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Neuer Schwellenwert bei Fusionen

Von Judith Feldner

Recht

Gastbeitrag: Neuerungen in der österreichischen Fusionskontrolle: Vorsicht bei Closings ab dem 1. November 2017.


Wann eine Unternehmenstransaktion (Zusammenschluss) bei der österreichischen Bundeswettbewerbsbehörde (BWB) anmeldepflichtig ist, richtete sich bisher nach den Konzernumsätzen der am Zusammenschluss beteiligten Unternehmen. In den meisten EU-Mitgliedstaaten richtet sich die Anmeldepflicht einer Transaktion nach den Umsätzen. Auch die Europäische Fusionskontrolle folgt diesem Grundsatz.

Eine der Grundvoraussetzungen in der österreichischen Fusionskontrolle war bisher, dass selbst bei einem (im Sinn von Umsatz) großen Erwerber das Zielunternehmen zumindest fünf Millionen Euro Umsatz in Österreich oder weltweit 30 Millionen Euro erzielen muss, damit sich die Frage einer Anmeldepflicht überhaupt stellte.

Anmeldepflicht auch bei Zielunternehmen ohne Umsatz

Mit 1. November 2017 können (neben den bisherigen Schwellenwerten) auch Zusammenschlüsse anmeldepflichtig sein, bei denen das Zielunternehmen gar keinen oder nur wenig Umsatz erzielt. Denn ab diesem Datum sind auch Zusammenschlüsse bei der BWB anmeldepflichtig, wenn:

die beteiligten Unternehmen im letzten Geschäftsjahr weltweit insgesamt mehr als 300 Millionen Euro erzielten

die beteiligten Unternehmen im letzten Geschäftsjahr in Österreich einen Umsatz von insgesamt mehr als 15 Millionen Euro erzielten

der Wert der Gegenleistung für den Zusammenschluss mehr als 200 Millionen Euro beträgt und

das Zielunternehmen in erheblichem Umfang in Österreich tätig ist.

Die Umsatzschwellen können auch vom Erwerber alleine erfüllt werden.

Welchen Zweck hat der neue Schwellenwert?

In einem Atemzug mit dem neuen Schwellenwert und den Beweggründen für die Einführung von diesem wird stets der Erwerb von WhatsApp durch Facebook vor einigen Jahren genannt. Der Fall ist in die Geschichte eingegangen, da er ein Beispiel dafür ist, dass ein Zusammenschluss aus wettbewerblicher Sicht kritisch sein kann, obwohl das Zielunternehmen nur wenig Umsatz erzielt. Ein solcher Grund kann etwa darin liegen, dass das Zielunternehmen über wertvolle Daten verfügt. Auch der mehrstellige Milliardenkaufpreis, den Facebook für das damals umsatzschwache Unternehmen bezahlte, zeigte, dass WhatsApp einen erheblichen Wert für Facebook haben musste. Im Mittelpunkt bei der Einführung der neuen Schwelle standen somit Unternehmen im digitalen Bereich und das Thema Marktmacht durch Daten.

Dennoch wird im Gesetz selbst nicht auf eine bestimmte Branche Bezug genommen. Der Schwellenwert sollte daher aus Vorsichtsgründen branchenneutral verstanden werden. In Zweifelsfällen sollten Pränotifikationsgespräche mit der BWB und dem Bundeskartellanwalt geführt werden. Eine andere Möglichkeit ist, aus Vorsichtsgründen gleich eine Zusammenschlussanmeldung einzubringen.

Was ist der Wert der
Gegenleistung?

Viele Fragen hinsichtlich des Schwellenwerts sind offen. Was etwa bedeutet "Wert der Gegenleistung"? Erst wenn das klar ist, kann beurteilt werden, ob die 200 Millionen Euro überschritten werden.

Kurz zusammengefasst handelt es sich dabei um den Kaufpreis beziehungsweise alles, was der Verkäufer vom Erwerber im Zusammenhang mit dem Zusammenschluss erhält. Ferner sind auch vom Erwerber übernommene Verbindlichkeiten zu berücksichtigen. Die relevante Frage ist somit: "Wie viel ist dem Käufer das Target ,wert‘"? Ob der Kaufpreis auf einmal gezahlt wird oder in Raten, ist nicht maßgeblich. Insbesondere kann der Schwellenwert nicht durch eine entsprechende Ratenzahlung umgangen werden.

Tätigkeit im Inland in
erheblichem Umfang

Relativ unklar ist zudem, wann ein Zielunternehmen "in erheblichem Umfang" in Österreich tätig ist. In den Erläuterungen zur Regierungsvorlage heißt es, dass eine erhebliche Inlandstätigkeit vorliegt, wenn sich ein "Standort" des Zielunternehmens in Österreich befindet. Unklar ist aber, was mit einem "Standort" gemeint ist. Verfügt das Zielunternehmen über keinen Standort in Österreich, ist die Beurteilung schwieriger. Denn bisher fehlt es an allgemeinen Richtlinien zur Auslegung. In den Erläuterungen wird festgehalten, dass Zielunternehmen mit marginalen Aktivitäten in Österreich nicht erfasst sind. Die Schwelle ist somit sehr niedrig angesetzt. Insbesondere wenn das Zielunternehmen im Wesentlichen über das Internet tätig ist, ist unklar, wie viele (oder eher wie wenige) Website-Besuche in Österreich ausreichen, um eine erhebliche Tätigkeit in Österreich zu begründen.

Ab wann ist eine
Anmeldung möglich?

Anmeldungen, die sich auf den neuen Schwellenwert stützen, können seit Mitte Oktober (9. Oktober 2017) bei der BWB angemeldet werden. Transaktionen, die den neuen Schwellenwert erfüllen, dürfen ab dem 1. November 2017 nicht ohne fusionskontrollrechtliche Freigabe vollzogen werden. Gerade bei großen Transaktionen mit einem hohen Kaufpreis, bei denen das Signing bereits einige Monate zurückliegt und nunmehr im November oder später der Vollzug der Transaktion ansteht, sollte noch einmal kritisch geprüft werden, ob nicht die neue Schwelle greift. In diesem Fall ist rasch eine Anmeldung vorzunehmen und darf das Closing nicht vor der fusionskontrollrechtlichen Freigabe stattfinden. Denn wie auch bisher drohen, wenn eine Anmeldepflicht übersehen wird, hohe Geldbußen und die Nichtigkeit der Verträge.