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Der Security als Jedermann

Von Daniel Bischof

Recht

Private Sicherheitsunternehmen boomen. Doch welche Rechte haben deren Mitarbeiter eigentlich?


Wien. Grundstücke bewachen, Geschäfte aufsperren, Schaufensterbeleuchtungen einschalten, Sonnenblachen ziehen: Um 1900 war das Aufgabengebiet privater Sicherheitskräfte in Österreich noch überschaubar. Ein gutes Jahrhundert später hat sich das radikal geändert. Private Sicherheitsunternehmen bewachen längst nicht mehr nur Geschäfte, Villen oder Messegelände. Auch vormals "klassische" Polizeiaufgaben nehmen die Unternehmen vermehrt wahr. Sie kontrollieren Personen und Gepäck auf Flughäfen, werden in Schubhaftzentren tätig und patrouillieren im öffentlichen Personenverkehr.

Derzeit bauen etwa die "Wiener Linien" ihre eigene "Security-Truppe" auf. Bis Ende 2019 sollen 120 Sicherheitsmitarbeiter im Einsatz sein. Die ersten 22 Securities sind bereits seit Mitte August unterwegs. Sie sollen das Sicherheitsgefühl der Fahrgäste heben und Verstöße gegen die Hausordnung ahnden.

Doch welche Befugnisse besitzen private Sicherheitskräfte überhaupt? Wie werden sie ausgebildet? Wo könnten sie demnächst noch eingesetzt werden?

Nur allgemeine, keine speziellen Befugnisse

In Österreich gibt es kein Spezialgesetz, das die Befugnisse von Mitarbeitern privater Sicherheitsunternehmen regelt. "Sie sind keine Polizisten und daher nicht dementsprechend ausgebildet. Sie sind Privatpersonen und können nicht mehr als andere Private machen", sagt Alexander Tipold, Professor am Institut für Strafrecht und Kriminologie an der Universität Wien. Diese finden sich daher in den allgemeinen Gesetzen - etwa im Strafgesetzbuch (StGB) und der Strafprozessordnung (StPO).

Das Anhalterecht Privater und die Nothilfe

Das Anhalterecht Privater ist in § 80 Abs 2 StPO geregelt. Es ermächtigt Privatpersonen, Tatverdächtige auf verhältnismäßige Weise anzuhalten, wenn keine Polizei anwesend ist. Gerechtfertigt ist die nötige Freiheitsentziehung, die damit verbundene Nötigung - und eine einfache Körperverletzung, wenn sie verhältnismäßig ist. Die Anhaltung ist unverzüglich dem nächsten Sicherheitsorgan anzuzeigen. So kann der "Wiener Linien"-Mitarbeiter etwa einen Mann, der im Stationsbereich eine Sachbeschädigung begeht oder begangen hat, bis zum Eintreffen der Polizei festhalten.

Eine Sachbeschädigung, die gerade im Gange ist, könnte ein Security auch im Rahmen der Nothilfe abwenden (§ 3 StGB). Sie dient der Abwehr eines rechtswidrigen Angriffs auf ein notwehrfähiges Rechtsgut des Auftraggebers. Zulässig ist die Verteidigung, die notwendig ist, um den Angriff abzuwehren. "Wenn die Sachbeschädigung bereits geschehen ist, kann keine Nothilfe mehr geübt werden. Der Angriff ist dann ja bereits abgeschlossen", erklärt Tipold.

Rechtfertigender Notstand und Selbsthilferecht

Der rechtfertigende Notstand setzt eine Situation voraus, in der ein Rechtsgut in gegenwärtiger oder unmittelbar bevorstehender Gefahr ist und ein bedeutsamer Nachteil droht. Dieser Nachteil kann durch den Eingriff in ein anderes, niederwertigeres Rechtsgut abgewendet werden. Der Eingriff muss das schonendste Mittel sein, um die Gefahr abzuwenden. Er ist auch zugunsten eines Dritten zulässig. "Es darf sich dabei um keinen Angriff eines Menschen handeln. Auf Notstand könnte sich aber etwa ein Sicherheitsmitarbeiter berufen, wenn er den Angriff eines freilaufenden Hundes auf einen Menschen abwehrt", erklärt Tipold.

Zuletzt kann auch das Selbsthilferecht angewendet werden. Es ermöglicht die Sicherstellung oder Durchsetzung von gefährdeten zivilrechtlichen Ansprüchen, wenn behördliche Hilfe zu spät käme. Grundsätzlich stehen die Selbsthilfebefugnisse zwar nur dem Sach- oder Rechtsbesitzer zu. Dieser kann sie aber, beispielsweise durch Vertrag, dem privaten Sicherheitsunternehmen übertragen. So kann gegen Verstöße gegen die Hausordnung, wenn diese Teil der Allgemeinen Geschäftsbindungen geworden sind, vorgegangen werden. "Die Sicherheitskräfte können so denjenigen, der gegen die Hausordnung verstößt, vor die Tür setzen - mit verhältnismäßig körperlicher Gewalt", so Tipold.

Problemfeld Low-End-Markt

So weit zur Rechtslage. Doch wie schaut es in der Praxis aus? Wissen die Mitarbeiter über ihre Befugnisse überhaupt Bescheid? Denn eine gesetzlich festgeschriebene Ausbildungspflicht gibt es für sie bisher nicht.

"Das Sicherheitsgewerbe ist in einen Top-Markt, mittleren Markt und Low-End-Markt dreigeteilt", sagt Michael Zoratti, Geschäftsführer des Sicherheitsberatungsunternehmens "SecureLine". Im untersten Segment herrsche ein starker Preisdruck. Auch Schwarzarbeit sei verbreitet. Das führe zu Missständen.

"Bei Musikfestivals tauchen im Sicherheitsbereich Subunternehmer aus Ungarn auf. Die setzen dann Mitarbeiter ein, die kein Deutsch sprechen und wenige oder gar keine Kenntnisse von ihren Befugnissen haben", erklärt Zoratti.

Traditionelle Bewachungsunternehmen würden ihre Mitarbeiter hingegen durchschnittlich zwei Tage lang schulen lassen, sagt Zoratti. "Unternehmen, die Sicherheitskräfte im Personenverkehr einsetzen, machen noch mehr." Generell gebe es aber das Problem, dass mitunter "Mitarbeiter Dienstanweisungen nicht sinnerfassend lesen können". Deshalb biete sein Unternehmen nun auch Deutschkurse an, so Zoratti.

Wählerisch können die meisten Sicherheitsunternehmen bei ihren Mitarbeitern nicht sein. Die Personalsituation sei schlecht, aber noch nicht so dramatisch wie in Deutschland. "Zuletzt hat mich ein deutscher Kollege angerufen, der für sein Unternehmen 1800 Mitarbeiter braucht. Da er sie in Deutschland nicht findet, will er sie nun aus Rumänien oder der Slowakei ‚importieren‘".

In den letzten 30 Jahren habe es in der Sicherheitsbranche jährliche Umsatzsteigerungen von acht bis zehn Prozent gegeben, sagt Zoratti. Er geht davon aus, dass private Sicherheitsunternehmen daher noch mehr Tätigkeitsfelder besetzen werden.

"Die Exekutive zieht sich immer mehr aus dem innerstädtischen Bereich zurück. Private Sicherheitsdienste werden daher vermehrt in öffentliche Bereiche vordringen", so Zoratti.

Auch die Sicherheitsdienste in Krankenhäuser sieht er als potenziellen Markt. Zudem werde durch die Zunahme an Pflegebedürftigen der Bedarf an Sicherheitstechnik steigen.