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Fremdenrecht als Wähler-Signal

Von Peter Hilpold

Recht

Kriminalisierung illegaler Immigration - ein Weg zur Überwindung der Flüchtlingsproblematik?


Am Mittwoch, 28. Juni 2017, wurde das heiß umstrittene Fremdenrechtsänderungsgesetz 2017 (FrÄG 2017) vom Nationalrat verabschiedet. Die Koalitionskrise und andere Ad-hoc-Maßnahmen, wie beispielsweise die Erhöhung des Universitätsbudgets, haben diese Novelle zum Zeitpunkt ihrer definitiven Verabschiedung in der öffentlichen Wahrnehmung allerdings in den Hintergrund gedrängt. Tatsächlich wirft das FrÄG 2017 aber zahlreiche Fragestellungen auf, die von grundlegender Bedeutung für die weitere Gestaltung des Asyl- und Flüchtlingsrechts sind. Insbesondere kommt hier die Sorge auf, dass dieses Gesetz primär an die Wahlbevölkerung gerichtet ist und nicht darauf abstellt, eine epochale Herausforderung wirksam anzugehen.

Zentraler Regelungsgegenstand ist der Versuch, die illegale Einwanderung nach Österreich und den illegalen Aufenthalt in diesem Land mit strafrechtlichen Sanktionen zu belegen. Maßnahmen dieser Art stoßen allerdings auf klare völkerrechtliche und europarechtliche Grenzen. In der Fachwelt spricht man in diesem Zusammenhang von "Crimmigration", wobei die dahinter stehende Motivation unterschiedlichster Natur sein kann: Zum einen kann damit der berechtigten Sorge der Bevölkerung Rechnung getragen werden, dass erhöhte Kriminalität durch Einwanderung wirksamer bekämpft werden kann. Es kann damit auch der Versuch unternommen werden, das Migrationsmanagement wirksamer zu gestalten, konkret rechtskonforme Abschiebungen zu erleichtern. Dahinter kann aber auch die Intention stecken, eine Abschreckungswirkung zu erzeugen, potenzielle Migranten von vornherein von ihrem Vorhaben abzubringen oder sie spontan zur Rückkehr zu bewegen. Diese zuletzt genannte Absicht ist rechtlich höchst problematisch, da sie potenziell völkerrechtlich und europarechtlich garantierte Schutztitel konterkariert. Die Übergänge zwischen diesen einzelnen Motivationsgrundlagen sind fließend und deshalb ist stets eine detaillierte Prüfung der jeweiligen Regelung erforderlich.

Die Genfer Flüchtlingskonvention 1951 (GFK) enthält in Artikel 31 ein Pönalisierungsverbot selbst bei illegaler Einreise. Das FrÄG sieht nun bei rechtswidriger Einreise und rechtswidrigem Aufenthalt ein Verwaltungsdelikt vor, das mit einer Geldstrafe von 5.000 bis 15.000 Euro geahndet wird, und im Falle der Uneinbringlichkeit dieser Sanktion eine Freiheitsstrafe von bis zu sechs Wochen. Abgesehen davon, dass diese Regelung nur schwer zu administrieren ist (Migranten verfügen wohl in vielen Fällen nicht über solche Geldbeträge), führt diese Sanktion letztlich zu einer Kriminalisierung der illegalen Einreise mit Anwendung einer Ersatzfreiheitsstrafe und damit einer Art Beugehaft.

Problematische Schubhaft

Auch die Pönalisierung der "wissentlich falschen Angaben" im Rahmen der Überprüfung der Einreise oder des Aufenthalts (§ 120 FPG) erscheint in Anbetracht der besonderen Umstände, unter welchen diese Angaben erfolgen (bei Flüchtlingen regelmäßig Lebensgefahr), nicht nur hinsichtlich ihrer Höhe und ihrer Sachlichkeit bedenklich, sondern auch in Hinblick auf die Verpflichtungen aus der GFK, die nach überwiegender Auffassung eine Pönalisierung von sogenannten "Begleitdelikten", die in Zusammenhang mit einer illegalen Einreise begangen werden, untersagt.

Ein weiterer Problempunkt ist die Verlängerung der Schubhaft auf bis zu 18 Monate (§ 80 Abs. 7 FPG). Zwar ist Schubhaft internationalrechtlich zulässig, aber die EU-Rückführungsrichtlinie (Rl 2008/115/EG) sieht in Artikel 15 Absatz 5 klare Grenzen vor, nämlich eine maximale Schubhaft von sechs Monaten, in Ausnahmefällen verlängerbar um weitere 12 Monate. Durch den neuen § 80 Abs. 7 wird die Höchstdauer der Schubhaft generell auf 18 Monate erhöht.

Zahlreiche weitere problematische Regelung im FrÄG 2017 könnten erwähnt werden, so die neue Regelung in § 7 Absatz 2 AsylG, wonach ein Asylaberkennungsverfahren bereits bei Verdacht einer strafbaren Handlung eingeleitet werden kann. Diese Regelung mag in einzelnen extremen Fällen ihre Berechtigung haben (wobei in diesem Kontext schon zuvor die Möglichkeit der Verhängung einer Untersuchungshaft bestand). Insgesamt ist sie aber rechtsstaatlich bedenklich und sie kann zu einer enormen administrativen Mehrbelastung für die zuständigen Behörden führen, zu zahlreichen Aberkennungsverfahren, die am Ende wieder einzustellen sind, und - auf der Ebene der Asylwerber - zu schwerwiegenden Nebenfolgen in Hinblick auf ihre Integrationsbemühungen im Aufenthaltsland. Vor einem rechtskräftigen Urteil kann die Asylaberkennung aus völkerrechtlichen und EU-rechtlichen Gründen ohnehin nicht erfolgen.

Keine Lösung bei Migration

Europa ist gegenwärtig mit einem beispiellosen Immigrationsdruck konfrontiert. Die aus Italien kommenden Nachrichten über eine immer stärkere Migration über das Mittelmeer führen aus gutem Grunde zu einer Alarmstimmung.

Das neue FrÄG 2017 kann vielleicht innerstaatlich kurzfristig zu einer gewissen Beruhigung führen, wobei die Frage zu stellen ist, ob dieser Umstand die erheblichen rechtsstaatlichen Herausforderungen, die mit dieser Novelle verbunden sind, zu rechtfertigen vermag. Von einer Lösung des zugrunde liegenden Migrationsproblems kann in diesem Zusammenhang nicht ansatzweise gesprochen werden. Diese ist wohl nicht intern in den einzelnen Mitgliedstaaten, sondern nur extern über wirksame Maßnahmen der EU-Außenpolitik zu erzielen. Davon ist aber am weiten Horizont wenig zu vernehmen.