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Scheitern erlaubt

Von Robin Lumsden

Recht

Die Streichung der Mindestquote beim Privatkonkurs ist eine Chance für den Gründungsstandort Österreich.


Mit der Streichung der Mindestquote beim Privatkonkurs setzt die Regierung nun auch ein wichtiges Signal an die Gründer und die heimische Start-up-Szene: Man darf scheitern.

Vorweg: Scheitern ist sicherlich nicht das Ziel und in jedem Falle ein unangenehmes und zu vermeidendes Szenario - kein Gründer liebäugelt mit einer leichtfertigen Insolvenz. Allerdings sind finanzielle Niederlagen immanent mit unternehmerischer Tätigkeit verbunden und selbst viele internationale Größen konnten sich erst nach einigen Pleiten wirtschaftlich etablieren. Die Förderung von Risikobereitschaft und Unternehmergeist sind daher elementare Eckpfeiler einer wirtschaftsfreundlichen Kultur, erfordern aber gleichzeitig auch einen seriösen Umgang mit dem Worst-Case-Szenario einer jeden Geschäftsidee. Das Insolvenzrecht nimmt dabei eine maßgebende Rolle ein, schließlich regelt es die Konsequenzen unternehmerischer Fehlentwicklungen und soll eine Basis für einen geordneten Neuanfang eines Schuldners darstellen.

Liberales Insolvenzrecht als Garant für Start-up-Dynamik

Vor allem ein Blick über den Atlantik gezeigt: Im nordamerikanischen Raum gilt ein liberales Insolvenzrecht als Garant für einen florierenden Konsum und eine dynamische Start-up-Szene. Insofern scheint es daher nicht abwegig, auch entsprechende Maßnahmen zur Attraktivierung des Wirtschaftsstandorts Österreich zu setzen. Bisher waren Privatpersonen im Falle eines Konkurses bis zu sieben Jahre lang "gebrandmarkt" und mussten eine bestimmte Mindestquote bedienen, um einen finanziellen Neustart zu wagen. Wer nicht zumindest zehn Prozent seiner Schulden zurückzahlen konnte, hatte praktisch keine Perspektive einer langfristigen Entschuldung und war im schlimmsten Fall den Rest des Berufslebens bis zum Existenzminimum hinunter exekutiert.

Diese Regelung trieb nicht nur unzählige einkommensschwache Gruppen in die Armut, sondern stellte auch ein nicht zu unterschätzendes Damoklesschwert für junge Gründer und Start-ups dar. Die Perspektive, womöglich für Jahrzehnte finanziell völlig ausgeschaltet zu sein, mag manche Gründer durchaus dazu bewegen, sich ein Investitionsvorhaben lieber zweimal zu überlegen.

Die neue Regelung soll hierfür Abhilfe schaffen: Die Mindestquote entfällt und die Entschuldungsdauer beträgt nunmehr drei statt sieben Jahre. Sie ist auch Teil eines ganzheitlichen Kulturwandels zur Etablierung einer gründungsfreundlichen Standortpolitik und einer Enttabuisierung des Scheiterns.

Ja, ein Unternehmer hat auch das Recht zu scheitern. Risikobereitschaft soll daher nicht bestraft werden, sondern Gründer sollen das Recht haben, auch nach einem Fehlstart wiederum einen Neuanfang zu starten. Statt Denunzierung von "Pleitiers" ist ein effizientes Entschuldungssystem nun eine zeitgemäße Maßnahme.

Es erscheint nur logisch, dass Gläubigerschutzverbände hier zunächst tendenziell skeptisch waren. Allerdings kommt dieser Kritik meines Erachtens keine allzu große Berechtigung zu: Die Alternative, dass der Schuldner, welcher aufgrund mangelnder wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit die Mindestquote nicht bedienen kann und somit keine Chance auf einen Privatkonkurs hat, für Jahrzehnte am Existenzminimum dahinsiecht und keinesfalls signifikante Zahlungen leisten wird, ist für Gläubiger die schlechteste Variante.

Positive Effekte auf die Gründung zu erwarten

Auch Mut zum "Schulden machen" kann man in der neuen Regelung nicht erkennen, denn unangenehm wird das Szenario eines Privatkonkurses allemal.

Es bleibt daher zu hoffen, dass diese Maßnahme auch positive Effekte auf die Gründung von Unternehmen haben wird und auch den Ruf des österreichischen Wirtschaftsstandortes wieder verbessert, zumal hier noch erheblicher Aufholbedarf besteht.

Gastkommentar

Robin

Lumsden

studierte Jus in Wien und Berkeley/USA. Er ist als Wirtschaftsanwalt in Wien und New York tätig und Generalkonsul von Jamaika in Österreich.