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Studiengebühren neu

Von Peter Hilpold

Recht

Der freie Hochschulzugang hat Österreichs Unis an ihre Grenzen gebracht.


Eine der ganz großen Herausforderungen, die die neue Bundesregierung prioritär angehen wird müssen, sind die Universitäten. Neben der dringenden notwendigen Reform des UG 2002, stellt der Hochschulzugang mit seinen praktischen Ausprägungen "Studiengebühren" und "Studienbeihilfen" eine vorrangige Herausforderung dar.

Der freie Hochschulzugang nicht nur für Österreicher, sondern für alle Unionsbürger, hat die österreichischen Universitäten an die Grenzen ihrer Belastbarkeit und Finanzierungsfähigkeit gebracht. Die Grundlage für diese Entwicklung ist auf das ferne Jahr 2005 zurückzuführen, als eine Verkettung unglücklicher Entwicklungen diese Situation herbeigeführt hat: fehlende Vorkehrungen zum Zeitpunkt des österreichischen EU-Beitritts zehn Jahre zuvor, ein überaus dogmatisch argumentierender EuGH, der mit Biegen und Brechen eine extreme Form der Freizügigkeit der Studierenden durchsetzen wollte, eine leider unzureichende Verteidigung Österreichs und ein Generalanwalt, der sich daran noch ergötzte.

Die Öffnung der Unis füralle Unionsbürger war radikal

Das alles führte schließlich zu einer radikalen Öffnung der Universitäten für alle Unionsbürger ohne Rücksicht auf die Frage der Finanzierbarkeit und auf das heikle Beziehungsgeflecht zwischen Deutschland und Österreich in dieser Frage: Der große Nachbar im Norden bewirtschaftet seine knappen Studienplätze über ein notenabhängiges Numerus-clausus-System, das man in Österreich- zu Recht - nicht einführen kann und nicht einführen will.

Dadurch werden aber schon aufgrund der Zugehörigkeit Österreichs zur gleichen Sprachgemeinschaft zahlreiche Studierende aus Deutschland - und darüber hinaus häufig gerade weniger qualifizierte - nach Österreich abgedrängt. Die EU hat zwar letzthin, nach einer ersten Öffnung des EuGH in dieser Frage im Urteil "Bressol", ein Quotensystem im medizinischen Bereich akzeptiert, doch stellt dieses Entgegenkommen wohl nur den sprichwörtlichen "Tropfen auf den heißen Stein" dar.

Die österreichbezogene Bildungsrechtsprechung des EuGH steht für die Recht fortschreibende Judikatur des EuGH, die maßgeblich zur aktuellen EU-Krise beigetragen hat, aber sie ist gegenwärtig wohl als Datum zu akzeptieren. Die zentrale Frage lautet, wie Österreich (und möglicherweise andere Staaten wie Belgien, die sich in einer vergleichbaren Situation befinden) darauf EU-konform reagieren kann.

Eine Rückkehr zur Inländerbevorzugung ist gegenwärtig nicht möglich, doch zeichnet sich letzthin immer deutlicher ab, dass der Weg für eine Bewältigung dieser Problematik ganz wesentlich über das Steuerrecht laufen könnte. Die Einführung von Studiengebühren begleitet von der Einführung von Stipendien und die Abzugsfähigkeit der Studiengebühren von der Einkommensteuerbemessungsgrundlage könnte einen brauchbaren Lösungsansatz darstellen. Ein System, das den vorgetragenen Ansprüchen gerechnet werden sollte, wäre voraussichtlich ein sehr komplexes: Die Studiengebühren müssten hoch genug sein, um den administrativen Aufwand ihrer Einführung zu rechtfertigen und um den Hochschulen auch tatsächlich eine signifikante Unterstützung zukommen zu lassen.

Die Abzugsfähigkeit der Studiengebühren müsste wohl zur Gänze gewährleistet sein, was aber selbst bei Anwendbarkeit des Höchststeuersatzes nur eine Entlastung zur Hälfte gewährleisten würde. Damit würde aber gerade die Mittelschicht von der Einführung von Studiengebühren in besonderem Maße getroffen werden, was politisch wohl kaum erwünscht sein kann. Das Stipendiensystem müsste erheblich ausgeweitet werden, wobei der Anspruch auf solche Stipendien an eine vorhergehende fünfjährige Ansässigkeit geknüpft werden müsste, da sonst die gesamte Regelung ins Leere laufen würde.

Diese einkommens- und vermögensabhängigen Stipendien würden aber wiederum den Angehörigen des Mittelstandes wenig nützen (die nunmehr zumindest 50 Prozent von betragsmäßig relevanten Studiengebühren zu tragen hätten). Abhilfe könnte hier ein ergänzendes System einkommens- und vermögensunabhängiger Leistungsstipendien schaffen, die so gestaltet sein müssten, dass sie die gesamte restliche Belastung auffangen und - im Sinne eines echten Leistungsanreizes - vielleicht auch überkompensieren könnten.

Zu prüfen wäre, ob ein solches Leistungsstipendiensystem zumindest partiell über die Betriebe und öffentlichen Verwaltungen zugunsten der Angehörigen ihrer Mitarbeiter administriert werden könnte. Dabei könnten diesen Einrichtungen, sollten sie sich an Ausbildungs- und Unterstützungsprogrammen zugunsten ihrer Mitarbeiter und deren Angehörigen beteiligen, wiederum steuerliche Erleichterungen gewährt werden.

Auf der Negativseite eines solchen Systems stünden relativ hohe Verwaltungskosten sowie der Umstand, dass auch für viele Inländer die volle Kompensation der Zusatzkosten nicht möglich sein wird. Zudem wären das erwartbare Auftreten von Härtefällen und der Umstand, dass Studiengebühren gerade für sozial Schwächere grundsätzlich eine abschreckende Wirkung in Hinblick auf den Beginn eines Hochschulstudiums darstellen, negativ.

Mobilität der Studierendenin der EU wäre fairer geregelt

Realistisch voraussehbare positive Wirkungen wären hingegen eine Entlastung der österreichischen Hochschulen und ein Anreiz für den EuGH, seine Hochschulrechtsprechung zu überdenken. Ein solches System könnte auch bewirken, dass die EU die - sehr wichtige - Mobilität der Studierenden in der EU in fairerer Weise regelt.

Außerdem könnte sich daraus jene Situation entwickeln, dass die österreichischen Universitäten nicht mehr über die gemeinsame Sprache und die räumliche Nähe Studierende insbesondere aus Deutschland anziehen - und dabei leider oft die viel zitierten Numerus-clausus-Flüchtlinge. Vielmehr kämen die Studierenden dann über einen Leistungswettbewerb ins Land, der bildungsbegierigen Unionsbürgern den Wechsel nach Österreich trotz Studiengebühren reizvoll erscheinen ließe.

Gastkommentar

Peter

Hilpold

ist Professor für Völkerrecht, Europarecht und Vergleichendes Öffentliches Recht an der Universität Innsbruck und Autor von mehr als 250 Publikationen. privat