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Schiedsspruch statt Urteil

Von Daniel Bischof

Recht

Schiedsverfahren gewinnen an Bedeutung. Auch, weil in manchen Staaten in die Justiz eingegriffen wird, so Christian Konrad.


Wien. Die Schiedsgerichtsbarkeit: Sie wurde medial zuletzt meist mit dem Transatlantischen Freihandelsabkommen TTIP in Verbindung gebracht. TTIP stand vor allem wegen des geplanten Investitionsschutzes in der Kritik. Unternehmen sollte es ermöglicht werden, gegen einen Staat unter bestimmten Voraussetzungen ein Verfahren vor einem privaten Schiedsgericht zu führen.

Abseits dieser umstrittenen Investitionsschiedsgerichtsbarkeit gibt es ein weites, oft unbeachtetes Anwendungsfeld für Schiedsverfahren. Durch Schiedsvereinbarungen können Rechtsstreitigkeiten von Schiedsgerichten entschieden werden. Der Schiedsspruch wirkt dann zwischen den Parteien wie ein rechtskräftiges Gerichtsurteil. Er kann nur bei schweren Mängeln vom Obersten Gerichtshof aufgehoben werden.

Besonders bei handelsrechtlichen Streitigkeiten zwischen Unternehmen werden Schiedsverfahren bedeutender. Das zeigt die Studie "Arbitration Users". Sie wurde von der Donau-Universität Krems in Kooperation mit der Anwaltskanzlei "Konrad & Partners" erstellt. Mitglieder der Industriellenvereinigung wurden darin zu Erfahrungen mit Streitbeilegungsmechanismen befragt: 53 Prozent der Unternehmen bevorzugen in internationalen Fällen die Schiedsgerichtsbarkeit vor staatlichen Gerichten. Die "Wiener Zeitung" sprach darüber mit Christian Konrad und Philip Aumüllner, die in die Studie involviert waren.

"Wiener Zeitung": Laut Studie wird die Anzahl an Schiedsgerichtsverfahren in Österreich in den kommenden Jahren steigen. Wieso setzen Unternehmen in Wirtschaftsangelegenheiten vermehrt nicht mehr auf die öffentliche Gerichtsbarkeit, sondern auf private Schiedsgerichte?Christian Konrad: Zum einen ist man bei der Vollstreckung und Anerkennung von Gerichtsurteilen auf internationale Vereinbarungen angewiesen. Diese sind im internationalen Rechtsverkehr aber nicht überall gegeben. Das schönste Gerichtsurteil nützt wenig, wenn man es nicht vollstrecken kann. Ein Schiedsspruch kann hingegen durch die New Yorker Konvention, eine multilaterale Vereinbarung, praktisch weltweit vollstreckt werden.

Zum anderen wollen die Parteien, dass ihr Streit in professioneller und rascher Weise rechtsverbindlich entschieden wird. Wenn es um die Entscheidung internationaler Sachverhalte geht, wird man oft - abhängig von der jeweiligen Verhandlungsposition - auf Rechtsordnungen verwiesen, die einen anderen Schutzstandard aufweisen. In unserer unmittelbaren Nachbarschaft, außerhalb der Europäischen Union, wird Gerichtsbarkeit anders gelebt.

Es gibt also Länder, deren Justiz die Unternehmen nicht vertrauen?Philip Aumüllner: Einer der Vorteile des Schiedsrechts ist die Neutralität - gerade dann, wenn man im Wirtschaftsverkehr mit Vertragsparteien zu tun hat, die aus Ländern kommen, wo Zweifel an der Unbeeinflussbarkeit der Justiz bestehen. Bestehen diese Zweifel, ist das ein wichtiger Grund, sich für das Schiedsrecht zu entscheiden.

Konrad: Ich würde sogar weiter gehen. Es gibt Länder, wo nicht nur Zweifel bestehen, sondern wo massiv in staatliche Gerichtsverfahren eingegriffen wird. Wir haben für unsere Mandanten selbst die Erfahrung machen müssen, dass in bestimmten Rechtsordnungen politische Einflussnahmen in laufende Gerichtsverfahren an der Tagesordnung stehen.

Können Sie Staaten nennen, die bei den Unternehmen einen besonders schlechten Ruf haben?Konrad: Schauen Sie in den Korruptionswahrnehmungsindex, da sehen Sie einige dieser Länder gelistet.

Glauben Sie, dass die Handelsgerichtsbarkeit zunehmend privatisiert wird? Werden Unternehmen im Wirtschaftsbereich vermehrt auf Schiedsgerichte zurückgreifen, während der Normalbürger auf die ordentliche Gerichtsbarkeit setzt?Aumüllner: In internationalen Angelegenheiten geht der Trend sehr wohl in Richtung Handelsschiedsgerichtsbarkeit. Im Sinne einer raschen Konfliktlösung ist das auch wünschenswert.

Konrad: Durch intensive Zusammenarbeit mit der Richterschaft haben wir auch das Wohlwollen bei den staatlichen Gerichten gesehen. Sie werden durch Schiedsgerichte naturgemäß entlastet und sind nicht als Konkurrenz, sondern besser als Ergänzung zur Rechtspflege zu sehen.

Inwiefern können Schiedsgerichte aber missbraucht werden, damit bestimmte Tatsachen nicht an die Öffentlichkeit gelangen? Man denke etwa an Unternehmen, die ein Schiedsgerichtsverfahren wählen, damit bestimmte strafbare Handlungen im Rahmen eines öffentlichen Verfahrens nicht ans Licht kommen.Konrad: Diese Missbrauchsgefahr sehe ich nicht. Ein Schiedsgericht wird entsprechend reagieren, wenn es mit solchen Sachverhalten konfrontiert wird. Bei Schiedsverfahren in Wirtschaftsstreitigkeiten möchte man im Wesentlichen vermeiden, dass Betriebsgeheimnisse an die Öffentlichkeit gelangen oder die Konkurrenz über bestimmte Streitfälle erfährt. Es darf auch nicht vergessen werden, dass die Materie des Strafrechts objektiv gar nicht schiedsfähig ist.

Schiedsgerichte werden oft mit Metropolen wie New York in Verbindung gebracht. Welchen Status hat Wien für Schiedsgerichte?Konrad: Wien hat in den letzten zwanzig Jahren massiv aufgeholt und kann mit allen sogenannten Metropolen mithalten. Statistiken zeigen, dass in Wien immer mehr Schiedsverfahren geführt werden. Denn was benötigt eine Schiedsrechtsmonopole?

Man braucht ein ordentliches Rechtssystem, das mit der Schiedsgerichtsbarkeit umgehen kann. Im internationalen Vergleich stellt Österreich eine der modernsten Rechtsordnungen zur Verfügung. Neben der passenden Infrastruktur gibt es auch verhältnismäßig viele anerkannte Schiedsrechtsexperten - sowohl auf der Seite der Schiedsrichter als auch der Parteienvertreter.

Zu Den Personen

Christian

Konrad

ist Rechtsanwalt und Partner der auf internationales Schiedsrecht spezialisierten Kanzlei "Konrad & Partners".

Philip

Aumüllner

ist in der Industriellenvereinigung im Bereich "Finanzpolitik & Recht" als "Legal Strategy Manager" tätig.