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Wenn Outsourcing zu (ungewollter) Arbeitskräfteüberlassung führt

Von Daniela Krömer und Christoph Wolf

Recht

Überlassene Arbeitskräfte haben einen gesetzlichen Anspruch auf entgeltrechtliche Gleichstellung mit den Arbeitskräften im Beschäftigerbetrieb, sonst drohen arbeitsrechtlich schwerwiegende Konsequenzen.


Enge Zielvorgaben bezüglich der Mitarbeiterzahl und hohe Personalkosten: Vor diesem Hintergrund lagern zahlreiche Unternehmen Tätigkeiten mittels Dienstleistungsverträgen aus, zunehmend in das benachbarte Ausland. Diese Unternehmen bemerken in weiterer Folge immer wieder, dass eine enge Zusammenarbeit mit ihren Outsourcingpartnern praktisch erforderlich ist. Häufig wird dann vereinbart, dass die Arbeitskräfte des Outsourcingpartners, wenn auch nur vorübergehend, vor Ort im Unternehmen tätig werden.

Übersehen wird dabei immer wieder, dass eine solche Vorgangsweise arbeitsrechtlich schwerwiegende Konsequenzen haben kann. Diese kann nämlich zu einem Vorliegen (grenzüberschreitender) Arbeitskräfteüberlassung führen. Das LSD-BG stellt jene Arbeitgeber unter Strafe, die ihren Arbeitnehmern nicht den gesetzlichen oder kollektivvertraglich geschuldeten Lohn bezahlen. Entsenden Arbeitgeber aus europäischen Ländern ihre Arbeitnehmer, unterliegen diese ebenfalls diesen Vorschriften.

Überlassene Arbeitskräfte haben einen gesetzlichen Anspruch auf entgeltrechtliche Gleichstellung mit den Arbeitskräften im Beschäftigerbetrieb. Dieser Entgeltanspruch ist ebenfalls vom Schutzbereich des LSD-BG umfasst. Daher sind auch grenzüberschreitend überlassene Arbeitskräfte nach dem LSD-BG so zu stellen wie die Arbeitnehmer des Beschäftigerbetriebs. Die Frage, ob es sich bei einem Kooperationsvertrag um eine (grenzüberschreitende) Arbeitskräfteüberlassung handelt, wird von Unternehmen selten gestellt - auch, wenn die Beantwortung dieser Frage für ein gesetzeskonformes Vorgehen notwendig ist.

Aber auch für jene, die sich diese Frage stellen, ist die Antwort nicht immer leicht zu finden: Anders als häufig angenommen, muss die Vertragsbeziehung mit dem Outsourcingpartner nicht ausdrücklich die Überlassung von Arbeitskräften zum Inhalt haben, um zu einer solchen zu führen. § 1 Abs 4 AÜG bestimmt, dass für das Vorliegen einer Arbeitskräfteüberlassung der wahre wirtschaftliche Gehalt einer Tätigkeit und nicht die äußere Erscheinungsform des Sachverhalts maßgeblich ist. Gleiches regelt das LSD-BG. Für die Qualifizierung eines Rechtsverhältnisses ist daher die tatsächliche, gelebte Vertragspraxis und nicht die Bezeichnung im Vertrag wichtig.

Im Gegenteil: Da der Gesetzgeber Werkverträge als den häufigsten Fall der Umgehung der Bestimmungen des Arbeitskräfteüberlassungsgesetzes erkannt hat, hat er für die Beurteilung des wahren wirtschaftlichen Sachverhaltes detaillierte Kriterien für die Prüfung normiert. Wird der Vertrag im Betrieb des Werkbestellers erfüllt, liegt dann kein Werkvertrag vor, wenn

kein von den Produkten, Dienstleistungen und Zwischenergebnissen des Werkbestellers abweichendes Werk hergestellt wird, oder

die Arbeit nicht vorwiegend mit Material und Werkzeug des Werkunternehmers geleistet wird, oder

die Arbeitskräfte organisatorisch in den Betrieb des Werkbestellers eingegliedert sind und dessen Dienst- und Fachaufsicht unterstehen, oder

der Werkunternehmer nicht für den Erfolg der Werkleistung haftet.

Die Rechtsprechung geht davon aus, dass schon bei Vorliegen eines dieser Kriterien eine Arbeitskräfteüberlassung gegeben ist. Die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs unterstellt weiters pauschal, dass Verträge, die nicht als klassische Werkverträge qualifiziert werden können, als Arbeitskräfteüberlassungsverträge einzuordnen sind.

Diese Rechtsprechung ist umstritten, auch weil sie nicht im Einklang mit unionsrechtlichen Vorgaben steht. Denn der Gerichtshof der Europäischen Union überprüft Arbeitskräfteüberlassung vorrangig danach, ob der Auftragnehmer über die Arbeitnehmer, die sein Vertragspartner zur Erfüllung einsetzt, wie über eigene Arbeitnehmer verfügen kann. Die Rechtsprechung der österreichischen Höchstgerichte scheint aber von diesen Bedenken unbeeindruckt. In der Praxis folgt daraus, dass bereits die physische Anwesenheit einer Arbeitskraft eines anderen Unternehmens im eigenen Betrieb - ungeachtet aller weiteren Umstände - zum Vorliegen einer Arbeitskräfteüberlassung führen kann. Dieses Risiko besteht gerade bei Kooperationsverträgen.

Will man das Vorliegen von Arbeitskräfteüberlassung vermeiden, ist es ratsam, auf die vertragliche Gestaltung und auf die tatsächlich gelebte Abwicklung zu achten. Vertraglich sollte nicht das Bereitstellen von Arbeitskraft, sondern eine konkrete Leistung im Vordergrund stehen. Eine Abrechnung nach Stunden statt einer Leistung spricht gegen einen Werkvertrag.

In der Abwicklung des Vertrages ist wichtig, dass es zu keiner Einbindung in die Betriebsabläufe vor Ort kommt, etwa durch uneingeschränkten Zugang zu den Räumlichkeiten des Unternehmens oder Einbindung in ein lokales Team. Auch Weisungsrechte sollten nicht abgetreten werden. Generell ist von einer über Besprechungen hinausgehenden Kooperation in den Räumlichkeiten des Unternehmens abzuraten. Wichtig ist jedenfalls eine genaue Überprüfung bestehender Vereinbarungen, um ein unsanftes - und möglicherweise teures - Erwachen zu vermeiden.

Gastkommentar

Daniela
Krömer

ist bei CMS Reich-Rohrwig Hainz als Associate im Bereich Arbeitsrecht tätig. Davor arbeitete sie als Universitätsassistentin im Institut für Arbeit- und Sozialrecht der Universität Wien.

Christoph
Wolf

ist Rechtsanwalt und Partner bei CMS Reich-Rohrwig Hainz. Er berät und vertritt nationale und internationale Unternehmen in allen Bereichen gerichtlicher und außergerichtlicher Arbeitsrechtsangelegenheiten.