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Das Gesetz steht - aber das Geld fehlt

Von Christian Haider

Recht

Die wirkungsorientierte Folgenabschätzung zwingt dazu, die finanziellen Auswirkungen eines Gesetzesvorhabens zu definieren - sie führt aber mitunter dazu, dass einfach weniger Geld für Personal angenommen wird.


In Zeiten angespannter Budgets, in denen an allen Ecken und Enden gespart werden soll und muss, muss sich auch die Politik bei der Verwirklichung von Gesetzesvorhaben fragen, ob ein politischer Konsens erzielbar ist und ob Mehrheiten zu finden sind. Nicht minder wichtig ist, ob das Vorhaben finanzierbar sein wird und ob zusätzliche Budgetmittel für die Verwirklichung dieses Vorhabens zur Verfügung gestellt werden können.

Die vor einigen Jahren gesetzlich geregelte wirkungsorientierte Folgenabschätzung zwingt dazu, Ziele, die mit einem Gesetzesvorhaben erreicht werden sollen, zu definieren und die finanziellen Auswirkungen - hoffentlich gut begründet und nachvollziehbar - abzuschätzen. Sie stellt die Politik aber vor eine zusätzliche Herausforderung: War es vor Einführung der wirkungsorientierten Folgenabschätzung noch leicht, ein Vorhaben ausschließlich nach seiner Sinnhaftigkeit zu beurteilen, ergibt sich nunmehr schon aus den Gesetzesmaterialien, mit welchen Kosten bei der Verwirklichung eines Vorhabens gerechnet wird. Das führt zwangsläufig zur Frage: "Können und wollen wir uns das leisten?"

Anderswo sparen oder zusätzliches Geld

Sollen Vorhaben umgesetzt werden, die mit Kosten verbunden sind, bedeutet das, dass entweder die nötigen Mittel anderswo eingespart oder zusätzliche Mittel aufgebracht werden müssen. Allein im Bereich des Justizressorts wurden in den vergangenen Jahren unter anderem einige vielbeachtete und weitgehend gelobte Neuerungen wie die Einführung der Familien- und Jugendgerichtshilfe oder die grundlegende Reform des Sachwalterschaftsrechtes eingeführt beziehungsweise beschlossen. Mit diesen sind erhebliche Kosten verbunden, ohne dass es zu einer Erhöhung des Justizbudgets geführt hätte.

Welche Konsequenzen das hat, lässt sich am Beispiel der Reform des Sachwalterschaftsrechtes (2. Erwachsenenschutz-Gesetz) darstellen: Der Begutachtungsentwurf geht von erwarteten Gesamtkosten in den ersten fünf Jahren von etwa 84,5 Millionen Euro aus. Diese werden zum Großteil durch den mit dieser Regelung verbundenen zusätzlichen Personalaufwand - weit überwiegend im Bereich der Erwachsenenschutzvereine und in geringem Ausmaß auch im Bereich der Gerichte - erforderlich. Dabei wurde bereits berücksichtigt, dass weniger Sachverständigengutachten als bisher (geschätzt 1000) anfallen werden.

Die der wirkungsorientierten Folgenabschätzung zugrunde liegenden Annahmen wurden von der richterlichen Standesvertretung bereits im Begutachtungsverfahren als zu optimistisch kritisiert. Es wurde darauf hingewiesen, dass die Justiz - die ohnedies einem rigiden Sparkurs unterworfen ist, wenn sie diese Aufwendungen ohne zusätzliche Mittel leisten muss - nicht mehr in der Lage sein wird, ihre eigentlichen Aufgaben in der Rechtspflege und Rechtsfürsorge zu erfüllen. Zudem sei möglicherweise mit höheren Kosten als geschätzt zu rechnen.

Nach öffentlicher Diskussion, geringfügiger Anpassung und politischer Willensbildung wurde dem Gesetzgeber eine adaptierte Regierungsvorlage übermittelt. Jeder, der sich schon mit dem Begutachtungsentwurf befasst hatte, musste überrascht sein: Aus der wirkungsorientierten Folgenabschätzung lässt sich nunmehr entnehmen, dass bei diesem Gesetzesvorhaben plötzlich nur mehr Kosten von 26,5 Millionen Euro erwartet werden, obwohl es nicht zu derart grundlegenden Änderungen des Entwurfs gekommen ist, die dies rechtfertigen würden. Stattdessen wurden die Annahmen der wirkungsorientierten Folgenabschätzung verändert. Zum Beispiel wird angenommen, dass weniger Personal erforderlich sein wird und darüber hinaus ab 2022 der Personalmehrbedarf durch Einsparungen der aus Amtsgeldern finanzierten Sachverständigengebühren gegenfinanziert wird.

Um diese Rechnung darzustellen, wird davon ausgegangen, dass statt geschätzter 1000 Gutachten jährlich 1400 Gutachten jährlich weniger anfallen werden, die statt geschätzter 500 Euro durchschnittlich 700 Euro gekostet hätten. Wie seriös diese Berechnungen sind, möge jeder selbst beurteilen.

Aus meiner eigenen gerichtlichen Praxis erlaube ich mir nur anzumerken, dass sich die ursprünglich angenommenen durchschnittlichen Gutachtenskosten von etwa 500 Euro samt Gutachtenserörterung mit meinen Erfahrungen in den vergangenen Jahren decken. Selbst wenn man annehmen würde, dass tatsächlich nur mit Mehrkosten von 26,5 Millionen Euro zu rechnen ist, wurde dieses Gesetz letztlich beschlossen, ohne sich dazu zu bekennen, das Justizbudget entsprechend anzupassen; es war sogar bis vor einigen Tagen fraglich, ob das Justizressort auf bestehende Rücklagen zur Finanzierung dieser Reform greifen darf oder nicht.

Rund 1000 Planstellenweniger als 1995

Die österreichische Justiz hat im Supportbereich der Gerichte und Staatsanwaltschaften seit dem Jahr 2000 nicht weniger als 784 Planstellen, seit dem Jahr 1995 sogar rund 1000 Planstellen eingespart, das entspricht etwa 20 Prozent des Personalstands im Jahr 1995. Trotzdem schneidet Österreich bei den meisten Indikatoren des EU-Justizbarometers bisher gut ab, wie zum Beispiel bei der Verfahrensdauer in Zivil- und Handelsverfahren, wo sich die österreichische Justiz unter den vier schnellsten Ländern der EU befindet. Der rigide Sparkurs, dem die Justiz schon jetzt unterworfen ist, führt dazu, dass wichtige Projekte nicht mehr weiterbetrieben werden können. Im IT-Bereich etwa werden statt laufender Erneuerung nur mehr dringend nötige Ersatzbeschaffungen vorgenommen, und es ist fraglich, ob Gebäudemieten noch bezahlt werden können.

Eine Politik, die Gesetze - so sinnvoll und wichtig sie auch sein mögen - ohne budgetäre Bedeckung beschließt, trägt Verantwortung für eine schlechter als bisher funktionierende Justiz. Eine Justiz, die bildlich gesprochen "gegen die Wand gefahren wird".

Gastkommentar

Christian
Haider

ist Vorsteher des Bezirksgerichtes Bruck an der Mur und Vorsitzender der Bundesvertretung Richter und Staatsanwälte in der Gewerkschaft Öffentlicher Dienst.
Christine Weinberger