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Die verhängnisvolle Spritze

Von Daniel Bischof

Recht

Oberster Gerichtshof beschäftigte sich mit Injektion, die schiefging.


Wien. Bereits als ihr die Spritze verabreicht wurde, verspürte S. Schmerzen. Ihre Oberschenkel verfärbten sich blau und violett. In den Folgetagen entzündeten sich mehrere Schwellungen. Eine platzte auf und hinterließ ein drei Zentimeter tiefes Loch. Auch Narben und Verhärtungen blieben an den behandelten Stellen zurück. Trotz teurer Korrektureingriffe konnten die optischen Folgen nicht ganz beseitigt werden. S. litt zudem an seelischen Schmerzen.

Die Spritze war S. von der Kosmetikerin M. injiziert worden. S. klagte M. Sie begehrte die Zahlung von 41.540 Euro und die Feststellung, dass die Beklagte für künftige Schäden haften soll. Die Rechtssache endete vor dem Obersten Gerichtshof (9 Ob 49/17x). Er hatte zu klären: Muss man sich ein Mitverschulden anrechnen lassen, wenn man sich von jemandem behandeln lässt, von dessen Unerfahrenheit man weiß - oder bei gewöhnlicher Aufmerksamkeit hätte wissen können?

M. hatte S. von der Möglichkeit erzählt, sich mit "Fettweg"-Spritzen behandeln zu lassen. Eigentlich dürfe sie diese Behandlung nicht machen, da sie keine medizinische Ausbildung habe, so M. Sie habe die Behandlung aber bereits mehrfach erfolgreich bei sich selbst und anderen angewandt. M. zeigte S. auch Fotos, woraufhin die Klägerin der Behandlung zustimmte. 200 Euro wurden als Entgelt vereinbart.

Die Beklagte hatte einem Mediziner mit Schwerpunkt Schönheitsbehandlungen beim Setzen derartiger Spritzen assistiert. M. wies S. darauf hin, dass Schwellungen und Blauverfärbungen eintreten können und sie zeitweise Schmerzen verspüren könnte. Dass Abszesse, Narben und weitere Komplikationen auftreten können, erwähnte sie nicht. Wäre sie ausreichend aufgeklärt worden, hätte sie der Behandlung nicht zugestimmt, so S. Sie habe die Behandlung lege artis durchgeführt und S. umfassend aufgeklärt, entgegnete M. Da sich S. dennoch auf die Behandlung eingelassen habe, treffe sie ein erhebliches Mitverschulden. Ob die Behandlung tatsächlich lege artis erfolgte, konnte vom Gericht nicht festgestellt werden.

Mitverschulden anzurechnen

Das Erstgericht sprach S. 22.266 Euro zu. Es stellte fest, dass die Beklagte der Klägerin zu zwei Drittel für zukünftige Schäden aus der Behandlung haftet. Das reichte S. nicht. Das Berufungsgericht bestätigte allerdings die Entscheidung des Erstgerichts. S. wandte sich an den OGH. Das Höchstgericht gab ihrer Revision nicht Folge.

Wer ohne Not freiwillig ein Geschäft übernehme, dessen Ausführung eigene Kunstkenntnisse oder einen nicht gewöhnlichen Fleiß erfordere, gebe dadurch zu erkennen, dass er sich diese zutraut. Daher müsse er auch einen Ausführungsmangel vertreten, so der OGH. Im konkreten Fall sei auch die für eine wirksame Einwilligung zur Behandlung erforderliche Aufklärung davon betroffen. Allerdings müsse sich S. ein Mitverschulden anrechnen lassen. Sie habe erkennen können, "dass die Beklagte als Kosmetikerin nicht über die erforderlichen Kenntnisse und Fähigkeiten für eine solche Behandlung verfügte".

Das überwiegende Verschulden liege bei M., da sie behauptet hat, die entsprechenden Fähigkeiten zu besitzen. Die vom Erst- und Berufungsgericht festgestellte Verschuldensteilung 2:1 zu Lasten der Beklagten sei daher angemessen.