKenzie und Spezialist für Völker- und Europarecht.